Mondscheinzauber

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Es war tiefste Nacht, als eine Gestalt sich scheinbar mitten aus dem Nichts im Wald materialisierte. Es war Cara, die aus dem Versteck herausgekommen war, um die neuste Phase ihres Plans einzuleiten. Anmutig schritt sie auf eine kleine Lichtung zu, wo das Mondlicht durch die Bäume fiel. Wann immer sie von einzelnen Mondstrahlen gestreift wurde, brachen schwarze Blumen aus dem Boden hervor, die sofort ihre Blüten öffneten und einen betörend süßen Duft verströmten, der einem schwindelig werden ließ. Kurz vor der Lichtung blieb sie stehen und nahm ihre Kapuze ab, bevor sie mitten in das Mondlicht trat. Sofort begann der Boden aufzubrechen und überall begannen die Blumen aus dem Boden zu schießen. Rasend schnell breitete der Teppich sich aus und fing an sich an Cara hochzuranken. Sie hob die Arme und ließ zu, dass ihr kompletter Körper von Blumen bedeckt wurde, bis nur noch ihr Gesicht zu sehen war. Die bleiche, vom Mondlicht angestrahlte Haut bildete einen starken Kontrast zu den schwarzen Blüten, deren Stängel sich nun immer enger um ihren Körper zusammenzogen. Und plötzlich durchbrach ein grauenerregender Schrei die Stille. Es war ein Schrei, wie man ihn sein Leben lang nicht vergaß. Ein Schrei, der jedes Lebewesen, im Umkreis von zehn Kilometern aufweckte und die Flucht ergreifen ließ. Wie der eines Kindes, das gerade dabei zugesehen hatte, wie seine komplette Familie umgebracht worden war. Wie eine Mutter, die ihr Kind verloren hatte. Als hätte man den kompletten Schmerz der Welt in diesen einen Schrei gelegt. Es war Cara, die diesen Schrei ausgestoßen hatte. Wie eine Puppe, die an Fäden hing, war sie in sich zusammengesackt nur aufrechtgehalten von den Ranken der Blüten, die an ihr hochgewachsen war. Ihr Gesicht war zu einer schmerzerfüllten Maske verzogen und eine vereinzelte Träne hatte sich aus ihrem Augenwinkel gelöst und rollte ihre Wange hinab. Es war der einzige Moment in ihrem Plan, der vorsah, dass sie sich für einen Moment ihrer Schwäche hingeben durfte. Der einzige Moment, wo sie sich eingestehen konnte, dass sie auch nur ein Mensch war. Und in dem Moment in dem der Schmerz unerträglich zu werden schien und der Albtraum, in dem sie gezwungen war zu verharren sie komplett gefangen nahm, da hörte es plötzlich auf. Die Blumen zerplatzten zu einer öligen Substanz, die an Cara entlang zum Boden floss. Aus der Tasche eines Mantels holte Cara eine längliche Glasphiole, die im Mondlicht einmal aufblitzte und sammelte einen Teil der Flüssigkeit auf. Sie verkorkte die Phiole wieder und ließ sie im Inneren ihres Mantels verschwinden, bevor sie ihre Hand hob und etwas, der noch immer an ihrer Hand klebenden Masse auf ihre Lippen verteilte und dann eine Rune auf ihrer Stirn zeichnete. Dann zog sie wieder ihre Kapuze auf und wandte sich ab. Anders als zuvor, waren ihre Schritte weder leichtfüßig noch elegant, aber sie ging. Sie ging, weil sie es immer musste, egal welchem Elend sie sich gerade auch gestellt hatte. Denn, wenn man alle Kämpfe allein austrug, hatte man auch niemanden der einen tragen konnte, wenn der Weg zu steinig wurde. Doch sie würde immer wieder aufstehen, den aus ihren größten Ängsten und ihren schmerzhaftesten Erinnerungen erwuchs ihre Stärke. Und deshalb wurden ihre Schritte mit jedem Meter, den sie sich von der Lichtung entfernte fester. Denn ihr Moment der Schwäche war vorbei und er war nur für sie alleine bestimmt. Vor ihren Untergebenen, war das nichts was sie sich erlauben konnte.

Unser Insider hat sich gemeldet, dass der Köder ausgelegt wurde. Wir müssen nur noch den Startschuss geben, damit die Falle zuschnappen kann“. Mit einem Weinglas in der Hand lehnte Cara an der Wand und hörte Marc zu, der sie auf den neusten Stand der Dinge brachte. Wenn Marc genauer hingesehen hätte, hätte er vielleicht gesehen, dass Caras Kniee leicht zitterten von der Anstrengung, die sie das Ritual gekostet hatte. Oder er hätte die schwarzen kleinen Spritzer gesehen, die auch nach einem Bad noch hartnäckig an ihrer Haut hafteten. Doch der Mann mit den feinen Rissen im Gesicht, war zu sehr damit beschäftigt bloß selber keinerlei Schwächen oder Fehler zu offenbaren. Und Cara erlaubte sich nicht, sich hinzusetzen, sondern kostete die Anstrengung die sie aufbringen musste um keine Miene zu verziehen voll aus, um sich daran zu erinnern wer sie war. „Gut, dann sorge dafür, dass die Sache anläuft! Das Zeitfenster in dem wir handeln können ist begrenzt“. Mit einer knappen Handbewegung entließ sie Marc, der daraufhin eilfertig in einem der Gänge verschwand. Cara sah ihm nach und fragte sich, ob ihre Rache an der Welt der Dunkelheit in ihr endlich genug Nährstoff bieten würde, um sie selbst nicht mehr immer weiter zu zerbrechen...

In einer anderen Zeit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt