Von Hologrammbotschaften, Rätseln und grünen Augen...

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Im ersten Moment spürte ich nur die Wut auf Elijah, der es mal wieder geschafft hatte, dass meine Meinung von ihm in wenigen Sekunden eine 180-Gradwendung hingelegt hatte. Aber dann spürte ich etwas Feineres, versteckt unter dem Panzer aus Wut. Einen haarfeinen Riss, den er mir mit diesen Worten zugefügt hatte. Unter dem beständigen Brodeln war da ein schmerzhafter Stich zu spüren. Nur, weil ich öfter mal unterkühlt rüberkam und viele Leute mit einer Art mich zu verhalten von mir wegstieß, hieß das noch lange nicht, dass ich keine Gefühle hatte. Wenn Elijah weiterhin dieses Bild von mir behalten würde, dann würde er mich wahrscheinlich immer wieder verletzen. Mit einem Mal sehnte ich mich so stark nach jemandem, der mich einfach in den Arm nahm, dass ein heftiges Ziehen in meiner Brust spürbar wurde. Ich presste meine Lippen aufeinander, um die Welle der Einsamkeit, die mich mit einem Mal erfasste und dann über mich hinwegrollte, daran zu hindern aus mir herauszubrechen. Bilder von Claire und Reena huschten mir durch den Kopf du mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich ja jederzeit mit ihnen sprechen konnte. Ich konzentrierte mich und suchte in meinem Körper nach der vertrauten Verbindung, nach dem Gefühl, welches immer entstand, wenn ich mit meinen Freundinnen sprach. Zwei Bilder entstanden in meinem Kopf. Auf dem linken Bild war Claire zu erkennen, welche wohl gerade an einem Aquarellbild zu arbeiten schien, während auf dem rechten Bild Reena zu sehen war, die ein riesiges Schaubild vor sich liegen hatte. Pfeile waren darauf kreuz und quer gezogen, unleserliche Notizen standen an den Seiten und hin und wieder markierten bunte Farben, wichtige Stellen. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, weil das einfach so typisch Reena war. Ihre Gedanken sprangen so schnell von einem Punkt zum nächsten, dass ich mich manchmal wunderte wie sie selbst ihren eigenen Gedankengängen folgen konnte und ihre Schaubilder verstehen konnte auch nur sie selbst. Am schlimmsten war es, wenn sie ein Thema wirklich begeisterte. Dann sprangen ihre Gedanken so schnell, dass ihr Mund kaum hinterherkam und sie dann beim sprechen immer die nächsten vier Sätze übersprang, weil ihr Kopf schon viel weiter war. Dann mussten wir sie immer daran erinnern, dass wir nicht in ihren Kopf gucken konnten und sie bitte etwas langsamer sprechen sollte. //Hey//, begrüßte ich die beiden. Reena brauchte keine zwei Sekunden um meinen Tonfall zu analysieren und mein Gesicht zu deuten um dann auch schon ohne Begrüßung zu fragen: //Was ist los?//. Claire sah ein wenig verdutzt aus. //Wie zur Hölle hast du aus einem Wort herausgehört, dass etwas vorgefallen ist?//. Sie klang entgeistert. Für Claire war sowas immer besonders schwer nachzuvollziehen. Sie hatte ein kleines Empathieproblem, was sie auch schon das ein oder andere Mal in Schwierigkeiten gebracht hatte. Wir wussten, dass sie das nicht böse meinte, aber für sie war das auch im Alltag manchmal schwierig und wir wussten dass es sie öfter auch belastete, auch wenn sie nicht sehr viel darüber redete. Dafür konnte sie viele Situationen oft viel besser mit dem nötigen Abstand betrachten, was sich in einigen Situationen durchaus als nützlich erwiesen hatte. Deswegen lächelte Reena jetzt auch einfach nur und schüttelte den Kopf. //Egal///. Mit einer ungeduldigen Kopfbewegung forderte sie mich zum erzählen auf. Mit einem lautlosen Seufzen, machte ich mich daran die vorangegangene Nacht und den bisherigen Tag zusammenzufassen. //...und dann hat er gesagt, dass er nicht geglaubt hätte, dass ich Gefühle habe. Super, nicht? Mein Partner auf dieser Reise hält mich für ein kaltherziges Miststück!//. Reena schnappte empört nach Luft. //Was ein Arschloch! Da hilft ihm auch sein hübsches Köpfchen nichts. Was hohl ist bleibt hohl, wenn die Verpackung auch noch so schön anzusehen ist!//. Für einen Moment vergaß ich, das Elijah immer noch vor mir herging und prustete los, doch schnell schlug ich mir die Hand vor den Mund. //Du Idiotin! Jetzt hält er mich wahrscheinlich nicht mehr für gefühllos, aber dafür für nicht ganz zurechnungsfähig... //, sagte ich während ich versuchte, meine Mundwinkel unter Kontrolle zu halten. //Pff, soll er doch denken, was er will. Seit wann interessieren wir uns eigentlich für Meinungen von Idioten? Wir alle wissen, was für eine tolle Person du bist und wenn er ein Problem mit dir hat kann er es für sich behalten, ist ja schließlich seins//, beschloss Reena. //Vielleicht war er von deinem Lachen ja auch so geflasht, dass er hinterher Probleme mit der Bildung von Sätzen hatte und hat deswegen diesen Schwachsinn von sich gegeben//, warf Claire grinsend ein. //Ja, klar und der Papst ist evangelisch//, erwiderte ich, konnte aber nicht verhindern, das mich bei ihren Worten ein aufgeregtes Kribbeln durchfuhr. Von meinem Lachen geflasht, so ein Unsinn... //Okay/. Reena klatschte einmal in ihre Hände //Dann gehen wir jetzt mal zu anderen Dingen über. Dein Vater, Leya...//. Sie sah mich ernst an und schlagartig verflog die alberne Stimmung. // Meinst du es ist möglich, dass, er tatsächlich derjenige ist, der damals in diese Zeit gerufen worden ist? Denn es ist schon auffällig, wie sehr die Gutenachtgeschichte, die dein Vater dir erzählt hat auf Sisty zutrifft. Außerdem kannten wir deinen Vater zufällig auch sehr gut. Er hat deine Mutter auf Händen getragen und dich selbst hat er ebenfalls unglaublich geliebt. Selbst wenn er sich neu verliebt hätte, hätte er dich niemals einfach aus seinem Leben ausgeschlossen. Ich weiß, dass wir das alles schon vor einem Jahr durchgekaut haben, aber jetzt hat sich die Lage noch einmal geändert. Dinge die wir nur aus Fantasyromanen kennen sind passiert, unmögliche Dinge wahr geworden, wieso also sollte das nicht möglich sein? Mal abgesehen davon, muss es ja einen Grund haben, warum gerade du ausgewählt worden bist und nicht irgendwer anders//. Stumm hatte ich den Ausführungen von Reena gelauscht, die dafür sorgten, dass sich mein Herz zusammenzog. Einerseits schmerzhaft und sehnsuchtsvoll, andererseits mischte sich auch etwas Hoffnung darunter und sorgte dafür, dass es einen kleinen Hüpfer machte. Doch sofort verbot ich mir den Gedanken daran wieder. Hoffnung war eines der gefährlichsten und trügerischsten Gefühle, welches man empfinden konnte. Es sorgte dafür, dass man in ungeahnte Höhen flog nur um dann wie ein Stein auf den Boden zu knallen und dort in tausend Teile zu zerspringen. Auch Claire schien dieser Meinung zu sein, denn sie sagte //Verrenn dich da mal lieber in nichts, nur weil das hier nah an einem Fantasyroman dran ist, muss das nicht heißen, dass hier alle Klischees abgedeckt werden. Ich meine, wie wahrscheinlich ist das bitteschön, dass es gerade ihr Vater war, der damals hierher geschickt wurde und außerdem meinst du nicht, dass Elias was gesagt hätte, wenn es Leyas Vater gewesen wäre? Mal abgesehen davon, wie sollte das mit dem Verschwinden deines Vaters zusammenhängen?//. Claires sachliche Worte klangen alle logisch und waren gut nachzuvollziehen, doch das verlassene Kind in mir, wollte sich die Ohren zuhalten und mein Herz - das verräterische Teil - machte einen unangenehmen Stolperer. In dem Moment, wedelte eine Hand vor meiner Nase herum. Dieses Mal blieb meine Verbindung bestehen, aber erschrecken tat ich mich trotzdem, als ich sah, dass Elijah direkt vor mir stand und trat hastig ein paar Schritte zurück. „Ich stör dich ja nur wirklich ungerne bei deinen Selbstgesprächen, aber wir sollten vielleicht mal eine Pause machen. Ich weiß ja nicht wie es bei dir ist, aber ich habe Hunger". Er hob eine Augenbraue. //Ein Selbstgespräch ist bestimmt sinnvoller, als eine Unterhaltung mit dir//, giftete Reena in meinem Kopf zurück und ich musste mir wieder ein Grinsen verkneifen. //Ich glaube ich unterbreche die Verbindung an dieser Stelle mal//, meinte ich und verabschiedete mich von ihnen und kappte dann die Verbindung. „Selbstgespräche zu führen ist wesentlich sinnvoller, als ein Gespräch mit dir zu führen", gab ich schnippisch Reenas Antwort wieder. „Aber eine Essenspause scheint mir tatsächlich keine so schlechte Idee zu sein", gab ich dann zu und ließ meinen Blick erstmals durch meine Umgebung schweifen. Elijah hatte einen guten Platz ausgesucht um eine Pause zu machen. Der Waldweg mündete hier auf einer kreisförmigen Lichtung, auf der en umgekippter Baumstamm lag, auf den man sich gut hinsetzen konnte. Ich lief darauf zu und ließ meinen Rucksack danebenfallen. Als ich mich hinsetzte, hätte ich beinahe aufgestöhnt, konnte mich wegen Elijah aber gerade noch so zurückhalten. Es war eine Wohltat, meine Beine endlich ausstrecken zu können. Ich hatte zwar eine ganz gute Kondition und Ausdauer, wegen dem Kampfsport, den ich regelmäßig betrieb, aber trotzdem waren wir heute sehr viel gelaufen und meine Beine taten weh. Ich zog meinen Rucksack zwischen meine Beine und kramte darin herum. Ich förderte eine Flasche mit einem grellpinken, sprudelnden Getränk und etwas, das einem Sandwich ziemlich nahekam zutage. Auf dem Zettel bei dem Getränk stand in dieser eckigen Schrift »Zur Stärkung der müden Beine« und auf der Folie mit dem Sandwich stand vermerkt »Macht satt, ohne schwer im Magen zu liegen.« Das klang doch beides vielversprechend. Elijah hatte sich mittlerweile neben mich fallen und ebenfalls sein Essen herausgeholt. Misstrauisch sah er das pinke Getränk an und erinnerte sich zweifellos gerade lebhaft an unser Frühstück. Als er sah, dass ich ihn beobachtete sagte er: „Also ich bin dafür, dass du dieses Mal das Versuchskaninchen spielst. Dass ist nur gerecht, schließlich habe ich mich heute Morgen schon blamiert". Ich zog einen Flunsch und schlug dann vor: „Wie wäre es mit halbe-halbe? Du das Sandwich und ich das Getränk?". Abschätzend musterte Elijah mich und sagte dann: „Deal!". Ich öffnete meine Flasche und nippte vorsichtig daran. Es schmeckte, als hätte mir jemand fruchtiges Brausepulver auf die Zunge gekippt und ich war froh, dass ich erstmal einen kleinen Schluck genommen hatte. Doch selbst bei diesem kleinen Schluck konnte ich schon die Wirkung spüren. Ein Kribbeln schoss durch meinen Körper, direkt hinunter in meine Beine. Überrascht schnappte ich nach Luft und mein Mund formte ein oh. Elijah, der mich scharf beobachtet hatte fragte: „Was ist das jetzt schon wieder für ein Teufelszeug, dass sie uns da mitgegeben haben?". Ich brauchte einen Moment, um zu antworten: „Es ist eigentlich ganz lecker, aber du solltest es in kleinen Schlucken trinken. Jetzt bist dran". Auffordernd nickte ich in Richtung des Sandwiches. Elijah wickelte es aus und biss dann mit einem Gesichtsausdruck hinein, als würde er erwarten, dass eine Atombombe in seinem Mund explodierte. Doch dann zog er überrascht die Augenbrauen zusammen. „Das schmeckt ja fast normal, meinte er erstaunt". Ich wickelte meins ebenfalls aus und stellte fest, dass er Recht hatte. Das enttäuschte mich fast ein bisschen. In dem Moment krähte Sisty - die ich zwischenzeitlich fast vergessen hätte - „Das Faltbrot entfaltet seine Wirkung erst später". Alarmiert betrachtete ich das Brot, konnte aber nichts Ungewöhnliches daran feststellen. Seufzend zuckte ich mit den Schultern und aß dann einfach weiter, denn ich hatte Hunger und Elias und Tamara hätten uns das sicherlich nicht mitgegeben, wenn es für uns in irgendeiner Weise schädlich gewesen wäre. Unsere weitere Mittagspause hätten wir wahrscheinlich in einträchtiger Stille verbracht, wenn da nicht Sisty gewesen wäre, die uns in einer Tour zuplapperte. Durch sie erfuhren wir einige interessante Dinge über diese Zeit. Zum Beispiel, dass es hier keinerlei Regierungsformen gab. Die Menschen pflegten auch so einen friedlichen Umgang miteinander und alles klappte wie von selbst. Dadurch, dass es keine Regierung gab, waren auch die Machtverhältnisse gleich verteilt, weswegen niemand versuchte einen Vorteil zu bekommen und andere auszubeuten. Geld war auch nicht nötig in einer Welt mit diesem friedlichen Miteinander. Jeder machte einfach das worin er gut war und alle anderen konnten daran teilhaben. Dadurch, dass jeder mit einer besonderen Gabe geboren wurde, hatte „In-etwas-gut-sein" hier eine vollkommen andere Definition. Und wenn man im Moment keine Lust hatte zu arbeiten, war das in der Gesellschaft auch mal in Ordnung. Gewalt war hier so gut wie nicht existent und niemand war hier nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Zusätzlich zu den magischen Fähigkeiten, die jeder hier besaß, bewohnten außerdem auch viele Magische diese Zeit. Einige davon, tauchten auch manchmal unter anderen Namen in unseren Geschichten auf, da es manchmal passierte, dass eines der magischen Wesen durch ein offenes Portal stolperte und man es manchmal nicht schaffte das Gedächtnis aller Beteiligter zu löschen, ohne noch größeres Aufsehen zu erregen. Und das war etwas, was sie natürlich auf jeden Fall zu vermeiden versuchte. Denn allein der Gedanke, was passieren würde, wenn die Menschen herausfinden würden, dass es andere Zeiten gab und sie einen Weg fanden, in diese einzudringen und womöglich versuchen würden sie auszubeuten war erschreckend. Die friedlichen Menschen hätten trotz ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten nicht viel entgegenzusetzen, da sie Gewalt verabscheuten. Ich hatte so gebannt zugehört, dass ich fast nicht mitbekommen hätte, wie ein Summen die Lichtung erfüllte. Ich merkte, dass es aus meiner Tasche kam und kramte mein Teiki heraus, dessen Knöpfe gelb, lila und orange leuchteten - ganz ehrlich, wer suchte bloß diese schrecklichen Farbkombis aus? Ein Blick aufs Display zeigte mir, dass es Elias war, der uns versuchte zu kontaktieren. Ich nahm an und sagte „Hallo?". „Hey", sagte Elias und klang dabei so unglaublich ernst, dass mir klar war, dass etwas Wichtiges passiert sein musste. „Was ist los?", fragte ich und sah auf, wobei meine Augen auf die von Elijah trafen, die sich ebenfalls sorgenvoll verengt hatten. „Uns hat soeben eine Hologrammbotschaft von Cara und Marc erreicht". Ich sog scharf die Luft ein. Elias redete weiter: „Die Botschaft ist höchst alarmierend. Am besten spiele ich sie euch einmal rüber". Ein paar Sekunden später materialisierte sich plötzlich ein Bild direkt vor meiner Nase und erschrocken wich ich ein Stück zurück. Die Person die sich da vor meiner Nase erhob, sah so täuschend echt aus, dass ich für eine Moment versucht war, meine Hand danach auszustrecken, um zu überprüfen, ob die Person wirklich nicht real war. Im letzten Moment hatte ich mich davon abhalten können, weil das bestimmt ziemlich unreif rübergekommen wäre. Zum ersten Mal nahm ich mir Zeit, die Person die da erschienen war, genauer zu betrachten. Es war eine schlanke Frau, mit glatten, dunklen, langen Haaren. Ihre Augen waren eisig blau und das Gefühl eines Dèja-vues beschlich mich. Ich war mir mit einem Mal sicher, diese Augen irgendwo schon einmal gesehen zu haben, aber ich fragte mich wo das gewesen sein sollte. Auch die eisige Ausstrahlung, die einem sofort entgegenschlug, wenn man diee Frau betrachtete, erinnerte mich an irgendetwas, aber mir wollte einfach nicht einfallen was es war. Es fühlte sich so an, als würde irgendwas meine Erinnerungen blockieren und bewusst dagegen steuern - was natürlich kompletter Unfug war...oder? Je mehr ich versuchte das vage Gefühl zu verfolgen, desto weniger schien mir das zu gelingen und ich bekam Kopfschmerzen davon. Mit einem Mal begann die Frau, von der ich vermutete, dass sie Cara sein musste zu sprechen: „Hallo Elias! Ich bin mir sicher, dass du der erste sein wirst, der das hier zu Gesicht bekommen wird. Wie ihr ja bereits mitbekommen habt, haben wir große Pläne, die ihr ja leider nicht unterstützt, sondern im Gegenteil, sogar noch versucht zu manipulieren". Sie seufzte theatralisch, bevor sie ihr Gesicht wieder zu einer eiskalten Maske erstarren ließ. „Du verstehst sicher, dass wir das nicht so toll finden und uns deswegen schon früh abgesichert haben. Klar, es sind nur ein paar Gören, die ihr auf die Mission schickt uns aufzuhalten, aber sicher ist nun einmal sicher. Mal sehen, ob nicht der ein oder andere sich die Sache nochmal überlegen will, wenn er erkennt, wer noch so alles in dieser Sache mit drinhängt". Die Grimasse, in die sich ihr Gesicht verwandelt hatte, während sie sprach, konnte man nur als grausam beschreiben. Und trotzdem war sie schön, aber das auf so eine kalte Art und Weise, dass es einen in die Knie zwang. Mit einem angedeuteten Lächeln schnippte sie mit den Fingern, woraufhin man im Hintergrund ein Rumpeln und ein Schnaufen hörte. Kurz darauf schob ein kleiner, untersetzter Mann, dessen linke Gesichtshälfte komplett vernarbt war einen Stuhl ins Sichtfeld. Ein Mann, der sich heftig wehrte, war auf diesen gefesselt und als der Stuhl umgedreht wurde und ich das Gesicht sah, schnappte ich nach Luft. Ich kannte dieses Gesicht! Die Gestalt war ausgemergelt und dünn, die Haut totenbleich, als hätte sie ewig kein Sonnenlicht mehr gesehen. Die roten Haare waren verfilzt und die grünen Augen waren glanzlos. Aber auch wenn der Mann mindestens zehn Jahre älter aussah, als ich ihn in Erinnerung hatte, war ich mir mit jeder Zelle genaustens bewusst, wer mir da gegenübersaß. „Dad..." Meine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern und ich presste mir die Hand auf den Mund, als mir die Tränen in die Augen stiegen. Der Boden schien zu schwanken und meine Knie schienen auf einmal nur noch aus Wackelpudding zu bestehen. „Lasst meine Tochter aus dem Spiel... Bitte, sie hat nichts mit der Sache zu tun", flehte der Mann, von dem ich geglaubt hatte, dass er uns vor einem Jahr für eine andere Familie verlassen hatte. Als Cara auf sein Flehen nur mit einem Lachen reagierte, wandte er sich von ihr ab und sagte: „Leya, falls du mich hören kannst, bitte lass dich nicht auf irgendwelche Verhandlungen mit ihr ein. Kümmer dich nicht um mich. Ich komme schon klar. Viel wichtiger ist, dass du die Punkte neu verteilst. Nimm die drei und ersetze sie durch die fünf, verrechne das Ganze mit der Anzahl der Hopstage im Jahr und nimm das Ergebnis als Schlüssel zum punktieren. Hast du das verstanden? Du wirst zur gegebenen Zeit erkennen, wofür du das brauchst. Ich weiß, dass du es schaffen kannst..." Er hatte hastig gesprochen, als würde er erwarten, jeden Moment unterbrochen zu werden. Ich hatte während seinen Worten angefangen zu schluchzen, was sich noch mehr verstärkt hatte, als er mir die verschlüsselte Botschaft mitgegeben hatte. Hätte ich vorher noch einen endgültigen Beweis gebraucht, dass es wirklich mein Vater war, der da mit mir sprach, jetzt hätte ich absolut keinen Zweifel mehr gehabt. Wir hatten meine Mom, mit dieser verschlüsselten Sprache regelmäßig in den Wahnsinn getrieben. Es hatte mir immer riesigen Spaß gemacht, die Botschaften meines Vaters zu entschlüsseln. Für jemanden, der einfach nur diese Wörter hörte, ohne die Bedeutung dahinter zu kennen, musste das wohl ziemlich wirr und wenig sinnvoll klingen, aber für mich fügten sich sofort erste Entschlüsselungsansätze in meinem Kopf zusammen, auch wenn ich schon eine Weile nicht mehr mit so einem Rätsel in Berührung gekommen war. Es war unüblich, Botschaften so zu verschlüsseln und selbst wenn man zufällig den Schlüssel finden sollte, den mein Vater und ich gemeinsam mal erstellt hatten, brachte das einem im ersten Moment erst einmal gar nichts, da man darüber hinaus noch ein fundiertes Grundwissen über die Leidenschaft haben musste, die meinen Vater und mich verband: Die Musik. Unsere Geheimsprache war ein Weg gewesen uns gegenseitig selbstgeschriebene kleine Melodien zu übermitteln. Wir hatten früher manchmal so getan, als wären unsere Musikstücke hochwichtige Waffen gewesen, hinter denen tausende von Spionen her waren, weshalb wir uns sie in Form von verschlüsselten Botschaften hatten zukommen lassen müssen. Früher hatte ich das nur als alberne Spielerei abgetan, aber jetzt erschien mir das Ganze noch mal in einem völlig neuen Licht. Hatte mein Vater etwa geahnt, dass wir einmal in eine Situation geraten würden, in der wir diese Geheimsprache brauchen würden? Ein spöttisches Lachen riss mich aus meinen Gedanken. „Wie überaus rührend. Und so leid es mir auch tut, aber ich muss diese Familienzusammenführung leider unterbrechen, denn wir haben nun mal nicht ewig Zeit". Als Cara weitersprach, schienen sich ihre blauen Augen, direkt in meine zu bohren, aber vielleicht kam mir das auch nur so vor, da ihre nächsten Worte, die sie im Plauderton, wie beiläufig fallen ließ, wie giftige Pfeile durch meinen Körper schossen. „Also, Leander was meinst du wie lange du die Exmagikasitation noch durchhälst? Zwei Wochen? Drei...?". Sie schnippte erneut mit den Fingern und dieses Mal löste sich ein Mann, welcher in einen schwarzen Umhang gehüllt war, aus dem Schatten. In seiner Hand hielt er eine Art länglichen Stab, dessen Spitze matt rot glühte. Die Augen meines Vaters weiteten sich merklich, doch es schien, als würde er versuchen sich zusammenzureißen. Die schlanken, blassen Finger, welche mit unzähligen schwarzen Tattowierungen verziert waren umklammerten den Stab etwas fester, während er diesen immer näher, an die Schläfe meines Dads heranführte. Als er sie schließlich berührte, öffnete sich der Mund von meinem Dad und ein lautloser Schrei entfuhr ihm. Seine Gesichtszüge verzerrten sich zu einer schmerzhaften Grimasse. Sein ganzer Körper schien vor Schmerzen zu erbeben und dass kein Ton seine Lippen verließ, machte es noch schlimmer für mich. Denn die Stille schien noch lauter zu schreien, als mein Vater es jemals könnte. Glitzernder Staub erschien rund um den Kopf meines Vaters, verursachte ein magisches Schauspiel, indem es sich zu Figuren formte und wieder zerfiel, bevor es direkt von der Spitze des Stabes angezogen zu werden schien. Diese leuchtete jedes Mal rot auf, wenn die glitzernde Essenz in ihrem Inneren verschwand. Doch ich hatte keinen Blick für das, was um meinen Dad herum passierte, ich sah einzig und allein das schmerzverzerrte Gesicht, welches sich in mein Gedächtnis einbrannte. „Dad", flüsterte ich verzweifelt und streckte meine Hand nach ihm aus, doch sein Körper schien an den Stellen, wo ich ihn berührte zu zerfallen, wie der Glitzerstaub um ihn herum. Genauso wie meine Gedanken immer wieder zerfielen, nur um sich dann aus der kalten Asche wieder neu zu formen. Das Hologramm begann vor meinen Augen zu flirren und begann sich langsam in seien Einzelteile aufzulösen. Das letzte was ich sah bevor das Bild verschwand, waren grüne Augen, die mich voller Verzweifelung ansahen und Lippen, welche ein tonloses „Ich liebe dich" formten.

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3568 Wörter 😳. Ich schreibe in letzter Zeit immer so lange Kapitel.

Gespräche unter Freundinnen... Ich bin ja irgendwie ein Fan von den beiden 🤭. Und ihr?

Es macht mir total viel Spaß die Gepflogenheiten und auch die Nahrung zu beschreiben... Was glaubt ihr hat es mit dem Faltbrot auf sich?

Huiuiui. Die Hologrammbotschaft hat einiges enthüllt. Vor allem gab es ein Zusammentreffen, das viele bereits erahnt hatten 😏. Na wie findet ihr das?

Auf das nächste Kapitel freue ich mich wieder total. Aus der Erzählperspektive geschrieben, also werden wir uns mal wieder ansehen was Cara und Marc so treiben... Ich liebe es die Atmosphäre zu beschreiben...

In einer anderen Zeit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt