Kapitel 17

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Harry:

„Konzentrier dich, Harry!", schreit mein Trainer und zieht mich von Nico weg, einem Jungen, mit dem ich schon seit Anfang an in einer Gruppe bin. Er ist ein Jahr älter als ich, hat die Schule schon abgeschlossen und arbeitet nebenbei als Türsteher, was bei seiner Figur wohl der perfekte Job ist. Wir verstehen uns ziemlich gut, haben uns ein paar Mal schon außerhalb gesehen aber ich würde es nicht wirklich als Freundschaft betiteln.

„Ja.", sage ich und schnappe mir mein Handtuch, um den Schweiß wegzuwischen. Seit anderthalb Stunden bin ich schon hier, seit einer halben Stunde trainiere ich jetzt mit Nico und unserem Trainer, der uns immer wieder Tipps gibt, was man verbessern und anders umsetzen kann. „Okay und jetzt konzentrieren. Ich will einen vernünftigen Kampf sehen. Denkt an die Regeln und passt auf. Nico, du leitest morgen den Kurs für die Kinder, also brich dir nichts." Den letzten Teil sagt er etwas spaßeshalber, jedoch nicken wir beide und stellen uns wieder vernünftig hin.

Nachdem wir das Zeichen bekommen, loszulegen, fangen wir erst langsam an, bis Nico das erste Mal ausholt. Danach liefern wir einen akzeptablen Kampf, bis wir etwas trinken dürfen. „Harry, das war gut. Das nächste Mal mehr in die Offensive gehen. Du wehrst zu viel ab. Nico, lass Harry Zeit, sich zu verteidigen, nicht nur draufschlagen. Im Kampf gerne, aber hier, wo ihr lernen sollt, bringt euch beiden das wenig.", erklärt der Trainer und ich nicke. Eigentlich heißt er Oliver, aber nur selten nenne ich ihn so. Oliver hört sich zu lieb an. Er ist ganze drei Köpfe größer als ich, definitiv über zwei Meter groß.

„Alles okay?", fragt er uns beide, wir nicken nur, trotzdem schnappe ich mir mein Asthmaspray und atme dieses tief ein, bevor wir direkt wieder auf die Matte geschickt werden. „Dann los!" Dieses Mal gehe ich direkt in die Offensive, was Nico ein wenig verwirrt. Dies nutze ich als Chance und schlage mich ziemlich gut, bis ich im Augenwinkel wahrnehme, dass Louis an einer Wand gelehnt steht und mich beobachtet.

Leider bin ich für eine Millisekunde abgelenkt, was Nico ausnutzt und direkt zuschlägt. Stöhnend falle ich zu Boden und schirme mir die Augen ab, ehe ich mich auf Seite rolle und kurz huste. „Ey sorry, Mann.", sagt Nico und hilft mir wieder auf die Beine, bevor er mir auf die Schulter klopft. „Alles gut, habe kurz nicht aufgepasst.", lache ich und mache ein paar Mal die Augen auf und zu mache, da er mich dort ordentlich erwischt hat. „Brauchst du ein Kühlpad?", fragt Oliver, doch ich schüttele den Kopf. „Geht schon." Er schaut mich prüfend an und gibt uns unsere Handtücher. „Kurze Pause, hol dir trotzdem eins, nicht, dass dein Auge anschwillt. Der Rest war gut. Warum auch immer du abgelenkt warst, sei es nicht wieder. So, wie du gekämpft hast, das war gut." Lächelnd nicke ich und gehe in den Geräteraum, wo ein kleiner Gefrierschrank für Kühlpads steht.

„Kennst du den?", fragt Nico, als ich mich gegenüber von ihm auf die Matte setze und meine Handschuhe ausziehe. Als ich seinem Blick folge, sehe ich Louis, welcher uns beobachtet und kurz lächelt, als er meinem Blick begegnet. „Ja, er holt mich ab. Ist ein bisschen früh dran und ich habe auch nicht gedacht, dass er hier in den Laden kommt, aber er überrascht mich immer wieder aufs neue.", erkläre ich mit dem Blick auf meinen Freund gerichtet und sehe, wie Nico ihn zu uns winkt.

„Ist er dein Bruder?" Lachend schüttle ich den Kopf und lege das Kühlpad kurz weg, da mein Auge sonst droht, einzufrieren. „Nein, zum Glück nicht." Dann steht auch schon Louis neben uns, welcher sich vorsichtig hinsetzt, nachdem Nico auf die Matte geklopft hat. „Ein Freund von dir? Dein bester Freund? Der Freund deiner Schwester?", ratet Nico weiter und bringt mich zum kichern. „Ich bin sein Freund, fester Freund.", antwortet Louis und mustert kurz seinen nackten Oberkörper. Danach schaut er zu mir und sieht ziemlich eifersüchtig aus. Wir trainieren meistens ohne Oberteile. Wenn es kälter draußen wird, ist es auch hier in der Halle kälter, aber zu allen anderen Jahreszeiten sieht man hier meistens nur halbnackte Leute rumlaufen. Die wenigen Frauen, die hier trainieren haben meistens Sport-BHs an, alle Angestellten ein Shirt mit dem Firmenlogo. Hosen haben wir alle eine vom Verein aber meistens ziehe ich eine von meinen an, da diese gemütlicher sind. Jedoch schaue ich ihn nur mit großen Augen an. Das ist das erste Mal, dass er jemandem freiwillig von uns erzählt.

Maybe I'm just not enough.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt