Kapitel 6 - Herzrasen

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I


Erst als der Wecker piepste und Sydney träge den Kopf hob, wurde ihr klar, dass wieder Montag war. Shit. Das hatte sie über den Tumult mit ihren zwei Gästen komplett vergessen.

Mit einer Mischung aus Jammern und Grunzen schob sie sich aus dem Bett, warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass sie zumindest noch anderthalb Stunden Zeit hatte, bis Professor Carlson ankam. Sie schlurfte zu ihrem Schreibtisch und stopfte sich erst einmal ihre Tabletten in den Mund. Dann wurde ihr klar, dass sie gestern auch noch vergessen hatte, die Wasserflasche nachzufüllen und deshalb musste sie die Pillen trocken schlucken. Fantastisch.


Heute stand Sydney etwas länger vor ihrem Kleiderschrank und überlegte, was sie anziehen sollte. Für gewöhnlich war es einfach das, was oben auf dem Stapel lag, aber sie wollte Ash ausnahmsweise mal nicht mit den allerältesten, ranzigsten Sachen unter die Augen treten, also kramte sie etwas länger herum, bis sie etwas fand, das ihr gefiel. Natürlich nichts Kurzes oder, Gott bewahre, mit Ausschnitt, aber vielleicht doch mal diese eine, etwas hübschere Jeans. Oder den dezent figurbetonteren Rollkragenpullover. Womöglich sogar ... farblich abgestimmte Unterwäsche? Klar, die sah man natürlich nicht, aber ... trotzdem.

Sydney fühlte sich ausgesprochen risqué, als sie dann zum Badezimmer hinüber schlich und war beinahe enttäuscht, dass es heute frei war und noch niemand benutzt hatte. Es blieb nichts anderes übrig, als Zähne zu putzen, zu duschen, sich anzuziehen und zu frisieren wie an jedem anderen Tag. Überrascht war sie allerdings, als sie in die Küche hinunter ging und Mama dort stehen sah, im Morgenmantel und mit einer Tasse Kaffee in der Hand.

„Hast du heute keine Arbeit?"

„Doch, doch", sagte Mama mit aller Zeit der Welt und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. „Aber ich mach diese Woche Homeoffice."

„Das geht?"

„Syd, ich mische nicht mehr Flüssigkeiten in Reagenzgläsern zusammen, das war vor vielen Jahren. Die meiste Arbeit, die ich inzwischen mache, besteht darin, Finanzen zu kontrollieren, andere Leute herumzukommandieren und Berichte zu schreiben. Das kann ich von zuhause auch machen."

Sydney blieb mit hängenden Armen stehen. „Oh. Ach so." Aber dann fiel ihr etwas ein. „Professor Carlson kommt aber in einer knappen Stunde."

„Tja, dann sollte ich mir wohl etwas anziehen." Mama leerte seelenruhig ihren Kaffee und ließ Sydney allein in der Küche zurück. Mit jedem Tag ging die Alltagsroutine mehr und mehr den Bach hinunter, wie es schien.


Wenigstens sah sie ihre Frage vom Vortag beantwortet, als Ash zu ihr in die Küche kam. Statt dem Zopf trug sie ihre Haare heute in einem seitlichen, hohen Pferdeschwanz mit grünem Haargummi und im Kontrast zu ihrem vergleichsweise züchtigen Outfit von gestern kam sie heute bauchfrei und mit kurzen Shorts an. Sydney starrte sie vielleicht etwas zu lange an, bevor sie blinzelte und sich abwandte.

„Heute gibt's kein Frühstück", fing Ash ohne Einleitung an und stellte sich neben Sydney. „Luka macht Morgensport und dann muss er am Laptop was arbeiten."

„Ist schon okay, wir haben Brot und Cornflakes und sowas. Magst du einen Kaffee?"

„Aber immer gern. Das ist übrigens ein hübscher Pulli."

„Danke, du auch. Äh." Sydney zuckte zusammen, als ihr klar wurde, was sie gerade gesagt hatte. Fantastisch, warum nicht jede Gelegenheit nutzen, etwas wirklich Dummes von sich zu geben, das absolut keinen Sinn ergab. Kannst du nicht einmal etwas Normales sagen, Sydney? Ernsthaft? „Ich meine", fing sie an zu stammeln und wandte sich zur Kaffeemaschine, „du hast auch ein schönes ... also, das ist ein cooles Outfit und so."

Sydney, Ash & MonsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt