Von blinder Verliebtheit, zaghaften Umarmungen und Loslösen

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TW: In diesem Kapitel wird das Thema Vergewaltigung angesprochen. Wer damit nicht umgehen kann, sollte das Kapitel lieber überspringen. Lesen nur auf eigene Verantwortung. Damit trotzdem ein Verständnis der weiteren Geschichte möglich ist, kann man sich bei mir melden und ich fasse per PN die wichtigsten Sachen zusammen, ohne irgendwelche möglicherweise triggernden Sätze.

„Ich war 14 Jahre alt als ich Will kennenlernte“, begann ich und mied Elijahs Blick. „Er war zwei Jahre älter als ich und in meinen Augen damit schon super reif und erwachsen. Ich entwickelte damals einen ziemlich heftigen Crush auf ihn. Als er mich dann eines Tages nicht nur bemerkte, sondern auch noch begann mir Komplimente zu machen und mich irgendwann sogar auf ein Date einlud, fühlte ich mich außerordentlich geschmeichelt. Wir gingen auf ein paar Dates und schließlich fragte er mich, ob ich mit ihm zusammen sein wollte. Natürlich sagte ich Ja und wir wurden ein Paar“. Ich räusperte mich, um den Kloß loszuwerden, der sich in meinem Hals bei den Erinnerungen festsetzte. Mit rauer Stimme sprach ich weiter. „Ich war unglaublich naiv damals. Ein paar Komplimente und Aufmerksamkeiten und schon war ich blind vor Verliebtheit. Ich habe lange gebraucht um zu verstehen, was für ein Mensch Will wirklich ist und als ich es endlich gerafft hatte, war es zu spät...“. Meine Stimme versagte und ich musste schlucken um die Tränen der Scham zurückzuhalten, die bereits in meinen Augen brannten. „Es hat ganz langsam angefangen. Erst hat er nur immer wieder kleine Bemerkungen fallenlassen. Zu meiner Figur. Zu meiner Kleiderwahl. Zu meiner Art zu reden. Ich hab gar nicht gemerkt, wie sehr er mich beeinflusst hat. Wie ich angefangen habe, alles an mir nach seinen Wünschen zu verändern. Wie ich die Klamotten anzog, die ihm an mir gefielen und mich so verhielt, wie es ihm gerade am besten passte. Ich hatte zu sehr Angst, dass er sein Interesse an mir verlieren würde, wenn ich nicht seinen Wünschen entsprach“. Ich lachte bitter. „Eigentlich hätten bei mir schon damals alle Alarmglocken schrillen müssen. Wenn man in einer Beziehung nicht man selbst sein kann, dann ist man eindeutig mit dem Falschen zusammen. Doch ich war damals in dem Alter, wo man seinen Wert zu sehr von den Meinungen anderer abhängig macht und war meiner selbst zu unsicher um Wills Aufmerksamkeit und seine Bestätigung zu verlieren. Ich habe viel zu lange zu allem was aus Wills Mund kam Ja und Amen gesagt und vielleicht bin ich auch ein bisschen selbst daran schuld, wie es am Ende eskaliert ist“. Das war eine meiner größten Ängste bei der Sache. Dass ich das Ganze vielleicht selbst provoziert hatte. Dass ich das Schlimmste hätte verhindern können, wenn ich einfach früher Nein gesagt hätte. Das war ein Gedanke, der mich nächtelang wachhielt. Meine größte Schamfrage, die ich noch niemals irgendwem gegenüber offenbart hatte. Auch wenn meine Therapeutin schon unzählige Male betont hatte, dass immer der Täter die Schuld trug, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich verantwortlich war für die Situation in der ich am Ende gelandet war. „Eskaliert ist die ganze Situation dann an meinem fünfzehnten Geburtstag“, fuhr ich fort und versank ganz in meinen Erinnerungen. „Will hatte mir eine Überraschung versprochen. Ich weiß noch wie aufgeregt ich damals war. Will hatte seit einigen Wochen nämlich immer ein klein wenig genervt gewirkt, wenn ich bei ihm aufgetaucht war, um Zeit mit ihm zu verbringen und jetzt wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben fühlte sich gut an“. Ich richtete meinen Blick nach innen und ließ kurz die Bilder meines fünfzehnten Geburtstags an mir vorbeiziehen bevor ich weitererzählte: „Er verband mir die Augen und führte mich zu einer alten Lagerhalle. Als er mir die Augenbinde abnahm, sprangen alle möglichen Leute auf und riefen Überraschung. Er hatte mir eine Party organisiert. Die meisten Leute, die er eingeladen hatte, waren viel älter als ich und ich kannte sie nicht. Einige hatten sogar Alkohol mitgebracht und die Party entwickelte sich nur allzu schnell in eine Richtung, auf der eine Fünfzehnjährige eigentlich nichts zu suchen hatte. Es wurden immer mehr Leute und ich hatte meine beiden Freundinnen Reena und Claire - so ziemlich die Einzigen die ich auf der Party kannte - schon bald aus den aus den Augen verloren“. Ich brach ab. Langsam kam ich zu dem Punkt der Geschichte, der mein ganzes Leben verändert hatte. Ich schloss meine Augen und versuchte die quälenden Bilder zurückzudrängen, doch es half nichts. Ich spürte, wie ich abzudriften drohte und griff reflexartig nach Elijahs Arm. Seine Hände hatte er immer noch unter seine Beine geklemmt und so langsam musste er wohl das Gefühl in ihnen verlieren. Ich dachte daran, wie Elijah mich jetzt schon zweimal geerdet hatte, als ich in einer Panikattacke gesteckt hatte. Meine Augen öffneten sich wieder, aber dennoch sah ich ihn nicht an als ich mit erstickter Stimme fragte: „Kannst... kannst du vielleicht meine Hand halten? Mit dir bin ich weniger verloren in mir“. Eine Weile lang passierte nichts, doch dann spürte ich wie eine warme Hand nach meiner griff. Elijahs Finger schlossen sich mit sanftem Druck um meine und ich atmete bebend ein. Elijah drückte kurz zu. So als wollte er sagen: Ich bin hier. Ich halt dich fest im Hier und Jetzt.

In einer anderen Zeit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt