Unangenehme Wahrheiten und andere Katastrophen

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Tja. Anscheinend hatte der Fluss seinen Namen, weil einem sein eigenes Spiegelbild ein paar unangenehme Wahrheiten um die Ohren haute. Höhnisch sah mein Spiegelbild mich an. „Weißt du, du bist eine ziemlich selbstgerechte Kuh! Einerseits sagst du, du hasst Menschen, die einen direkt verurteilen, aber andererseits hast du selbst Elijah direkt abgestempelt und gibst ihm auch keine Chance mehr!".Ich öffnete den Mund und wollte widersprechen, - schließlich hatte mir Elijah bereits einige Male bewiesen was für ein Idiot er war - doch das blöde Gesicht im Fluss ließ mich einfach nicht zu Wort kommen. Dämliche Kuh! „Ich weiß was du sagen willst, denn ich bin du, nur halt der vernünftige Teil in dir, den du nie zu Wort kommen lässt. Aber du machst es dir zu einfach und dass weißt du auch. Du bist gegenüber Fremden eine Zicke und eine Eiskönigin, auch wenn sie nett zu dir sind und da steckt auch mehr hinter. Aber das ist nicht die einzige Sache die ich einmal loswerden muss. Die andere Sache ist: WERDE ENDLICH ERWACHSEN! Du denkst du stehst über allem und bist so viel besser als alle anderen, aber in Wahrheit bist du das kleine Kind, das vor allen Problemen davonläuft und nicht abschließen kann. Jetzt schau nicht so geschockt! Du weißt, dass das die Wahrheit. Klar was passiert ist, ist scheiße aber du kannst nichts mehr daran ändern! Willst du für immer die Eiskönigin sein, nur weil du dich einmal, ein einziges Mal in einem Menschen getäuscht hast? Ist es das was du willst? Willst du als einsame, verbitterte Frau ohne Freunde enden? Darauf läuft es nämlich hinaus wenn du so weitermachst!". Ihre Worte trafen mich wie Faustschläge und ich wich zurück. „Das stimmt nicht", widersprach ich, wollte ihren - oder meinen - Worten keinen Glauben schenken. Ich war doch nicht... Das konnte doch nicht... Ich riss mich abrupt von einem Spiegelbild los und rannte über die Brücke zur anderen Seite. In dem Glas konnte ich überall mein Gesicht sehen. Meine Augen waren weit aufgerissen und meine Wangen waren gerötet. Ich rannte bis ich diese verdammte Brücke endlich verlassen hatte und noch weiter. Ich rannte vor mir selbst davon. Vor diesen unglaublich schmerzhaften Worten, die mich aufwühlten und mir die Luft zum atmen nahmen. Sie rissen mir den Boden unter den Füßen weg und schleuderten mich durch die Gegend ohne, dass ich etwas dagegen unternehmen konnte. So lange hatte ich trainiert und kämpfen gelernt, sodass niemand mehr mich einfach überrumpeln konnte, doch niemand hatte mir beigebracht mich vor Worten zu schützen. In meinem Kampfsportunterricht hatte ich beigebracht bekommen einen sicheren Stand beizubehalten und mich zu ebenen, damit ein Schlag mich nicht aus dem Gleichgewicht bringen konnte, doch den Worten hatte ich nichts entgegenzusetzen und deswegen trafen sie mich. Eiskönigin! Zicke! Ich kniff kurz die Augen zusammen, doch schon im nächsten Moment riss ich sie wieder auf, damit ich nicht gegen einen Baum lief. „Leya! Warte doch mal einen Moment". Der laute Ruf ließ mich au einen Gedanken hochschrecken und ich blieb abrupt stehen und drehe mich um. Elijah! Fast hätte ich ihn vergessen, so beschäftigt war ich mit meinem Gedanken gewesen. Aber leider nur fast und so stand er schließlich vor mir. Ihn schien die Sache am Fluss nicht so mitgenommen zu haben wie mich. Vielleicht war er aber auch nur ein guter Schauspieler. Oder er war unfairerweise verschont worden. So oder so blitzte ein unverschämtes, schiefes Grinsen auf seinem Gesicht auf, bei dem jedes normale Mädchenherz zerschmolzen wäre und er fragte: „Und? Hat der Fluss der Wahrheit dir offenbart, was für eine unausstehliche Zicke du bist oder wieso rennst du als wäre der Teufel hinter dir her?". Ich warf ihm einen finsteren Blick zu - wenigstens wäre jetzt die Frage geklärt, ob de Fluss der Wahrheit ihn verschont hatte - und entgegnete bissig: „Nein. Mir wurde geraten, dass ich lieber ein Auge auf dich haben sollte". Naja, dass war immerhin nicht ganz gelogen, schließlich hatte mir mein Spiegelbild vorgeworfen ich würde Elijah verurteilen ohne ihn richtig zu kennen und dass implizierte, dass ich Elijah im Auge behalten sollte um schlagkräftige Argumente zur Untermauerung meiner Meinung zu sammeln. Also theoretisch Elijahs Grinsen wurde noch eine Spur unverschämter und er hakte nach: „Ach und das hat dich so schockiert, dass du davongerannt bist oder was?". Ich schickte ihm einen meiner Ein-Wort-und-du-bist-tot-Blicke und verschränkte die Arme vor der Brust, doch er wirkte unbeeindruckt. „Nein. Es schockiert mich nicht, dass anscheinend jeder Teil von mir weiß, dass du ein arrogantes Arschloch bist und nichts ernstnehmen kannst, selbst wenn es um die Rettung der Welt geht", konterte ich direkt ohne darüber nachzudenken. Sofort biss ich mir auf die Unterlippe. Hoffentlich war das jetzt nicht zu dick aufgetragen gewesen. Normalerweise war ich nicht so impulsiv. Den spontanen, feurigen Teil von mir hatte ich eigentlich längst mit meiner Naivität begaben, aber irgendwas hatte Elijah an sich, was es mir schwer machte ruhig zu bleiben. Er reizte und triezte mich so lange, bis ich die mühsam erarbeitete, beherrschte Fassade nicht mehr aufrechterhalten konnte und meine wahren Gefühle preisgab. Und das war verdammt beängstigend. Elijah tat als wäre er von meinen Worten schwer getroffen und taumelte drei Schritte zurück, während er sich mit theatralischer Geste ans Herz fasste und sagte: „Das trifft mich jetzt zutiefst. Ich glaube mit diesem gebrochenen Herzen kann ich nicht mehr weiterleben". Ich verdrehte die Augen aber konnte nicht verhindern das ein kleines Schmunzeln an meinen Mundwinkeln zupfte. Nach all den blöden Überraschungen die mich hier schon ereilt hatten tat es gut die Dinge für einen kleinen Moment nicht ganz so ernst zu nehmen. Aber dieser Moment währte viel zu kurz, bevor ich mich wieder daran erinnerte wo und vor allem mit wem ich mich hier befand und das Lächeln verschwand wieder aus meinem Gesicht. Ich drehte mich abrupt weg und ließ die kalte Leya wieder übernehmen. „Wir müssen weiter", erinnerte ich ihn und hob meinen Rucksack auf den ich auf dem Boden abgestellt hatte. Elijah schien einen kleinen Augenblick verdutzt zu sein, doch dann verdrehte er die Augen und salutierte. „Jawohl Frau General", spöttelte er und setzte sich nach einem Blick auf die Karte in Bewegung. Wir verfielen wieder in unser Schweigen und schon nach kurzer Zeit bereute ich es so grob gewesen zu sein. Aber ich hatte keine andere Wahl, ich durfte mich bloß nicht an Elijah gewöhnen. Typen wie er bedeuteten nur Ärger und außerdem würden sich ihre Wege nach ihrem Abenteuer eh wieder trennen. Wenn sie also nicht verletzt werden wollte, war es besser, wenn sie von vorneherein jegliche Annäherungsversuche im Keim erstickte und nicht auf die Masche von Elijah hereinfiel. Sie mochte Elijah ja sowieso nicht. Okay mit seinen Locken und den grünbraunen Augen sah er echt gut aus und die Art wie er eben meinen Gefühlsausbruch abgetan hatte zeugte von Humor, aber andererseits hatte er schon bei unserer ersten Begegnung einen Jüngeren gegen die Spinde geknallt! Ich musste mich von ihm fernhalten und basta! Jungs waren im Augenblick eh das letzte an das ich denken sollte. Unser eindringliches Schweigen wurde durch ein aufgeregtes Flügelschlagen und einem Schauer von Tannennadeln der uns ins Gesicht rieselte unterbrochen. Während ich mir noch die Nadeln aus den Augen rieb, plumpste Sisty erneut direkt vor unsere Füße. „Ups", machte sie unbekümmert und erhob sich direkt wieder in die Lüfte, um dort wie ein betrunkenes Huhn durch die Luft zu torkeln. Es gab einfach keine bessere Beschreibung für ihre Versuche mit den Gesetzen der Schwerkraft zu kämpfen. Sie schien nicht einmal zu bemerken wie wir sie anstarrten, sondern begann fröhlich etwas über einen Mammutsbaum zu erzählen, den sie gefunden hatte und sah dabei stolz zu Elijah. Ich hob eine Augenbraue. Mammutsbaum?, formte ich lautlos mit meinen Lippen und sah Elijah an. Der zuckte hilflos mit den Lippen und flüsterte zurück: „Mir ist nichts Besseres eingefallen". Diesmal konnte ich das Grinsen nicht mehr unterdrücken und ich schaute ihn amüsiert an und schüttelte den Kopf. Mit dem fröhlichen Geplapper von Sisty im Ohr und dem Lächeln im Gesicht, fühlte sich das Ganze schon viel leichter an und ich atmete aus. Vielleicht war es ja gar nicht so schlimm wie ich gedacht hatte mit Elijah unterwegs zu sein. Gerade war die Atmosphäre zwischen und geradezu entspannt, was ein deutlicher Fortschritt war im Gegensatz zu der kurzen Zeit unserer restlichen Bekanntschaft. Die Worte meines Spiegelbildes kamen mir wieder in den Sinn. Ob es wohl Recht hatte? War es das was die meisten in mir sahen? Eine Eiskönigin, deren Bestimmung es war als eine einsame verbitterte Frau mit Katzen zu enden, deren Highlight des Tages es war mit einem Falschparker zu streiten? Klar, ich hatte mir diese Fassade selbst zurechtgezimmert und eigentlich war die Unnahbarkeit genau das was ich nach außenhin tragen wollte, aber das ins Gesicht gesagt zu bekommen war nochmal etwas ganz anderes. Zumal das Gesicht im Fluss mir gehört hatte und ein Teil von mir zu sein schien. Aber welcher Teil von mir hatte sich diese schlechte Meinung zu mir gebildet? Es schockierte mich zutiefst, was sich in meinem Unterbewusstsein, alles in mir angestaut haben musste. Unterbewusste Ängste, die sich jetzt in einer Vorwurfstirade an mich selbst entladen hatten. Ich hatte mir aus gutem Grund diese unnahbare Fassade zugelegt, denn Nähe bedeutete immer auch Verletzlichkeit. Aber gleichzeitig bedeutete es auch, für immer allein zu bleiben und viele Chancen zu verpassen, tolle Menschen kennenzulernen und mit ihnen schöne Erinnerungen zu sammeln. Wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich tatsächlich meinen Teil dazu beigetragen, dass die Atmosphäre zwischen mir und Elijah oft zum Zerreißen gespannt war. Klar, war er es gewesen der unsere erste Begegnung so unschön hatte verlaufen lassen und klar hatte er sich mehr als einmal danebenbenommen und hatte den Idioten heraushängen lassen, aber auch ich hatte Fehler gemacht. Nachdem ich ihn einmal in die Schublade Idioten-die-absolut-unter-meiner-Würde-sind gesteckt hatte, hatte ich mir nicht mehr die Mühe gemacht, nach Hinweisen Ausschau zu halten, die diese Meinung von ihm revidieren könnten. Und dementsprechend hatte ich dann auch reagiert und hatte ihn herablassend und unfreundlich behandelt. Dabei brachte uns das absolut nicht weiter. Im Gegenteil, es behinderte uns bei unserer Mission. Wenn unsere Streitereien uns davon abhielten, als Team gut zu funktionieren und zu agieren, dann hatten Cara und Marc leichtes Spiel mit uns. Wir mussten jetzt zwar nicht unbedingt beste Freunde werden, aber wir sollten zumindest damit aufhören uns ständig zu bekriegen und bei jeder Kleinigkeit in die Luft zu gehen. Ein piepsiges „Achtung“ riss mich aus meinen Gedanken. Bevor ich auch nur ansatzweise reagieren konnte, war mir Sisty auch schon auf den Kopf geplumpst. Verdutzt blieb ich stehen. Elijah, der ein paar Schritte vor mir ging, drehte sich um und brach dann prompt in Gelächter aus. „Wenn du dein Gesicht gerade sehen könntest“, prustete er hervor. Ich warf ihm einen gespielt bösen Blick zu , doch lange konnte ich diesen nicht aufrechterhalten und mir entwich ebenfalls ein Kichern, welches sich schnell zu einem ausgewachsenen Lachen entwickelte. Elijah hatte urplötzlich aufgehört zu lachen und starrte mich an, als wäre auf meinem Kopf gerade ein UFO gelandet und kein mehr oder weniger flugfähiges Wesen, dass uns auf unserer Reise begleiten sollte. Verlegen fuhr ich mir einmal durchs Gesicht. „Was ist? Habe ich etwas im Gesicht?“. Elijah räusperte sich und wandte den Blick dann wieder ab. Seine Stimme klang belegt, als er mir antwortete: „Nein, ich habe dich nur noch nie lachen gehört“. Doch bevor ich darüber nachdenken konnte, wie das denn jetzt von ihm gemeint war, zerstörte er den Moment auch schon wieder indem er in gewohnter Elijah-Manier hinzufügte: „Hätte nicht gedacht, dass du überhaupt weißt was das ist, geschweige denn dass du in der Lage bist solche Gefühle zu empfinden und zum Ausdruck zu bringen“. Abrupt verschwand jeder Ansatz eines Lächelns aus meinem Gesicht. Hatte ich gerade eben ernsthaft kurz gedacht, dass sein Satz ernst gemeint war und nicht nur Teil seines Spiels? War ich ernsthaft davon ausgegangen, dass es vielleicht nicht so schlimm werden würde und wir vielleicht sogar einen Weg finden würden uns nicht gegenseitig umzubringen, bevor Cara und Marc es tun konnten Irgendwas musste mir kurzzeitig das Gehirn vernebelt haben, denn anders konnte ich mir nicht erklären wie ich auf die absurde Idee gekommen war, dass ich es schaffen würde über das Machogehabe und sein Arschlochtum hinwegzusehen. Ich schnaubte und setzte mich wieder in Bewegung, während sich Sisty mit hektischem Flügelschlagen wieder aus meinen Haaren befreite. Es ziepte kurz und im nächsten Moment erhob sie sich wieder in die Lüfte. Wenn sich Elijah weiterhin so benehmen würde - worauf ich wetten würde - dann konnte ich mich schonmal auf eine lange Reise einstellen.

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Lange ist es her, aber jetzt kann ich endlich wieder ein neues Kapitel veröffentlichen. *feiert eine Party 🎉🎊*.

Nun hat Leya ja so einiges an den Kopf geknallt bekommen. Was meint ihr, ist ein Teil dieser Anschuldigungen berechtigt oder könnt ihr die Argumente nicht nachvollziehen?

Elijah scheint ja nicht besonders beeinflusst zu sein von den Ereignissen am Fluss. Was denkt ihr hat er so am Fluss der Wahrheit für sich rausbekommen?

Ganz kurz schien die Stimmung zwischen den beiden ja gut zu sein, aber ganz so einfach kann ich es ihnen ja nicht machen. Ich habe da noch so einiges geplant... 😈

Ich mag irgendwie beides zu schreiben: Wenn sie sich fetzen und wenn sie ausnahmsweise mal eine schöne Situation miteinander teilen? Wie geht es euch als Lesern so? Mögt ihr lieber die Streitereien oder habt ihr friedliche Stimmung lieber?

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen 🙃.

In einer anderen Zeit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt