Kapitel 5 - Kostüme und solche Sachen

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I


Als sie zurückkamen, war es früher Nachmittag. Mama begrüßte sie mit leiser Sorge, als sie über die Verandatüre wieder ins Wohnzimmer kam, aber ließ sich auch sehr schnell wieder beschwichtigen.

„Wir waren nur kurz drüben im Wald", erklärte sie. „Ich hab' Ash die Umgebung gezeigt."

„Das ist lieb von dir." Mamas Stimme war warm und so offensichtlich erleichtert darüber, dass ihre Tochter nicht alle ihre sozialen Skills verlernt hatte, dass Sydney sofort wieder Lust bekam, sich in ihr Zimmer zurückzuziehen. Mama meinte es nicht böse, aber ihre besorgten Blicke machten Sydney wahnsinnig.

Ash merkte nichts davon. „Sie haben ein echt schönes Anwesen, Mrs. Wilson", meinte sie und trippelte barfuß an ihr vorbei. „Ich würde glatt Urlaub hier machen."

„Ja, aber dafür sind wir nicht hier", mischte sich Luka ein, der gerade die Treppe nach unten kam. „Komm, du hilfst mir jetzt in der Küche."

„Waaas? Es gab doch eben erst Frühstück!"

„Ja, und jetzt gibt's Mittagessen. Hopp, ich brauche jemanden, der Kartoffeln schält."

Ash maulte, aber wehrte sich nicht, als ihr Bruder sie mit sich schob. Sydney blieb zurück und blickte den beiden amüsiert nach.

„Hey, ich hab ihm gesagt, er braucht sich die Mühe nicht zu machen", rechtfertigte sich Mama, als hätte ihr jemand einen Vorwurf gemacht. „Aber er besteht darauf."


Zu Mittag (oder vielmehr, zum frühen Nachmittag) gab es Kartoffelgratin. Zu Ashs Freude nichts mit Tomaten, aber auch Sydney hatte überhaupt kein Problem damit, bekocht zu werden – Luka war ein weit besserer Koch als Mama.


Langsam gewöhnte Sydney sich an die beiden Gäste. Entgegen aller Befürchtungen waren beide sehr sympathische Leute und obwohl Sydney sich neben Ash nur hässlich fühlte, stellte sie fest, dass sie sie gern bei sich hatte. Aufmerksamkeit zu bekommen war wohl sogar für einen Einsiedlerkrebs wie sie angenehm und Ash hatte das unerwartete Talent, mit nichts weiter als einem aufmerksamen Blick oder einem Lächeln Sydney das Gefühl zu geben, sie wäre die wichtigste Person im Raum.

Wenn wir beste Freundinnen wären, dann wäre sie das beliebte Mädchen und ich ihre unscheinbare Freundin, überlegte sie und malte sich Szenarien aus, in denen sie dieselbe Highschool besuchten, mit bunt gemischten Klassenzimmern, fiesen Lehrern und Zickenkriegen in den Pausen. Ash wäre vielleicht Cheerleader und Sydney wäre Außenseiter. Oder war Ash zu klein, um Cheerleader zu sein? Vielleicht wäre sie im Tennisclub und sie selber könnte Mitglied im ... Schachclub sein?

Nein, sie konnte gar kein Schach spielen.

Außerdem – waren Schulen wirklich so, wie sie in den Serien und Büchern immer dargestellt wurden? Gab es solche Clubs überhaupt noch? Trug man Schuluniform oder war das nur in England? Wie dem auch sein mochte, Ash hätte in Schuluniform wahrscheinlich großartig ausgesehen.

„Alles okay?" Lukas Stimme riss sie so plötzlich aus ihren Gedanken, dass sie zusammenfuhr – und begriff, dass sie die letzten paar Minuten fast reglos in der Mitte des Wohnzimmers gestanden und den Gästen zugesehen hatte, wie sie Geschirr in die Küche zurücktrugen.

„J-ja, war nur in Gedanken", japste Sydney. „Braucht ihr Hilfe?"

„Nein, kein Problem", gab er freundlich zurück. „Hör zu, wenn meine Schwester dir auf die Nerven geht, sag mir Bescheid, ich kann sie schon ausbremsen."

Sydney, Ash & MonsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt