110 Tage vorher

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Faith

Verzweifelt las ich in meinem neuen Buch ein paar Zeilen und krümmte die Nase, als ich las, was für Weise Worte dem Dichter über die Lippen kamen.

"Wir sind alle auf der Suche nach dem großen Vielleicht"

Ist es das überhaupt Wert zu finden, das große Vielleicht? Ich meine wir wissen zwar nie was uns die Zukunft bringt, aber es heißt ja nicht, dass das große Vielleicht uns etwas Gutes bringt.
Auf ein mal nahm ich das störende und schrille klingeln an der halternden Tür war. Ich stand von der gemütlichen Couch auf und riss schwungvoll die Tür auf.

Kein anderer als Harry stand dort und sah mich etwas emotionslos an. Mit blieben sofort meine Worte im Mund stecken.

"Kommst du mit?", war das einzige was er fragte und ich nickte nach ein paar Sekunden der Verwirrung und zog mir draußen die Schuhe an.

Ich sah ihn hin und wieder an, aber er würdigte mir keines Blickes.
"Wohin gehen wir?", fragte ich neugierig und wollte die Stimmung ein wenig anheben.

"Du stellst zu viele Fragen!"

*

Mein Blick war auf Harry gerichtet. Er stand direkt vor mir. Sein Atem war so wahrhaftig sanft und kitzelte meine feuchten Lippen. Sein strenger und nachdenklicher Blick würdigte mir einen Augenblick der Genugtuung.

"Du liebst mich.", flüsterte ich aus voller und süßer Überzeugung.

Ein Lächeln zitterte zaghaft auf meinen Lippen, doch verschwand, als es nicht erwidert wurde.

"Ja.", antwortete mir Harry und ich sah weiter in diese grünen Augen. Es gibt Augen, die einen vom ersten Moment an überzeugen, die einen in Arme schließen, die nicht da sind und nie wieder loslassen. Harry hatte diese Augen, die so viel Wärme ausstrahlten.

Ein kühler Windzug strich über uns und ich schauderte. Die Gänsehaut lief über meinen Rücken runter zu meinen Beinen und breitete sich am Ende auf meinem ganzen Körper aus.

Harry sah auf meine nackten Arme und presste nachdenklich die Lippen aufeinander.

Nach ein paar unwichtigen und langen Sekunden zog er seinen grauen Pullover aus und überreichte ihn mir.

Ich machte eine Handbewegung und schüttelte den Kopf, doch er zwang mich ihn zu nehmen, indem er mir energisch den Pullover ein zweites Mal hinhielt.

Ich wusste schon garnicht mehr, wie wir zu diesem Gespräch gekommen waren. Wir standen wieder zwischen den Bäumen. Die Sonne schien mit ihren lieblichen Strahlen durch die Blätter, die sich schon langsam wieder Gold verfärbten. Der Herbst stand vor der Tür.

Die Sonnentupfer tröpfelten auf mein Gesicht.

Ich zog Harry's Pulli über meinen Kopf und stopfte meine fast erfrorenen Hände in die Tasche des warmen Pullovers.

Das Grün in seinen Augen wurde noch intensiver als ein kleiner Sonnenstrahl mitten hinein schien. Er blinzelte kurz, doch ließ nicht von mir ab. Er schaute mir seit Minuten nur noch in die Augen und ich konnte seine Enttäuschung wahrlich spüren.

"Wieso bist du enttäuscht.", fragte ich vorsichtig und ging auf Zehenspitzen, damit meine kalte Hand an seine Wange reichte und seine wunderschönen Konturen nachzeichnen konnte.

Erst war es still und er schaute sich meine Handfläche an, griff sie in seinen festen Handgriff und ließ sie wieder neben meine Hüfte zurücksinken. Wie verstoßen sah ich ihm in die Augen und runzelte die Stirn.

"Soll ich nicht enttäuscht sein!", mit einem mürrischen Ton sah er mich mit seinen festen Augen an.

Angst überkam mich.

Captured | H.SWo Geschichten leben. Entdecke jetzt