Kapitel Dreißig

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Lewis versteckte sich in einem Seitengang des Kerkers. Er traute sich nicht woanders hinzugehen, vor allem, weil er nicht wusste, wie Professor Slughorn im Nachhinein reagiert hatte. Er war sicherlich wütend darüber, dass Lewis eine Sauerei hinterlassen hatte und er diese wahrscheinlich jetzt selbst saubermachen musste. Oder er war ganz entspannt, weil er von Lewis' früheren Anfällen wusste.

In der ersten Klasse waren sie noch öfter vorgekommen. Meistens aber nur, wenn Lewis allein war oder nur mit sehr wenigen Leuten, denn er hatte sich schon damals deswegen geschämt. Nicht davor oder währenddessen, sondern immer im Nachhinein, dann bereute er immer alles.

Als Lewis so dasaß, erinnerte er sich besonders an den einen Moment, der zwar nicht in der ersten Klasse vorgekommen war, sondern in der dritten, aber dennoch sehr einprägsam verlaufen war. Es war einige Monate nach dem Tod seines Vaters gewesen. Die meiste Zeit über war Lewis in einer stillen und geistig abwesenden Trauerphase gewesen, doch es gab auch Zeitpunkte, wo sich seine tonlose Trauer in eine Explosion aus plötzlicher Wut verwandelt hatte.

Einmal passierte es, als er zu Professor McGonagall ins Büro gehen sollte. Er hatte in diesem Schuljahr immer regelmäßige Treffen mit ihr gehabt, denn sie wollte ihm helfen wieder auf die Beine zu kommen, aber oft brachte sie kaum ein Wort aus ihm heraus. Er hatte immer geschwiegen, einen bedeutungslosen Punkt auf dem Boden fixiert und gelegentlich an dem Tee genippt, den McGonagall ihm serviert hatte.

Doch aus irgendeinem Grund platzte an einem Tag alles aus ihm heraus. Heute konnte Lewis sich nicht mehr erinnern, was der Auslöser war, aber er wusste noch ganz genau, was daraufhin geschah: Er begann herumzuschreien und schmiss wahllose Gegenstände durch die Gegend. Er kümmerte sich nicht darum, dass sie McGonagall gehörten, er wollte nur seine angestaute Wut rauslassen und alles zertrümmern, was ihm in die Hände kam.

McGonagall aber sah sich das alles einfach an. Sie sagte kein Wort, legte nicht wertvolle Sachen beiseite. Nein, sie zog sich eher zurück und ließ Lewis' Wutausbruch freien Lauf.
Und das war auch gut so, denn Lewis hatte es gebraucht.

Er hatte bestimmt für eine Viertelstunde alles Mögliche durch die Gegend geschmissen und geschrien, bis ihm auffiel, dass sich rote Blutstropfen auf seinem Handgelenk ausbreiteten. Er hatte sich irgendwann in seine Handfläche geschnitten, wahrscheinlich als er eine Teetasse oder einen Spiegel kaputt gemacht hatte.

Die Narbe hatte er noch immer.

Lewis seufzte und vergrub sein Gesicht zwischen seinen Knien, mit den Händen über seinen Kopf, als könnte er sich so noch weiter vor der Gegenwart verstecken. Er wollte sich nicht mit den Konsequenzen seines Verhaltens auseinandersetzen. Das war das Schlimmste. Jeder hasste es, sich zu entschuldigen und zu erklären, warum man etwas gemacht hat – besonders wenn man nicht die Worte findet.

Was sollte er denn Slughorn sagen? Dass er den Kessel umgestoßen hatte, weil er mit dem Druck seiner Beziehung nicht klarkam, die gerade mal seit zwei Wochen existiert? Die Beziehung, die er praktisch begonnen hatte? Und dann müsste er noch den Zusammenhang mit dem misslungenen Zaubertrank erklären und das alles überschritt Lewis' Fähigkeiten.

Da hörte er Schritte, die auf dem Steinboden hallten. Lewis hielt die Luft an, er wollte nicht entdeckt werden, denn wenn es sich um einen Schüler handelte, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass Slughorn jemanden nach ihm geschickte hatte – und im schlimmsten Fall würde es sich um Sirius handeln – und wenn es ein Professor war, musste Lewis ihm erklären, warum er mitten Unterricht draußen in einer Ecke saß.

Beides war nicht erfreulich.

Die Schritte kamen immer näher. Lewis konnte sie nicht zu ordnen, nicht einmal, ob sie eher zu einem Schüler oder zu einem Professor gehörten.

of stars and shadows - eine Sirius Black FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt