Kapitel 8 - Mitleid

21 3 25
                                    


I


Als Sydneys Wecker läutete, war Ash bereits wach und saß im Schneidersitz auf der Matte, den Blick hochkonzentriert auf ihr Handy gerichtet, auf dem gerade ein Video flimmerte. Sie hörte wegen der Kopfhörer nicht, dass Sydney gähnend den Wecker stummschaltete, aber als diese sich aufsetzte und streckte, blickte sie auf und stoppte das Video.

„Guten Morgen!"

„Guten Morgen", gab Sydney zurück und rieb ihre Augen. „Was guckst du da?"

„Da geht's grade voll ab!" Ash zog die Kopfhörer aus den Ohren. „Die SafeTech-Befragungen haben begonnen."

Sydneys Blick verlor sich durch halb geschlossene Augen ins Leere, bis die Bedeutung des Satzes endlich die richtigen Synapsen in ihrem Hirn erreicht hatte. Sofort war sie hellwach, blinzelte und rutschte von der Bettkante neben das Mädchen auf der Matte. „Wirklich? Zeig mal!"

Ash trennte die Verbindung zu ihren Kopfhörern und hielt Sydney das Gerät hin, damit sie beide zusehen konnten. Und was sich offenbarte, war eine Nachrichtensendung zu etwas, das mit SafeTech-Skandal betitelt war.

„Oh, das ist der Grund, aus dem ihr hier seid, richtig?"

„Jep. Ich glaube, diesmal haben wir den Mistkerl."

Der Mistkerl hieß offenbar Dr. Roy Mintz. Sydney hatte noch nie zuvor von ihm gehört, aber Ash schien genau zu wissen, wer er war. Ein verblüffend harmlos aussehender Mann mit teurem Anzug, leichtem Schmerbauch und Halbglatze – das einzig beunruhigende an ihm war der stechende Blick, den er in die Kameras richtete, voll mit zurückgehaltenem Zorn darüber, so in der Öffentlichkeit gedemütigt zu werden. Das meiste, was er von sich gab, war „Kein Kommentar", weshalb Ash sich schließlich verpflichtet fühlte, Sydney aufzuklären.

„Du weißt ja Bescheid über SafeTech, oder?"

„Ja, meine Mama arbeitet dort."

„Genau. Jedenfalls hat dieser Mintz nicht nur Millionenbeträge veruntreut, sondern auch Firmengeheimnisse verkauft." Das klang langweiliger, als Sydney erwartet hatte, aber dann setzte Ash noch einen drauf. „Das allein reicht ja schon aus, aber jetzt hat sich auch noch herausgestellt, dass er einen Terroristenkult finanziert. Wahrscheinlich mit den verschwundenen Millionen."

Sydney blinzelte. „Einen was?"

„Die Legion kennst du ja, oder nicht?"

„Nein."

Ash sah sie sehr verwundert an, aber fing sich gleich wieder. „Es ist nicht der kreativste Name, den man sich geben kann, zugegeben. Stell sie dir vor wie eine Mischung aus Weltuntergangssekte und Transhumanismusfetischisten."

Das war eine solch skurrile Beschreibung, dass Sydney nichts damit anfangen konnte. „Und dieser Mintz-Typ gibt ihnen Geld?"

„Geld, Ressourcen, vielleicht Waffen, sicher aber Geheimnisse aus den SafeTech-Entwicklungslaboren. Und damit ist nicht zu spaßen."

Sie sagte das, als wüsste Sydney, worum es ging, aber wie Mama oft betonte, stand alles unter strenger Geheimhaltung und daher war ihre Kenntnis über SafeTech-Entwicklungen kaum besser als die jeder anderen Person in den USA. Sie wusste, dass die Hälfte ihrer Tabletten und all die Baustoffe für die künstlichen Fleischfarmen von dort stammten. Dass sie dort Impfstoffe herstellten und vermutlich auch viele tödliche Krankheiten dort lagerten. Und natürlich die Gerüchte über biologische Waffen.

„Wird der Typ irgendwas tun?", wagte Sydney schließlich zu fragen, während Mintz unter Blitzlichtgewitter und kläglichen Versuchen, sein Gesicht zu verstecken, ein Gebäude betrat. „Ich meine, darum seid ihr ja hier, nicht?"

Sydney, Ash & MonsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt