Kapitel 18 - Nur Mädchen

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I


Wieder zu sich zu kommen war nicht ganz so schmerzhaft wie Sydney erwartet hatte. Ihr Kopf fühlte sich an wie Watte und sie hatte Gliederschmerzen, aber sonst war jeglicher Schmerz nur ein dumpfes Hintergrundgeräusch. Ihr Rücken zog ein wenig, Atmen war unangenehm, aber sie hatte schon weit Schlimmeres erwartet. Das hier war fast entspannend. Es war warm und der Untergrund, auf dem sie lag, war weich und bequem, fast wie ein ...


Sie lag in einem Krankenhausbett.


Es war der Geruch. Nichts kannte Sydney besser als den Geruch von Krankenhäusern. Sie tastete nach der weißen Decke, unter der sie lag, blinzelte mehrmals hintereinander und versuchte, die Eindrücke vor sich zu ordnen.

„Hey hey hey, alles ist gut. Hier, ich helf' dir."

Das Bettgestell klickte hörbar, dann klappte das Kopfende nach oben und Sydney fühlte sich in die Höhe gehoben, bis sie fast aufrecht in ihrem Bett saß. Und tatsächlich, es war ein helles, freundliches Krankenzimmer, das sie begrüßte. Es war Tag, die Sonne schien zum Fenster herein und tauchte alles in warmes, sommerliches Licht. Irgendwo draußen zwitscherte ein Vogel.

„Alles okay? Tut dir etwas weh?"

Mühsam wandte Sydney den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam, blinzelte noch einmal und sah vor sich das jugendliche, blasse Gesicht eines rothaarigen Mädchens klarer und klarer werden, das ihr durch dünne Brillengläser besorgt entgegen sah. Ash. Gute, wunderbare, entzückende Ash. Sydney versuchte, etwas zu sagen, aber ihre Kehle war so trocken, dass ihr nur ein heiseres Kratzen entwich, bis sie beim dritten Versuch endlich ein Wort zustande brachte.

„Durstig."

Ash zögerte keine Sekunde. Sie streckte eine Hand aus und eine Schnabeltasse sprang von selbst vom kleinen Nebentisch in ihre Hand. „Hier. Ganz vorsichtig, ja?" Sydney wollte ihre Hand heben, aber sie fühlte sich so steif an, dass es ihr nicht gelingen wollte, die Tasse zu greifen. Also musste Ash sie ihr an die Lippen halten. „Sag stopp, wenn du genug hast!"

Sydney trank gierig, verschluckte sich, hustete Wasser auf ihre Decke, trank dann etwas vorsichtiger und leerte fast die gesamte Tasse, bevor sie den Kopf endlich zurück in ihr Kissen sinken ließ.

„Besser."

„Ich sag deiner Mutter, dass du wach bist", beschloss Ash hastig, stellte die Tasse beiseite und machte Anstalten, vom Stuhl neben Sydneys Bett aufzustehen. „Und die Ärzte werden auch wissen wollen, wie es dir geht und ich ..."

„Warte", bat Sydney, grapschte ungelenk nach Ashs Arm und bekam ihn gerade so zu fassen. „Geh nicht gleich wieder weg."

Ihre Finger waren immer noch so kraftlos, dass sich Ash leicht aus dem Griff hätte lösen können, aber sie hielt in ihrer Bewegung inne und ließ sich wieder auf den Sitz sinken. Mit großen Augen erwiderte sie Sydneys müden, glasigen Blick.

Sie ist so wahnsinnig hübsch.

Ash hatte in der Zeit zwischen jetzt und dem Desaster im Wald offensichtlich Zeit gehabt, sich zu waschen, zu frisieren und umzuziehen. Grünes, matt schimmerndes (und ansprechend enges) Neckholdertop, Hals- und Armbändchen, neue Brille und einen neuen Haarschnitt hatte sie auch. Teils vermutlich bedingt dadurch, dass ihr Kopf auf der rechten Seite fast alle Haare gelassen hatte.

„Siehst gut aus", krächzte Sydney und versuchte zu lächeln. Sogar das tat weh. „Neue Frisur?"

„Undercut. War ja auch mal modern." Ash grinste schief. „Alles wächst nach, außer natürlich Haare und Nägel, die wachsen in normaler Geschwindigkeit. Jetzt seh' ich wirklich aus wie die totale Klischeelesbe, aber so ist das Leben."

Sydney, Ash & MonsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt