Von Träumen, Raumumgestaltungen und Höllenqualen

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Leya Point of View

Tick Tack. Tick Tack. Tick Tack. Unendlich laut scheint sich das Ticken der Uhr in der dröhnenden Stille in meinem Kopf festzusetzen. Meine Hände sind schwitzig und krampfen ineinander und ich spüre das Pochen meines Herzschlags an jeder Stelle meines Körpers, wie mein Herz das Blut durch meine Adern pumpt. Ich warte auf etwas, doch auf was? Plötzlich höre ich das Geräusch von einem Schlüssel, der versucht das Schlüsselloch zu treffen und mein Herzschlag beschleunigt sich. Langsam erhebe ich mich und versuche meine zitternden Knie unter Kontrolle zu bekommen. Mit vorsichtigen Schritten nähere ich mich der Tür die in den Hausflur führt. Ich habe Angst vor dem was mich dort erwartet. Meine Füße sind nackt und ich zucke zusammen, als die kalten Fliesen mit ihnen in Berührung kommen. Der Flur ist breit und lang und sorgt immer dafür, dass ich mich unendlich klein fühle. Als ich an einem Spiegel vorbeikomme, erhasche ich einen kurzen Blick auf einen kleinen Jungen mit lockigem Harr und schreckgeweiteten Augen. Wer ist dieser Junge? Ich sehe an mir herab und bemerke, dass ich nicht aussehe wie sonst. Ich bin viel kleiner und außerdem kommt nichts an mir, mir auch nur ansatzweise bekannt vor. Dann kommt die Erkenntnis. Ich bin er. Die Emotionen die ich spüre, sind nicht meine eigenen. Aber wer ist der kleine Junge, in dessen Körper ich gerade stecke? Und wo bin ich überhaupt? Mittlerweile schien – wer auch immer vor der Tür steht – es geschafft zu haben den Schlüssel ins Schloss zu stecken, denn ich höre das Geräusch eines sich drehenden Schlüssels. Obwohl es mir – Nein ihm – korrigiere ich mich, vollkommen zu widerstreben scheint, nähere ich mich immer weiter der Tür. Anstatt wie in einem Horrorfilm langsam mit einem Quietschen aufzuschwingen, knallt sie mit voller Wucht gegen die Wand und ich zucke erschrocken zusammen. Ein großer Mann schiebt sich schwankend durch die Tür, in der Hand eine fast leere Vodkaflasche und lässt seinen Blick wild durch die Gegend schweifen, bis er an mir hängen bleibt. „Du“, donnert er und für einen Moment spüre ich wie mein Herz kurz aussetzt, bevor ich es wage meinen Blick zu heben und verängstigt zu fragen: „Ja, Dad?“. Mit schwankenden Schritten kommt er näher und alles in mir möchte schreiend weglaufen, doch ich – er – bleibt stehen. Ich sehe die Katastrophe bereits kommen bevor sie geschieht. Kurz bevor er bei mir angekommen ist, bemerke ich etwas kleines pinkes auf dem Boden liegen und meine Augen weiten sich. Doch bevor ich ihn warnen kann, ist es auch schon passiert und er stolpert über den Schuh, den meine Schwester hatte liegen lassen und den ich beim Aufräumen wohl übersehen haben musste. Beinahe wie in Zeitlupe sehe ich, wie die Flasche aus seiner Hand entgleitet und auf dem Boden zerspringt, während Dad sein Gleichgewicht verliert und sich im letzten Moment an mir festhält und so dafür sorgt, dass ich mit ihm herunterfalle und er mich unter sich begräbt. Ich spüre, wie sich die Flüssigkeit in meinem Shirt festsaugt und sich ein brennender Geruch, wie von Desinfektionsmittel ausbreitet. Spitze Scherben bohren sich in meine Arme und das Gewicht meines Vaters presst mir alle Luft aus meinen Lungen. Ein Schwall derber Flüche ergießt sich über mich und mein Vater stemmt sich unbeholfen von mir hoch und hebt den kleinen Schuh auf. „Diese kleine Schlampe! Ich bring sie um! Wie kann dieses undankbare, kleine Miststück nur immer ihre Sachen im Weg herumliegen lassen!“. Schwankend stützt mein Vater sich am Treppengeländer ab und scheint nach oben gehen zu wollen. Panik breitet sich in meinem Magen aus und ich rappele mich eilig hoch. „Dad, das ist nicht ihre Schuld“, versuche ich seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, „bitte tu ihr nichts!“. Die Stimme klingt flehentlich. „Anders lernt es die kleine Schlampe ja nicht“, knurrt mein Vater, „ich war sowieso schon viel zu lange nachsichtig mit ihr! Aber damit ist jetzt Schluss!“. Schwankend setzt er sich erneut in Bewegung. Ich halte ihm am Arm fest. „Bitte Dad! Es ist meine Schuld. Es sind meine Schuhe!“, behaupte ich verzweifelt. Ruckartig bleibt er stehen und dreht sich um. „Deine Schuhe? Bist du eine Schwuchtel oder warum hast du pinke Schuhe?“. Erleichtert atme ich aus, als ich feststelle, dass er betrunken genug ist um nicht zu realisieren, dass die Schuhe für mich natürlich viel zu klein sind. Hauptsache er lässt meine Schwester in Ruhe. Ich würde alles behaupten, wenn dafür meiner Schwester kein Leid zugefügt werden würde.„ Antworte mir!“, brüllt mein Vater und packt mich am Kragen und zieht mich zu sich. Sein alkoholgetränkter Atem schlägt mir ins Gesicht und mir wird kotzübel. „Habe ich dich so erzogen, dass du denkst wie eine Schwuchtel herumzulaufen ist okay, hm? Was sollen denn die Leute denken? Dass ich diesen kranken Schwulenscheiß unterstütze und sogar einen schwulen Sohn habe? Willst du das? Willst du mich zum Gespött aller Menschen machen, hm?“. Sein Gesicht ist meinem jetzt so nahe, dass ich den Alkohol beinahe selber auf meiner Zunge schmecke. „Nein Dad“, presst der Junge in dessen Körper ich stecke verängstigt hervor. „Ach ja? Und wieso machst du es dann?“, fragt er. Mit einem Mal zieht er sein Gesicht wieder zurück und sagt: „Ich werde dir schon beibringen dich nicht wie eine Schwuchtel aufzuführen. Mein nutzloser Sohn ist keine Schwuchtel!“. Mit diesen Worten rammt mir seine Faust direkt ins Gesicht. Schmerz explodiert in meinem Gesicht und ich stöhne schmerzerfüllt auf. „Dad, bitte nicht“, wimmere ich. „Heul nicht und ertrage es wie ein Mann!“, schnauzt er mich grob an. Und erneut lässt er seine Faust in mein Gesicht donnern, sodass ich Sternchen sehe und mir automatisch Tränen in die Augen schießen. Doch ich presse meine Lippen zusammen und versuche keinen Ton von mir zu geben, während er mich malträtiert. Schließlich lässt er von mir ab und betrachtet mich. „Jetzt leuchtet dein Gesicht in den Regenbogenfarben. Denk daran, bevor du dich das nächste Mal wie eine Schwuchtel verhälst!“. Damit schubst er mich erneut in die Scherben und dreht sich schwankend um. Doch kurz bevor er geht, dreht er sich noch einmal zu mir um und sagt verachtend: „Ach und dass hier machst du selbstverständlich sauber du nutzloser Bastard!“. Dann lässt er mich alleine in den Scherben liegen.

In einer anderen Zeit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt