Kapitel 13 - Lass mich nicht allein

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I


„Es tut mir leid, Syd. Es tut mir wirklich leid."

Sydney antwortete erst einmal nicht, hing nur halb über der kleinen Steinmauer an der Zufahrtsstraße und entleerte ihren gesamten Mageninhalt auf die andere Seite, während Ash ihr die Haare und die Stirn hielt. Das hätte ihr unangenehm sein sollen, aber inzwischen war Sydney innerlich so erledigt, dass es sie kaum noch kümmerte, röhrend und keuchend über einer Mauer zu liegen. Wen kümmerte es schon.

„Alles okay? Geht's wieder?"

Ash half ihr sanft hoch und fing sie auf, als sie schwankte. Sydney wischte regennasse Haarsträhnen beiseite und hustete noch einmal würgend. „Nein", stieß sie dann krächzend hervor. „Sie haben meine Mama mitgenommen. Sie haben meinen Lehrer ermordet. Alles steht in Flammen."

Sie ließ zu, dass Ash sie umarmte und fühlte, wie ihr die Tränen aus den Augen liefen. Wieso? Wieso musste das jetzt passieren? Wieso war hier alles voller Monster und Horror und Gewalt?

„Es tut mir leid", flüsterte Ash noch einmal. „Ich wollte nicht, dass so etwas passiert."

„Sie haben Mama mitgenommen!" Schluchzen schnürte ihre Brust so sehr zu, dass es schmerzte. „Und ich habe nichts getan! Nichts getan! Sie haben sie einfach mitgenommen!"

„Du hättest nichts tun können."

Du konntest etwas tun! Ich hab mich nicht einmal gewehrt!"

„Du hättest nichts tun können", wiederholte Ash und strich ihr vorsichtig über den Rücken. „Ich kann Temperaturen von knapp zweitausend Grad und Druck von mehreren hundert bar erzeugen. Das kann ein Mensch einfach nicht. Es ist nicht deine Schuld."

Es half alles nichts. Sydney konnte nicht mehr tun, als sich an Ashs Genick zu klammern und den Horror der letzten Minuten herauszuheulen. Sie ließ sich willenlos zurück ins Haus schleppen, auf das mit Schutt bedeckte Wohnzimmersofa setzen und blieb dort heulend sitzen, bis ihr die Tränen ausgingen.


„Hier", sagte Ash und hielt ihr ein Glas Wasser entgegen, das sie wohl aus der Küche geholt hatte. „Der Strom ist ausgefallen, aber das Wasser geht noch."

Sydney sagte nichts, aber war dankbar dafür, den Nachgeschmack ihres Mageninhalts wegspülen und ihren brennenden Hals befeuchten zu können. Auch Ash leerte gierig ein gesamtes Bierglas Leitungswasser hinunter wie eine Verdurstende, bevor sie sich neben Sydney auf das Sofa niederließ.

„Wo ist dein Bruder?", fragte Sydney schließlich heiser, ohne sie anzusehen.

„Auf der Jagd. Ich musste umkehren, weil die von der anderen Seite gekommen und ins Haus gegangen sind, während wir beim Sendemast waren."

„Es sind ... so viele."

Ash atmete tief durch. „Ich hab schon acht von denen pulversisiert. Oder neun. Keine Ahnung. Es sind viel mehr als erwartet und jetzt benutzen sie sogar Waffen."

„Waffen?"

Das Mädchen hob einen Arm. Jetzt sah Sydney auch, dass Ashs gesamte linke Seite rot verschmiert und mit Blutkrusten übersät war und ihr Oberteil wahrscheinlich nur deshalb noch nicht abgefallen war, weil es am Blut festklebte. Mehrere runde Krusten liefen von der Brust bis seitlich hinunter zur Hüfte. „Einer hat mich fünfmal erwischt", knirschte Ash. „Direkt in die Seite. Ich hab einfach zu spät gesehen, dass er eine Pistole hatte."

„Aber was ... aber wie ..."

„Verheilt alles sofort wieder. Mein Glück." Ash ließ den Arm wieder sinken. „Ich werd nur wahrscheinlich die nächsten zwei Tage lang Blut pissen und Kugeln kacken." Sie blickte das nun leere Bierglas an. „Dehydriert einen auf Dauer auch ziemlich."

Sydney, Ash & MonsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt