Kapitel 12

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Wer hat einen härteren Kampf zu bestehen, als der, der sich selbst besiegen will?

-Thomas von Kempen (lat. Thomas a Kempis, eigentlich Thomas Hemerken, holländischer Augustinermönch, Mystiker und Prediger)

»Hast du dich endlich beruhigt?«, erkundigt mein Alpha sich mit einem seufzten. Er hat es sich auf seinem Stuhl bequem gemacht genauso wie meine Brüder. In der Mitte von unserem Konferenzzimmer steht ein Eichentisch mit dreizehn Stühlen wovon nur noch meiner leer ist. Auf dem Tisch stehen etliche Kannen mit dampfen Tee sowie Behälter mit Honig und Teeblätter. Die drei Karaffen mit Wasser sind schon leer. Die Teller wo die Heidesand und Pfeffernüsse drauflagen haben jetzt nicht einmal Krümmel draufliegen. Solange habe ich die Jungs auch nicht warten lassen. Ist es wirklich zu viel verlangt, jeweils ein Plätzchen übrig zu lassen?

»Du brauchst länger als eine Frau im Bad.«, beschwert Gereon sich während er mit den Augenrollt. »Wir warten schon seit vier Stunden. Ich sitze hier nur noch, weil Dagwin es befohlen hat.«

»Seine Augen sind gerötet.«

»Du meinst er hat sich die Augen ausgeweint? Stimmt das etwa, Sverre?«

»Oder er hat Seife in die Augen bekommen.«

»Vielleicht hat er zur Mondgöttin gebetet«

»Allein die Aussage ist Blasphemie.«

»Das reicht! Nimm endlich platz, Sverre.«

»Danke für die sorgen die ihr euch macht.«, brumme ich während ich weiter in den Raum gehe und mich auf meinen Platz hinsetze. Ich ziehe die einzelnen Behälter mit Honig und Teeblätter heran. »Ich fühle mich doch so geliebt.«

»Können wir endlich anfangen? Ansonsten gibt es nur kaltes zum Abendessen.«, beschwert Barachiel sich wobei er mit beiden Händen auf den Tisch schlägt. »Ich werde mir nicht ein Arm ausreißt nur weil du solange baden musstest.«

»Sicher mein Freund, das sagst du jetzt, aber am ende machst du es doch.«, lache ich, verschränke die Arme und schenke Barachiel ein strahlendes lächeln. »Ich will bei der Rettungsaktion nicht dabei sein.«

»Was?«

»Hast du dir das gut überlegt?«

»Bist du dir sicher?«

»Hast du eine Ahnung, was du da sagst?«

»Du hast doch deinen Verstand verloren!«

»Sverre?«

»Ich werde euch keine Hilfe sein. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt an der Planung beteiligt sein sollte. Ich fühle mich wie eine Niete und wenn ich auch nur an Eufrosinias Entführung denke, staut sich in meinem Bauch eine Wut an, dass ich am liebsten jede einzelne Hexe töten würde. Egal ob es jetzt ein Kind, eine Frau oder nur jemand ist der in der Blutlinie geboren wurde. Ich vertraue mir selbst, in dieser Angelegenheit nicht und das solltet ihr auch nicht. Wenn ihr während der Rettungsmission auch ein Auge auf mich haben müsst, weil ich euch in den Rücken fallen könnte, kann der ganze Plan scheitern. Und ich will nicht an eurem Tod oder dem Tod meiner Gefährtin, meiner Eufrosinia schuld sein.«, meine ich nachdem sich alle beruhigt haben. Ich sehe keinen an, schenke mir einen Tee ein und sehe dabei zu, wie die Blätter langsam zu Boden sinken.

»Ich hätte genauso entschieden, Sverre und ich bin froh, dass ich dich nicht selber davon abhalten muss.«, gesteht Dagwin erleichtert. Aufmunternd nickt er mir zu und breitet eine Karte aus. Die vier Ecken der Karte beschwert er mit Tassen und Untersetzer. 

»Ändern wir den Plan soweit ab, dass Sverre hierbleibt oder setzt du ihn irgendwo anders ein?«, erkundigt Rhett sich wobei er sich wie alle anderen auch nach vorne lehnt um die Karte lesen zu können. Eine Landkarte wo die einzelnen Rudel Territorien in Rot markiert wurden. Die einzelnen Rote Punkte sind mit Abkürzungen versehen, welche hinweise auf die Rudelnamen geben. Wir haben auch ein Register wo alle Abkürzungen ausgeschrieben sind, aber es ist einfach, alle Abkürzungen auswendig zu lernen.

»Das werden wir sehen. Ich will dich nicht zu weit weg wissen Sverre.«, meint Dagwin an mich gerichtet. »Wenn es schief geht, will ich das du Eufrosinias letzten Worte noch mit erlebst. Ansonsten könnte ich mir das nicht verzeihen.«

»Du glaubst sie wird sterben?«, verlange ich von meinem Alpha zu wissen und muss mich dazu zwingen nicht aus meinem Stuhl aufzuspringen. Meine Gefährtin darf nicht sterben. Ich kann Eufrosinia nicht verlieren.

»Ich kann nicht in die Zukunft sehen und ich werde dir auch nichts versprechen, was ich nicht kann. Wir können nicht voraussagen, welche Maßnahmen die Geisterhexen nehmen werden. Also zwing mich nicht dazu. Bitte, Sverre.«, entgegnet Dagwin bloß und deutet auf die Karte. Er hat ja recht. Wie oft habe ich den vergangen Tagen zugegeben, dass Dagwin recht hat? Wie oft musste ich eines besseren belehren lassen, in den letzten Tagen? Ich habe keine Ahnung, wie ich auch nur ansatzweise von nutzen sein kann. Was soll ich auf einer anderen Mission machen, wenn ich meinen Kopf nicht bei der Sache habe.

Ich habe nicht von mich ins jenseits zu verabschieden. Und trotzdem werde ich meine Gefährtin folgen, wenn es nicht anders geht. Werde ich langsam verrückt? Alles was mir durch den Kopf geht ist Eufrosinia. Es gibt nichts anderes mehr als meine Gefährtin. Wieso hat kein anderer der Krieger eine Gefährtin? Wieso bin ich der einzige der sie jetzt, zu dieser Zeit gefunden hat? Hat die Mondgöttin es auf mir abgesehen? Hat diese Hexe mich auch verzaubert?

»Können wir einfach den Plan besprechen.«, seufze ich fragend während ich mit meinem Händen durch meine Haare fahre. »Ich will nicht mehr daran denken, was passieren kann und was nicht. Ich mache mir schon genug sorgen. Schon so viele, dass ich Magenschmerzen davon bekomme. Also bitte!«

»Sicher.«, meint Dagwin erleichtert wobei weiter auf die Karte sieht. »Wenn die Karte noch stimmt, was nicht unbedingt sein muss, da die Karte über fünfzig Jahr alt ist. Dann gibt es mehrere Hütten die auf dem Feld verteilt stehen. Insgesamt gibt es vier Waldwege die zu den Hütten führen und wir haben keine Ahnung mit wie vielen sie sind. Bei der Entführung von Eufrosinia waren nur zwei Geisterhexen beteiligt, aber dort kann es noch mehr geben. Wir dürfen das nicht unterschätzen. Sverre ist nicht dabei, du musst dich mit dem Kleinen Wolf Rudel auseinandersetzen.«

»Worüber?«

»In dem Rudel sind nach der Geburt einige Kinder verschwunden und ich will, dass du dich in der Gegend umhörst. Sobald wir deine Gefährtin gerettet haben, kümmern wir uns darum, aber du kannst schon mal anfangen. Dich darauf konzentrieren, du weißt schon.«, erklärt Dagwin mit einem nicken in meine Richtung. »Ich will keine Fragen über das Kleine Wolf Rudel hören.«

»Sicher, aber Kleinkinder verschwinden nicht einfach so.«, kommentiert Brandolf, lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und fängt an zu kippeln.

»Vier von uns werden uns anschleichen und jeweils einer Bewacht einen der Waldpfade. Circa hundert Meter entfernt werden die restlichen Vier warten bis wir nach Verstärkung fordern. Wir greifen in unserer Wolfsform an und kommunizieren über die Gedankenverbindung. Eufrosinia ist nicht dumm, ich hoffe sobald sie ihre Chance wittert, wird sie die Flucht ergreifen sollte sie dazu in der Lage sein. Ein ganz simpler Plan und noch Ausbau fähig, wenn die Situation danach verlangt.«

»So wie all unsere Pläne?«, lacht Rhett

»Nein, Oskar durchdenkt seine Streiche also sind ein paar der Pläne, die aus diesem Rudel stammen durchdacht.«, erwidert Aegir keck.

»Ich fang mit dem Abendessen an. Darauf hab ich kein Bock«, brummt Barachiel, steht auf und schiebt seinen Stuhl an.

Eure Linkszanne
Sonntag, der 13 Februar 2022

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