Kapitel 33.

2.3K 173 7
                                    

Ich sah zu, wie Eric ohne ein weiteres Wort im Schlafzimmer verschwand und ich hatte das Gefühl, mein Herz würde entzweit werden. Frustriert schlug ich die Hände über meinen Kopf zusammen und ließ mich wieder auf den Schreibtischstuhl sinken. Ich sollte Eric jetzt Zeit geben, das zu verarbeiten, verdammt, ich musste doch selbst erst einmal verstehen, was ich getan hatte.

Ich hatte Emilys Kindheit kaputt gemacht, ich hatte Eric eine schlimme Zeit beschert, und das nur, weil mich Beckys Geschichte nicht interessiert hatte. Ich hätte einfach nicht so gleichgültig sein müssen, dann wäre das alles nicht passiert.

Aber dann hätte ich auch Eric nicht kennengelernt.

Die Erkenntnis ließ mich wieder kurz aufatmen. Die Frage ist, ob Eric mit Becky glücklich gewesen, oder ob es noch viel schlimmer geworden wäre. Aber wir würden es nicht herausfinden, weil ich jetzt an Erics Seite war.

Ich schniefte leise und versuchte die schlechten Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben, was mir überhaupt nicht gelang. Meine Nerven waren gerade aufs Äußerste gespannt, ich war überhaupt nicht müde, kein bisschen. Also stand ich nach einer Weile auf und machte mir einen Kaffee, um den Rest der Nacht meinen Gedanken nachzuhängen.

Ich wollte unbedingt zu Eric ins Bett gehen, ich wollte ihn in meinen Armen halten und ihm sagen, dass es mir wahnsinnig leid tat, das alles. Aber ich hatte Angst, dass wir uns streiten würden. Eric hatte mir gesagt, dass er Sachen oft erst verdauen musste, bis er über sie sprechen könnte, und wir hatten uns darauf geeinigt, dass er von sich aus zu mir kommen würde, wenn er soweit war. Ich hatte es ihm versprochen.

Am Morgen hörte ich, wie Eric aufstand und in die Küche ging, um Frühstück zu machen. Ich biss mir verzweifelt auf die Lippe und starrte auf die Tür. Sollte ich einfach zu ihm gehen? Ich dachte zu lange darüber nach, denn plötzlich schob er die Tür auf und kam mit einem Kaffee und ein paar Toasts zu mir ins Arbeitszimmer, stellte alles auf den Schreibtisch ab und küsste sanft meine Wange.

"Guten Morgen", sagte er leise und strich meine Haare zurück. "Ich bringe Emily zur Schule, leg dich noch ein bisschen hin, wir sehen uns im Büro, okay?"

Ich sah ihn unsicher an, aber ich konnte keinen Ärger in seinem Blick erkennen. Nein, er sah mich liebevoll an, als wäre nichts passiert. Verdammt, spielte er mir gerade nur etwas vor? Dann wandte sich Eric wieder um und verließ das Arbeitszimmer. Ich starrte wieder die Tür an, aus der er verschwunden war, überlegte krampfhaft, was ich ihm sagen könnte, um auch mir selbst Sicherheit zu geben.

"Eric, warte!", rief ich dann endlich, aber genau in dem Moment fiel die Tür ins Schloss und es war totenstill im Haus. "Fuck!"

Ich sprang schnell unter die Dusche und warf mich in frische Klamotten, dann verließ ich ebenfalls das Haus. Dank Eric hatte ich mich wieder an ein Auto gewagt und fuhr manchmal kleine Strecken, aber trotzdem fuhren wir fast jeden Tag zusammen zur Arbeit, weshalb ich sonst immer entspannt aus dem Fenster sehen konnte.

Missmutig setzte ich mich in mein eigenes Auto und atmete tief durch. Dann fuhr ich vorsichtig und wirklich ruhig zur Arbeit, denn ich wollte unter keinen Umständen jetzt noch einen Unfall haben. Die Sache mit Eric und Becky flog mir die ganze Zeit durch den Kopf und ich musste sie ganz dringend klären. Vor allem musste ich wissen, warum so ruhig war.

"Guten Morgen Jason", begrüßte mich Margaret freundlich, aber ich nickte nur knapp und stützte mich auf ihren Schreibtisch ab.

"Ist Eric schon hier?", fragte ich sie aufgeregt, aber sie schüttelte lächelnd den Kopf.

"Nein, Herr Smith hat aber auch gleich ein Meeting. Soll ich ihn zu dir schicken, wenn er fertig ist?"

"Schon gut, Margaret, ich spreche dann mit ihm", sagte ich enttäuscht und sah mich suchend im Büro um. Ich konnte nicht einmal Davis ausmachen, denn wenn ich mit ihm reden könnte, würde ich mich sicher besser fühlen.

"Was machst du heute eigentlich hier?", fragte meine Sekretärin dann verwundert und blätterte durch ihren Kalender. "Deine Termine von heute wurden doch verschoben."

"Ich weiß, ich wollte einfach-", begann ich, aber schüttelte dann seufzend den Kopf. "Schon gut, ich geh in mein Büro."

Mit hängenden Schultern trottete ich in meinen Raum und ließ mich kraftlos auf meinen Stuhl sinken. Ich musste mir die ganze Zeit vorstellen, wie Becky und Eric zusammen ausgesehen, wie sie sich geküsst hatten, und wie glücklich Eric gewesen sein musste, als Becky schwanger war. Er liebte Emily über alles, das war ihr größtes Geschenk an ihn.

Und ich musste an die Zeit denken, die ich mit Becky verbracht hatte. Für mich war es nichts ernstes, ich mochte sie genug, um sie längere Zeit bei mir zu behalten, ich mochte ihren Körper und ich mochte, dass sie deutlich zeigte, was sie wollte. Mich machte wahnsinnig, dass Becky ihre Familie für mich sitzen ließ.

"Jason, Eric ist da", riss mich Margaret dann aus den Gedanken, und mein Kopf schoss in die Höhe. Auch wenn ich ihr gesagt hatte, dass sie es mir nicht mitteilen musste, war ich doch froh darüber. Eilig stürmte ich aus meinem Büro, um Eric abzufangen, der gerade leise lachend mit Winnie und Carter im kleinen Konferenzraum verschwand. Ich durchquerte zügig das Büro, wurde dann aber plötzlich von Davis abgefangen, der seinen Arm vor mir ausstreckte und mich somit zum stehen brachte.

"Jason", sagte er ruhig und musterte mich von oben bis unten. "Nicht geschlafen? Wieso bist du hier?"

"Ich wollte zu Eric ins Meeting", versuchte ich ihm auszuweichen, aber Davis schüttelte bestimmt den Kopf.

"Lass ihn das in Ruhe machen, wir gehen erst einmal in mein Büro und reden über gestern Abend." Widerwillig brummte ich und folgte Davis dann, damit wir uns ungestört unterhalten konnten.

"Esther und ich wussten, dass Becky mit Eric zusammen war", sagte mein bester Freund dann plötzlich und mir klappte die Kinnlade herunter. "Aber wir dachten nicht, dass Becky zur Party kommt, weil sie eigentlich bis Mittwoch im Urlaub sein sollte."

"Wieso habt ihr mir das nicht gesagt?!", fauchte ich wütend und stand vom Stuhl auf, auf den ich mich vor wenigen Augenblicken erst niedergelassen hatte.

"Wir wussten nicht, was das zwischen euch auslösen würde, und normalerweise ist der Kontakt zwischen uns und Becky auch sehr beschränkt."

"Trotzdem hättest du mir das sagen sollen, Davis! Verdammt, dann wären wir vielleicht gar nicht auf sie gestoßen, weißt du, wie sehr Emily gestern noch darunter gelitten hat? Ich wette, sie nagt immer noch daran!" Ich lief unruhig im Raum auf und ab. Davis saß jedoch völlig gelassen auf seinem Stuhl. Manchmal hasste ich ihn dafür, dass er in jeder Situation seine Nerven unter Kontrolle behielt.

"Das tut uns leid", entschuldigte sich Davis aufrichtig. Ich seufzte und wischte mir über das Gesicht.

"Was hat Eric dazu gesagt?", fragte er dann neugierig, aber ich schüttelte leicht den Kopf.

"Er hat gar nichts gesagt. Ist einfach ins Bett gegangen, und heute morgen war anscheinend wieder alles gut."

"Das ist doch schön", sagte Davis und lächelte aufmunternd.

"Das ist nicht schön, ich meine, wie würdest du auf so etwas reagieren? Irgendwas stimmt doch da nicht", sagte ich weinerlich und ließ mich wieder auf den Stuhl fallen. Davis wollte etwas entgegnen, aber es klopfte an der Tür und Eric streckte seinen Kopf ins Büro.

"Entschuldige Davis, aber Carter wollte noch etwas mit dir besprechen, könntest du zu uns kommen, wenn ihr fertig seid?" Erics Blick war fest auf Davis gerichtet, es war, als würde er mich ignorieren. Mir entfloh ein leises Wimmern, woraufhin mein Freund seinen Blick zu mir wandte und dann sanft lächelte.

"Hey Spatz", sagte er liebevoll, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Davis.

"Ja, natürlich, ich bin sofort da", versicherte Davis und erwiderte Erics Lächeln. Warum war Davis eigentlich immer so freundlich zu Eric, aber mir trat er ständig in den Arsch? Ich setzte mich auf und räusperte mich, damit mich Eric wieder ansah, aber er drehte sich einfach um und verließ den Raum, ohne mir nur noch ein Fünkchen Aufmerksamkeit zu schenken. Ich sah meinen besten Freund vorwurfsvoll an.

"Das meinte ich damit!"

"Jason, ich glaube, du bildest dir schon wieder zu viel darauf ein. Auf mich wirkte er ganz normal", versuchte mir Davis weis zu machen, aber ich verschränkte die Arme.

"Wenn ihr mit dem Meeting fertig seid, dann rede ich mit ihm." 

Kissable Daddy (ManxMan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt