Kapitel 27

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Yi Ling zeigte sich beflügelt passioniert über sein weiteres Erklären, während Lan Zhan ihm aufmerksam zuhörte.

„Doch wenn alles richtig angepasst ist, in einem exorbitanten Maß.
Wasser, zum Beispiel. Irgendwo gibt es eine Dürre und kein Wasser in Sicht. Man könnte woanders Wasser von einem Fluss oder See hiermit aufnehmen. Mit ein paar Anpassungen der Schriftzeichen, es dann zu Regen werden lassen, oder von mir aus einen See umsetzen. Was auch immer.
Man könnte ihn auch zum Transport von größeren, unhandlichen Dingen nutzen, wo ein qián kūn - Beutel nicht ausreichen würde. Und das alles ohne eigenes líng qì dafür opfern zu müssen. Oder, doch dafür müsste man ihn noch weiter modifizieren und perfektionieren, er könnte es möglich machen, Person zu befördern. Jemand der Verletzt ist, vielleicht mit Heil-Magie kombiniert. Wäre das nicht extrem praktisch?" Er raunte über diesen Gedanken, der ihm erst jetzt so richtig in seinen Möglichkeiten bewusst wurde.

„Die Basis dieses Talismans bleibt stets dieselbe, doch je nach Anforderung, könnte man ihn ergänzen." Er murmelte weitere Ideen vor sich hin.

„Und bei was kann ich dir hier behilflich sein?" Lan Zhan schaute, für Yi Ling doch etwas unerwartet, weder skeptisch noch belächelnd über seine Fantastereien. Es war wieder dieses Gefühl von Überschwänglichkeit, das in ihm wach wurde, wann immer er erleben durfte, das Lan Zhan ihn und sein Getüftel ernst zu nehmen schien, obwohl es für diesen nur Kindereien gleich kommen musste.

„Ich weiß, für dich wird es nichts von wirklicher Bedeutung darstellen, immerhin habt ihr eure eigenen Mittel und Wege..."

„Das ist nicht richtig.", berichtigte ihn Lan Zhan in einem souveränen Ton, und Yi Ling sah den verstehenden Ausdruck auf dessen Gesicht, das sogar ein kleines Lächeln zuließ.

Beinahe, als wäre er stolz auf ihn.

„Auch wenn wir mit dem Geschenk der Unsterblichkeit gesegnet sind, gibt es auch diejenigen die damit hadern die Kultivierung ihres spirituellen Kerns auf eine höhere Ebene zu bringen. Oder jene, die erst damit beginnen ihn zu trainieren. Sollte dieser Talisman das möglich machen können, was du dir ausgemalt hast, könnte er überall für Nützliches Gebrauch finden."

Es war ein ungemeiner Ansporn für den Erfinder in ihm, so etwas von jemandem wie Lan Zhan gesagt zu bekommen. Es war bei Weitem keine unangenehme Vorstellung, ihn als die Person zu sehen, mit der er als erstes seine neuen Ideen durchging. Ihn um seine Meinung fragte.

Erneut wurde ihm warm und er schüttelte kurz den Kopf, um sich wieder zu sortieren.

„Deine Worte lassen mich beten, das ich mich nun nicht vollkommen vor dir blamieren werde.", lachte er nervös, wäre das wirklich mehr als peinlich, nachdem er hier so großspurig daher geredet hatte.

„Um auf deine Hilfe zurückzukommen." Er grinste nun etwas schamlos in Lan Zhan's Richtung. „Ich weiß, es ist nicht das romantischste Geschenk nach dem ich fragen könnte, aber..."


Yi Ling raunte nachdenklich, während er über der Verbesserung seines Speicher-Talismans saß, und nach der Schale mit Tee griff, die Lan Zhan ihm vor geraumer Zeit eingegossen hatte.

Er schüttelte sich kräftig über den bitteren Geschmack, des bereits kalt gewordenen Getränks, gefolgt von einem matten Seufzen.

Dank Lan Zhan's Hilfe, konnte er über ihr kleines Experiment einige nützliche Informationen sammeln.
Zum Beispiel, was die Eigenenergie einer elementaren Kraft betraf, die er in seinen Talisman einschließen wollte.

Ein Sturm oder besser die Potenz solch eines kraftvollen Windes, war zwar nichts was man nun tagtäglich gebrauchen konnte, doch in diesem Fall ein perfektes Versuchsobjekt um zu sehen, was solch ein Talisman an Energie im Stande war aufzunehmen. Und nicht zu Letzt, ob er sie im selben Maß auch wieder freigeben würde können.

Das Einschließen an sich hatte soweit funktioniert gehabt, doch konnte seine Formel ihn nicht für lange darin festhalten und er war wie ein wütendes Tier wieder aus seinem Käfig gesprungen und riss den Talisman dabei in Stücke.

Er versuchte es darauf mit Wasser und Trotz das dieses Element in ruhigem Zustand keine große Eigenenergie erzeugte, war es das Gewicht und das Volumen, was es zu überarbeiten galt.

Etwas das auch bei starren, großen Objekten ein Faktor werden würde.

Feuer ignorierte er erst einmal, da es in seinem Sinn, das wenigste gebräuchliche Element wäre, das man in großer Form in transportablen Zustand gebrauchen könnte.

Was er bis jetzt herausgefunden hatte war, dass es mehr Stabilität in der Magie gab, wenn das natürliche Qi aus dem Element gezogen wurde, das man speichern wollte. Mit etwas Tüftelei, war es ihm möglich geworden einen Teil seiner Formel so zu koppeln das man besagtes Qi, direkt von dem bezog was man gedachte einzuschließen, anstatt es separat zu extrahieren. Es versorgte sich somit selbst mit der notwendigen Energie, die seine Formel benötigte.

Yi Ling tippte sich mit dem Griff seines Pinsels gedankenversunken gegen das Kinn.

„Wie bekomme ich es hin, das Aufnahmepotenzial zu erhöhen, ohne das es mir den Träger in Stücke reißt?"

屋 (Raum) durch 旷地 (offene Fläche) zu ersetzen, brachte nur einen kleinen Erfolg, bewirkte aber das die Eigenenergie sich zu sehr verlief." Er raunte laut und unzufrieden, während er sich nach hinten auf den Rücken fallen ließ und die Arme von sich streckte.

Es war nicht so, dass er Lan Zhan gehört hätte, oder dessen Schritte über den Boden spürbar gewesen wären, doch war er sich dessen Präsens dennoch sogleich bewusst, auch ohne ihn schon gesehen zu haben. Es war nicht das erste Mal, dass ihm dies auffiel und er spielte mit einer Ahnung dazu. Chénqíng würde, wenn er könnte, ihm wohl einen schmerzhaften Tritt verpassen, über die Wahrscheinlichkeit, dass diese neue Weitsicht bezogen auf Lan Zhan, etwas damit zu tun hatte, das er ihm in der Unheiligen Ebene, von Lan Zhan damals unbemerkt, ein Stück Gewalt über sein yuàn qì zukommen ließ damit er, im Falle eines Falles Chénqíng und Bàng Hēi befehligen konnte. Dieses Extra, das ihn Lan Zhan nun immer etwas mehr „spüren" ließ, konnte somit ein unerwarteter Nebeneffekt davon sein.

„Yi Ling?", hörte er es darauf auch schon, und ein leichtes Lächeln trat wie von selbst auf seine Lippen. Er mochte das Gefühl, das dieses sanfte, führsorgliche Vorbringen seines Namens aus Lan Zhan's Mund in ihm auslöste.

Gleich einer Katze die sich zufrieden im warmen Sonnenlicht aalte.

„Ah, Lan Zhan. Ich glaube ich habe meinen Pep verloren. Ein Genie am Ende seines großen Geistes.", jauchzte er theatralisch und warf sich einen Arm über sein Gesicht und seufzte laut und niedergeschlagen.

Yi Ling linste unter seinem Arm hervor und konnte verfolgen, wie Lan Zhan sich an den Tisch und ihm gegenüber setzte. Dieser schaute über das Chaos, das er während seines Arbeitens darauf angerichtet hatte, sagte aber nichts dazu.

Seine Aufmerksamkeit fiel schließlich auf den Talisman, der ihm solches Kopfzerbrechen bereitete.

„Darf ich?", fragte man ihn und er nickte auffordernd und raffte sich zudem wieder auf, um darauf zu erklären, woran eine Verbesserung gerade scheiterte.

Lan Zhan studierte den Talisman und irgendwie machte es Yi Ling albern unsicher. Etwas, das ihm sonst kaum passierte, wenn es um seine Erfindungen ging. Aber wann hatte er auch schon einmal jemanden vor sich, der verstand, was sich da vor ihm befand.

„Warum beschränkst du dich auf Verschluss oder Freilauf von dem was du zu speichern gedenkst? Wäre es nicht effektiver es sich anpassen, den Raum mit der eingeschlossenen Energie mitgehen zu lassen?" Yi Ling schaute auf diesen Vorschlag interessiert und überlegte sofort, wie man dies bewerkstelligen könnte.

„Wie wäre es damit?" Lan Zhan nahm einen der Pinsel und tippte ihn in Tinte, auf das er ein paar Symbole auf eines der verstreuten Blätter schrieb und es ihm daraufhin zuschob.

Yi Ling's Augen weiteten sich überrascht, bevor sein Kopf diverse Varianten aufbrachte, wie man es damit versuchen könnte und er strahlte angetan über diesen kleinen Wink in die richtige Richtung.

„Du meinst also..." Er brachte seinen Satz nicht zu ende, sondern griff nun selbst wieder zu Papier und Pinsel.


***


Yi Ling erwartete Nie Huaisang in einem kleinen Pavillon, der zum Garten des Hauses gehörte, das er derzeit bewohnte. Er hatte es selbst vorgeschlagen, wollte er keinen Fremden und dazu noch jemanden, dem Lan Zhan nicht über den Weg traute, im Haus seiner verschiedenen Mutter empfangen, wusste er wie wichtig ihm deren Andenken war.

Er saß gerade über einem Buch über Sternenkonstellation und kosmischer Balance, als ihm die Bewegungen zweier Personen im Augenwinkel davon abbrachten und er die Schrift schließlich zur Seite legte, um sich zu erheben. Lan Zhan schritt in seiner üblich, eleganten Manier voran, während ihr Gast sich mit interessierten Blicken umschaute. Auch jetzt trug dieser einen Fächer, welchen er gemächlich hin und her wiegte. Mehr wie eine alteingesessene Gewohnheit, als eine Notwendigkeit.

Yi Ling schaute sich ihr Erscheinen mit vor der Brust verschränkten Armen an und studierte den zierlichen jungen Mann dabei etwas eingehender.

Es erschien wahrlich unwahrscheinlich, dass dieser der Bruder des Nie Clanführers sein sollte, zumal er nie davon gehört hatte, dass dieser einen jüngeren Bruder besaß.

Doch, so klärte ihn Lan Zhan auf, lag das eher daran, dass man Nie Huaisang eher als eine Blamage in den eigenen Reihen ansah und ihn deshalb aus sämtlichen Belangen, die den Clan betrafen, heraushielt, weswegen dessen Name kaum von Relevanz war.

Und ja, es war nicht wirklich schwer, es nachvollziehen zu können, hob sich das Nie Ansehen hauptsächlich durch seine exzellenten aber rauen Kämpfer hervor.

Muskeln und Power.

„Ah, Yi xiān shī (immortal Master)." Nie Huaisang schaute etwas nervös, als sich ihre Blicke trafen und dieser sich vor ihm leicht zur Begrüßung verbeugte. „Es freut mich zu sehen, das ihr euch wieder erholt habt.", fügte jener noch an, während Lan Zhan sich neben Yi Ling stellte und sich nicht scheute Nie Huaisang mit kritischen, kühlen Augen noch etwas mehr in sich zusammenschrumpfen zu lassen.

„Xiāo Míngqín. Habt Dank, euch die Zeit genommen zu haben, uns zu beehren. Wie ich sehe, seid ihr bei recht guter Gesundheit. Erfreulich.", begrüßte er diesen mit einem Lächeln.

Was auch immer Nie Huaisang in seinem Ton herausgehört haben mochte, ließ ihn seinen Blick leicht zur Seite wenden und seinen Fächer etwas rascher bewegen.

„Uhm...ja...erfreulich.", räusperte dieser sich darauf etwas unbeholfen und Yi Ling zeigte Erbarmen, war es förderlich, sich nicht zu bissig zu präsentieren, hatte er noch die ein oder andere Frage an ihren Gast.

„Nur nicht so schüchtern." Yi Ling machte eine Handgeste die angab, dass dieser sich zu ihnen gesellen sollte. „Der Tee hier ist wirklich exquisit. Sicherlich ganz nach eurem gehobenen Geschmack." Nie Huaisang nickte etwas steif auf seine Aufforderung, doch kam er ihr nach.

Als sie schließlich alle Platz genommen hatten, servierten ihnen WangJi und Bichen versprochenen Tee, mit hübsch anzusehenden, kleinen Süßigkeiten, von denen Yi Ling wusste, dass WangJi diese tatsächlich selbst machte.

Es begeisterte ihn, wie vielfältig Lan Zhan's spirituelle Zöglinge waren, konnte er sich nicht vorstellen, dass er Chénqíng zu so etwas überreden würde können.

Er stibitzte sich somit auch gleich eines, ohne sich über die angebrachte Etikette Gedanken zu machen, die man im Beisein zweier so hoher Persönlichkeiten an den Tag legen sollte.

Er gab ein ehrlich angetanes Raunen über das Konfekt von sich, gefolgt von lobenden Worten, was WangJi mit geordneter Miene erwiderte und die beiden sich folglich wieder zurückzogen.

„Nun, was genau verschafft uns die Ehre, Nie Mingjue's xiōng dì (jüngerer Bruder) hier empfangen zu dürfen? Doch nicht etwa eine weitere, kleine Geschichte, um darauf andere die Arbeit machen zu lassen.", grinste er und warf sich ein weiteres Konfekt lässig in den Mund.

Nie Huaisang gab ein ergebenes und langgezogenes Seufzen von sich.

„Das hab ich wohl verdient. Doch zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich keinesfalls ahnte, wie sich diese Sache entwickeln würde. Ich hatte schlichtweg gehofft, jemand mit mehr Talent und Erfahrung, würde es besser handhaben können." Nie Huaisang's Jammern klang routiniert, wie auch dessen leidlicher Gesichtsausdruck etwas Geübtes wiedergab.

„Nur weil ich der jüngere Bruder des Chìfēng-zūn bin, erwartet man von mir, dass ich ihm nacheifere. Aber das ist eine Sache der Unmöglichkeit. Mein Bruder ist ein..." Nie Huaisang schien seine Worte vorsichtig zu wählen. „...ein Charakter mit viel Temperament. Ein Meister mit dem Schwert und durch und durch ein Kämpfer. Ich besitze keine dieser Eigenschaften. Ich hatte nicht gelogen, als ich damals sagte, dass ich den feinen Künsten zugetan bin. Etwas das ich auch nicht zurückstecken möchte, nur um irgendwelche wildernden Kreaturen wieder einzufangen. Doch meinte mein Bruder, dass ich nun genug herumgealbert hätte. Drohte sogar meine geliebte und einzigartige Fächersammlung zu verbrennen, wenn ich dieser Aufgabe nicht nachgekommen wäre." Dieser wirkte über solch eine Aussicht deutlich empört.

„Und was ließ annehmen, dass wir für diese Angelegenheit besser geeignet wären?", konnte sich Yi Ling diese Frage nicht verkneifen, war die Antwort darauf eine die ihn interessierte.

Nie Huaisang räusperte sich wiederholt und nahm darauf einen Schluck von seinem Tee, den er auch nicht sofort wieder abstellte. Es sah so aus, als hoffe er sich hinter beiden, Fächer und Teeschale, verstecken zu können.

„Das war nicht so schwer. Lan èr diànxià (zweite Hoheit der Lans), ist ein recht bekanntes Gesicht in unseren Kreisen. Wie auch sein ehrenwerter Ruf ihm vorauseilt." Yi Ling tätschelte Lan Zhan die Schulter und seufzte.

„Lan Zhan, Lan Zhan schau was dein hübsches Gesicht uns eingebracht hat. Vielleicht hättest du dir einen Bart wachsen lassen sollen, als Tarnung." Er strich Lan Zhan über die Wange mit einem Finger der Hand, die er auf dessen Schulter gelegt hatte und schmunzelte zufrieden über dessen störrische Ignoranz dazu.

Ein weiteres Räuspern war zu hören und Yi Ling fragte sich, ob Nie Huaisang doch gesundheitliche Probleme plagten.

„Also, um weiteren Missverständnissen vorzubeugen. Es war nicht nur Lan èr diànxià. Yi xiān shī 's Name ist nicht gerade unbekannt in Nie-Gefilden, nachdem er es vor einigen Jahren geschafft hatte, solch eine Aufregung in der Unheiligen Ebene los zu treten. Mein Bruder war bis zu Letzt der Meinung, dass man euch nicht einfach so frei herumlaufen lassen sollte, mit eurer...nun ja...ungewöhnlichen Kultivierung." Yi Ling überkam ein „Ah"-Moment auf diesen Hinweis. Nun Chìfēng-zūn hatte seinen Standpunkt damals wirklich mehr als deutlich gemacht und die Erinnerung daran, ließ ihn auch jetzt noch mit einem beklemmenden Gefühl zurück.

Wäre shī fu nicht gewesen, hätte man ihn sicherlich auf ewig weggesperrt, war niemand bereit, sich von einem wie ihm etwas erklären zu lassen.

„Yi Ling?" Man drückte seine Hand, die zwischen ihm und Lan Zhan ruhte und er lenkte seinen Blick unbewusst diesen sanften, besorgt klingenden Worten zu.

Das Lächeln, das sich ihm auf die Lippen legte war ehrlich, brachte Lan Zhan ihn oft genug dazu zu vergessen, seine Emotionen hinter dieser alteingetragenen Maske der Sorglosigkeit zu verstecken.

„Schon gut.", versicherte er ihm, doch Lan Zhan zögerte einen Moment.

„In Ordnung."

Yi Ling wandte sich wieder Nie Huaisang zu, der an seinem Tee nippte und in den Garten schaute.

„Etwas anderes. Gibt es etwas Neues zu Mo Xuanyu?"

Nie Huaisang schaute unerwartet ernst auf seine Frage und klappte seinen Fächer mit einem lauten Klack zusammen.

„Es gab keine Überreste von ihm oder sonst irgendetwas. Nachdem was mich Lan èr diànxià hat wissen lassen, was vorgefallen war, haben wir die komplette Höhle durchkämmt. Aber nichts.

Wir haben zudem nachgeforscht, was diesen Mo Xuanyu angeht. Es gab kein Mitglied unter unseren Soldaten mit diesem Namen, noch jemanden mit solch einer Schwerttechnik." Ein müde klingendes Raunen war von Nie Huaisang einzufangen. „Es ist nicht der erste, merkwürdige Vorfall. Seit einiger Zeit verbreitet etwas oder jemand extra Unruhe in der Unheiligen Ebene. Nur konnten wir bis jetzt nichts Greifbares herausfinden. Dieser Mo Xuanyu, könnte aber ein brauchbarer Hinweis sein." Nie Huaisang erklärte sich daraufhin nicht weiter, sondern setzte wieder ein schmales Lächeln auf.

„Es gibt jedoch auch gute Nachrichten.", fuhr er fort und Yi Ling war ganz Ohr. „Wir haben die Angelegenheit mit der Miene und diesen Kristallen beheben können.

Lan èr diànxià meinte, dass diese Kristalle das Wasser des unterirdischen Flusslaufes kontaminiert haben könnten und es dadurch unerfreuliche Auswirkungen mit sich brachte.

Wir haben die Kristalle beseitigt. Natürlich mit all der Vorsicht, zu der uns Lan èr diànxià geraten hatte."

„Gibt es einen Hinweis, was mit den restlichen Dorfbewohnern passierte? Wir fanden nur die mutierten Arbeiter in der Miene.", erkundigte sich Yi Ling, war dies eine der Fragen, die ihn ebenso beschäftigten.

„Es ist nicht wirklich unsere oder meine Aufgabe mich um diese Dinge zu kümmern.", meinte Nie Huaisang und Yi Ling ließ etwas enttäuscht die Schultern hängen.

„Allerdings...", setzte dieser nach. „...hat mich Lan èr diànxià darauf verwiesen, dass es teilweise in der Verantwortung unseres Clans liege, was dem Dorf wiederfahren sei. Er hatte nicht Unrecht, das muss ich leider gestehen. Somit war das letzte was ich tun konnte, ihm diesen ebenso gestellten Gefallen zu erfüllen." Yi Ling schaute darauf mit großen, überraschten Augen zu Lan Zhan, hatte dieser nie erwähnt Nie Huaisang, über ihren Austausch der letzten Wochen, in solch einen „Gefallen" gedrängelt zu haben.

Lan Zhan erwiderte nichts dazu, doch wurden dessen Ohren ein wenig Rot über sein Anstarren, worauf sich Yi Ling mit einem Schmunzeln von ihm ab und wieder Nie Huaisang zuwandte.

„Und?"

„Wie es aussieht, haben die restlichen Bewohner ihr Dorf verlassen, nachdem sie dachten die Miene sei verflucht, was unter diesen Umständen nicht verwunderlich ist und sie damit einem ähnlichen Schicksal noch einmal entkommen sind.

Wir haben die Miene versiegelt, das es damit auch keine Probleme mehr geben sollte."

Yi Ling atmete erleichtert durch.

„Dann war ja doch nicht alles umsonst."

Ein Sonnenvogel setzte sich auf das hölzerne Geländer des Pavillons und Lan Zhan erhob sich sogleich.

„Ich werde verlangt.", entschuldigte er sich. „Ich kann Nie xiān jūn (immortal Lord) zuvor noch zurückbegleiten." Es war klar, das Lan Zhan sie beide nicht unbedingt allein lassen wollte, was an seinem Zweifel an Nie Huaisang's vertrauenswürdigen Charakter lag.

Aber Yi Ling lenkte von seiner Seite her ein. „Wenn Nie xiān jūn nichts dagegen hat, würde ich gern noch etwas seine Gesellschaft genießen. Es ist selten, das ich mal jemanden anderen hier zum Schwatzen habe.", grinste er zuerst Lan Zhan und etwas verschlagener Nie Huaisang an, der zwar etwas unsicher darunter wirkte, aber auch nicht ablehnte.

„Ich hätte nichts dagegen, Yi xiān shī noch etwas Gesellschaft zu leisten." Lan Zhan wirkte unentschlossen.

„Ich werde schon auf mich aufpassen. Und sollte Nie xiān jūn doch etwas Unlauteres im Schilde führen, dann weiß er sicherlich um die Konsequenzen, die damit einhergehen werden." Er schaute Nie Huaisang mit einem dunklen Lächeln an, das diesen schwer Schlucken ließ. „Hab ich nicht Recht Nie xiān jūn?", erkundigte er sich, auf das Nie Huaisang eifrig nickte. „Na...natürlich. Ich bin im vollkommenen Wohlwollen hier. Ich schwöre!" Dieser hielt drei seiner Finger nach oben, um es auch zu unterstreichen.

Lan Zhan fixierte ihren Gast noch einen Moment kalt.

„Wie gewünscht." Damit verbeugte er sich leicht zur Verabschiedung und entfernte sich.

Nie Huaisang gab ein langgezogenes, erleichtertes Seufzen von sich und rutschte sogar etwas in sich zusammen.

„Lan èr diànxià ist nicht weniger einschüchternd als mein Bruder, nur auf eine völlig andere, grusselige Weise." Yi Ling konnte nicht anders, als über diese Feststellung amüsiert aufzulachen.

„Na, da wir das nun klargestellt haben." Nie Huaisang schmunzelte nun selbst etwas und richtete sich wieder in eine ordentliche Position auf.

„In der Tat. Und wie es sich für einen anständigen Gast gehört, bin ich auch nicht mit leeren Händen hier.", grinste dieser nun und holte darauf zwei Krüge Wein aus einem qián kūn-Beutel und platzierte sie auf dem Tisch.

Yi Ling's Augen weiteten sich angetan.

Lan Zhan erlaubte ihm keinen Tropfen, egal wie sehr er darüber gestöhnt hatte, dass er wieder einmal etwas Gehaltvolleres vertragen könnte.

Seiner Gesundheit wegen; meinte dieser stets. Und das mochte auch stimmen, kümmerte sich Lan Zhan in der Zeit die er schon hier war, wirklich führsorglich um ihn.

Aber...

„Nie xiān jūn, ihr wisst wie man sich Freunde machen kann." Was Lan Zhan nicht wusste, konnte er ihm auch nicht verbieten.



Es hatte sich nichts an der Chemie zwischen ihnen geändert, stellte Yi Ling über sein Plaudern mit Nie Huaisang fest. Doch diesmal konnten sie sich auch ohne Vorbehalte unterhalten und es brachte ein paar interessante Dinge mit sich. Nichts von Gewicht. Darauf war er auch nicht aus. Sondern Dinge wie, das Leben in der Unheiligen Ebene. Oder etwas Klatsch über die vier himmlischen Clans. Schwärmereien über das neue Gewandt, das sich Nie Huaisang hatte anfertigen lassen und wo es die besten Weine gäbe.

Yi Ling stöhnte etwas sehnsüchtig auf, konnte er nicht abstreiten, dass es hier schon etwas langweilig werden konnte.

„Wie es Lan Zhan's lǎo mā (1) hier allein ausgehalten hat, ist mir ein Rätsel.", ließ er diesen Gedanken über einen weiteren Schluck Wein laut werden, das es Nie Huaisang interessiert seine Augenbrauen heben ließ.

„Du meinst Lan èr diànxià's Frau Mutter? Sie hat hier gelebt?", fragte dieser und schaute sich nun deutlich eingehender um.

„Lan Zhan sagte, sie lebte allein. Aber ich weiß, dass er sie ab und zu besucht haben muss." Nie Huaisang raunte geheimnisvoll.

„Ich hörte darüber. Soweit es stimmt, soll Qīnghéng-jūn auf seiner Wanderschaft durch die Welt der Menschen, Madam Lan getroffen und sich sofort in sie verliebt haben. Sie gehörte einst einem himmlischen Clan an, doch wegen ihrer schwachen Kultivierung, hatte sie sich für ein Leben unter den Menschen entschieden. Eigentlich nicht so dramatisch, wäre Qīnghéng-jūn nicht der folgende Anführer des Lan Clans gewesen. Es war bereits beschlossene Sache, das er nach seiner Wanderschaft die Enkeltochter eines hohen Ältesten heiraten sollte." Nie Huaisang lehnte sich näher zu ihm und seine Stimme wurde etwas unauffälliger, wie er auch sein Gesicht etwas mehr hinter seinem Fächer verbarg.

„Es heißt, das Qīnghéng-jūn beides vor Madam Lan geheim gehalten habe und ihr versprach sie zu seiner Frau machen zu wollen. Nach seiner Rückkehr in den Clan, soll er sich immer wieder heimlich davongestohlen haben, um sie zu besuchen. Doch dann kam man ihm auf die Schliche. Zu jener Zeit war Madam Lan bereits zum ersten Mal schwanger." Yi Ling raunte, nichts Gutes ahnend und Nie Huaisang nickte bestätigend.

„Das damalige Oberhaupt, wie auch die Ältesten, waren wenig angetan von diesem Umstand. Sie zwangen Madam Lan in den Clan, da sie bereits einen potenziellen Nachfolger in sich trug und auch um zu verhindern, dass dieser Skandal sich herum sprechen würde. Sie selbst hatte keine wirkliche Wahl. Niemand legt sich mit einem der großen Clans an, ohne es in irgendeiner Weise zu bereuen. Ich weiß nicht, ob man es als Glück bezeichnen kann, das die Lans Ehre genug besitzen, dass sie sie nicht einfach haben verschwinden lassen, um das Ganze als nie vorgefallen abzuschreiben. Sie wurde in diese Ehe gedrängt, nur um am Ende nie wirklich anerkannt zu werden.

Sie soll zudem recht kränklich gewesen sein, doch wer weiß schon, ob dies auch der Wahrheit entsprach oder nur eine gebräuchliche Ausrede darstellte.

Sie am Rande des Clans leben zu lassen, ohne eine Chance auf ihre Freiheit, würde ich nicht als großzügig bezeichnen. Sie soll ein paar Jahre nach der Geburt ihres zweiten Sohnes verstorben sein. Man nannte es einen unglücklichen Verlust, aber womöglich hat sie diesen Weg selbst gewählt.

Qīnghéng-jūn soll ihr kurz darauf durch ein gebrochenes Herz gefolgt sein.

Man spricht über beide wohl nur selten innerhalb des Lan Clans." Damit griff Nie Huaisang nach seiner Weinschale und leerte sie in einem großen Zug, als habe er persönlichen Frust mit dieser Geschichte. Und vielleicht hatte er das auch, erzählte dieser ja schon, dass sein Bruder ihm auch lieber seinen Freigeist durch Kampfgeist ersetzen wolle. Sein falscher Name sollte wohl ein stiller Protest dazu sein. (2)

Yi Ling's Gedanken drifteten zu Lan Zhan. Es musste für ihn als Kind, wahrlich nicht leicht gewesen sein, mit solch einem Elternschicksal zurechtzukommen.

Es ließ in ihm das Bedürfnis keimen, ihn irgendwie darüber trösten zu wollen, auch wenn dieser schon lange seinen Frieden damit gemacht haben mochte. Nur manches Mal erschien er zu verloren, besonders wenn es um Emotionen ging, etwas das ihm vielleicht nie richtig erlaubt war zu lernen.

Umso mehr wollte er ihn einfach in eine feste Umarmung ziehen. Ihm zeigen, dass es durchaus in Ordnung war, auch einmal etwas lockerer zu lassen oder sich an jemanden anzulehnen.

„Ah, Lan Zhan...kein Wunder das du so frostig geworden bist.", seufzte er etwas ergeben und griff gleich zum Weinkrug.

„Endschuldigt meine Frage Yi xiān shī, aber wie genau habt ihr euch mit Lan èr diànxià anfreunden können. Es ist weit bekannt, das die zweite Jade ein eher unnahbarer und wortkarger Charakter ist, selbst unter seines Gleichen.

Eure Verbindung erscheint daher recht kurios, wenn ich das so sagen darf."

Yi Ling grinste über die offensichtliche und nicht wirklich verwunderliche Neugier des anderen.

„Nun, das ist etwas das ich zur Aufrechterhaltung des tadellosen Rufes der zweiten Jade, lieber nicht preisgebe."

Lan Zhan war es bestimmt auch am liebsten, wenn diese kleine Anekdote nie die Ohren einer anderen Person erreichten.

„Oh, nun habt ihr mich erst recht neugierig gemacht.", schmollte Nie Huaisang, kam aber irgendwann darüber hinweg, dass er nichts verraten würde und erzählte stattdessen, dass es bald ein Menschen-Festival geben solle, das ganz in der Nähe wäre. Quasi am Fuße der Wolkenschluchtberge.



***



(1)lǎo mā ist eine Anrede, die man als Mutti/Mama übersetzen kann, ich hab es in chin. gelassen, da es auch hier wieder so eine Sache mit der Anredeform ist, die je nach Status und Co. unterschiedliches Gewicht hat. Lan Zhan selbst würde seine Mutter wohl nie mit dieser Form ansprechen, da er sich an die Clan Etikette und den hohen Respekt gegenüber seiner Mutter halten würde. Yi Ling sieht es lockerer, ist aber dennoch nicht unhöflich mit seiner Form der Anrede.

(2)Zur Aufklärung was Nie Huaisang's falschen Namen angeht;

Xiāo Míngqín

Xiāo 萧 - miserable, desolate, dreary,

Míngqín 鳴禽- songbird

In another life the sea is in the sky - Searching for the smile of the moonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt