Kapitel 21

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Die Jungs verbrachten die folgenden Nächte in einem Hotel. Sie durften jeden Tag zu Harry. Nach einer guten Woche wurde Harry aus dem künstlichen Koma erweckt, die Ärzte waren der Meinung, seine Lunge hatte sich gut genug erholt, den Rest würde sie auch schaffen, wenn Harry wach war. Außerdem wurde er gestern bereits auf die normale Station verlegt, denn er konnte von der Beatmungsmaschine abgeschlossen werden. Nun saß Louis neben Harry an seinem Bett hielt seine Hand und wartete darauf, dass er aufwachte. Die anderen Jungs wollten ihnen ein wenig Privatsphäre gönnen, wenn Harry wach wurde, somit saßen sie gerade im Café der Klinik und warteten, dass Louis ihnen, wie abgemacht, schrieb, dass sie hochkommen konnten.

Der junge Mann hing seinen Gedanken nach, er dachte daran, wie sehr er Harry vermisst hatte, wie sehr er seine Nähe, seinen Geruch, einfach alles an ihm vermisst hatte. Da raschelte es neben ihm im Bett. Sofort legte er seine gesamte Aufmerksamkeit auf seinen Verlobten. Am liebsten hätte er ihn bereits mit Fragen bombardiert, wie es ihm ging, dass er ihn vermisst hatte und dass er ihn liebte, doch noch hatte Harry die Augen noch nicht einmal geöffnet. Louis wollte nichts überstürzen und dem Jüngeren die Zeit geben, die er brauchte, um vollends zu sich zu kommen. Somit saß er still da, drückte seine Hand ein wenig stärker und wartete. Er begann leise zu summen.

Harry war gefangen in Dunkelheit. Dumpf erinnerte er sich daran, dass ein Pfleger ihn zu einer Untersuchung brachte. Als er tief Luft holen sollte, ging es nicht. Verzweifelt hatte er nach Luft gerungen, dann wurde ihm schwindlig und dann war alles schwarz. Nun lag er hier, Harry war sich sicher, dass er lag. Alles tat ihm weh, doch er merkte, dass jemand seine Hand drückte. Instinktiv wusste er, dass es Louis sein musste. Harry versuchte seine Augen zu öffnen, aber ganz bei Sinnen war er noch nicht, er merkte, wie er wieder ein wenig wegdämmerte. Doch die Idee, dass Louis bei ihm sein könnte, beflügelte ihn. Er konzentrierte sich, gewann die Überhand über sein Bewusstsein und schaffte es, seine Augen zu öffnen, nur um sie sofort wieder zu schließen. Er rutschte ein kleines Stück näher zu Louis, das Bett raschelte. Da hörte Louis auf zu summen. Enttäuscht öffnete Harry seine Augen wieder, diesmal darauf gefasst, dass ihn Licht blenden wird. Mit kratziger Stimme flüsterte er: „Bitte hör nicht auf." Louis lächelte ihn an und begann zu singen: „If we could only have this live, for one more day. If we could only turn back time."

Harry erwiderte den Händedruck schwach. Nachdem Louis verstummt war, beugte er sich zu Harry und presste seine Lippen auf die seines Verlobten. Wie sie beide diese Schmetterlinge, dieses Feuerwerk an Gefühlen vermisst hatten. „Harry, ich liebe dich. Ich habe dich so vermisst. Wie fühlst du dich?" Harry lächelte: „Ich habe dich auch vermisst. Lou ich liebe dich. Ich fühle mich, als hätte mich ein Bus überfahren. Was ist passiert? Warum bist du hier?" Louis erzählte ihm, was der Arzt erzählt hatte. Anschließend schrieb er seinen Bandkollegen, die auch bald darauf im Zimmer standen.

***

Da es Harry nun wieder den Umständen entsprechend gut ging, wurde die Behandlung der Lunge bald darauf fortgesetzt, somit mussten seine Freunde zurück nach London fliegen, denn von nun an durften sie ihn – wie vor dem Zwischenfall – nicht mehr besuchen.

Harry schlug die Augen auf. Ein neuer Tag voller Ärzte und Behandlungen. Ein neuer Tag ohne Louis. Allerdings der letzte. Heute hatte Harry noch einige Abschlussuntersuchungen, sollten deren Ergebnisse so ausfallen, wie die Ärzte es erwarten, flog Harry morgen heim. Eine Haarsträhne kitzelte ihn an der Nase, er wollte sie aus dem Gesicht streichen, also hob er seine Hand. Oder er versuchte es, denn sie bewegte sich zwar, aber nicht hoch genug. Harry ließ seine Hand wieder sinken. Er schloss die Augen, atmete tief ein und versuchte es erneut. Unter schwerster Anstrengung schaffte er es, seine Hand ein wenig weiter zu heben als eben, doch bis zum Gesicht kam er nicht. Er ließ die Hand erneut sinken und stöhnte frustriert auf. Er wusste, dass es bald so weit war, die Ärzte hatten ihn davor gewarnt, da er ja die Therapie für die Arme abbrechen musste. Harry wollte nicht aufgeben, er wollte trotzt des kleinen Zwischenfalls die beiden Therapien parallel weiterführen, doch die Ärzte ließen sich dazu nicht überreden. Eine Träne rann Harry über die Wange, ansonsten bewegte er sich nicht. Er lag regungslos da, bis ein Pfleger kam. Seit er auf der Intensivstation war, kamen die Pfleger nicht nur, um Harry zu seinen Therapien und Behandlungen zu bringen. Seitdem kamen sie auch, um ihn zum Essen zu holen, denn er konnte sich selbst nicht mehr in den Rollstuhl hieven. Davor brauchte er nur an schlechten Tagen Hilfe dabei, doch seitdem waren seine Arme so schwach, dass er es auch an guten Tagen nicht mehr schaffte. Heute schaffte er es ja nicht einmal sich alleine aufzusetzen. Der Pfleger betrat das Zimmer, betätigte den Lichtschalter und begrüßte Harry mit einem fragenden Blick. Bis jetzt hatte Harry immer gesessen, wenn er ihn holte, auch wenn es Qualen waren, wollte er sich die Blöße nicht geben. Die letzten Tage hatte er zwar immer länger dafür gebraucht, es unter Schmerzen aber gerade so noch geschafft, immerhin musste er dafür nur die Fernbedingung nehmen und einen Knopf betätigen, der das Kopfende des Bettes hochfährt. Doch an diese Fernbedienung kam er heute eben nicht heran. Beschämt starrte Harry die Bettdecke an und nuschelte: „Ich weiß. Ich schaff es nicht, meine Arme zu heben, somit komm ich nicht hoch." Mitleidig sah der Pfleger Harry an. Dann trat er vor, nahm die Fernbedienung und fuhr das Kopfende des Bettes langsam hoch, bis sich Harry in einer halbwegs sitzenden Position befand. Er wollte Harry gerade in den Rollstuhl heben, da sah er den Pfleger flehend an: „Kann ich bitte ausnahmsweise hier essen? Ich werde es nicht schaffen, allein zu essen und ich möchte wirklich nicht, dass im Speisesaal alle sehen, wie ich dabei Hilfe brauche." Der Pfleger lächelte: „Aber natürlich. Warten Sie, ich hole Ihr Essen." Er verschwand und kam kurz darauf wieder mit einem Tablett und Dingen, von denen er wusste, dass Harry sie gerne aß. Er schob das Tischchen übers Bett, stellte das Tablett ab und half Harry, sich bequem hin zu setzten. Dann nahm er sich einen Stuhl setzte sich nebens Bett und meinte: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer das für Sie sein muss. Aber Sie müssen sich nicht schämen, Sie können nichts dafür, außerdem sind sie stark. Sie haben es geschafft. Morgen fliegen Sie vermutlich heim. Sie müssten mir bitte nur sagen, wie viel genau ich Ihnen helfen soll, damit es für Sie so angenehm wie möglich ist." Harry war dem Pfleger dankbar, er wusste er meinte es gut. Dennoch brachten ihm seine Worte nichts, denn er schaffte es ja nicht mal seine Hand so weit nach oben zu heben, dass er das Essen nehmen konnte geschweige denn bis zum Mund führen. Heute war echt kein guter Tag. Er hatte außerdem Kopfschmerzen und ihm war schwindlig. „Ich schaff es nicht meinen Arm höher als ein paar Zentimeter zu heben, also werde ich wohl beim gesamten Frühstück Hilfe von Ihnen brauchen. Am liebsten aber bitte zuerst ein Schluck Wasser. Ich habe unfassbare Kopfschmerzen und mir ist schwindlig." Der Pfleger nickte. Er arbeitete schon lange hier, darum wusste er, dass es den meisten Patienten am liebsten war, wenn er nur das nötigste sprach. Er nahm das Glas mit dem Wasser, steckte einen Strohhalm hinein und hielt ihn Harry hin. Dieser trank ein paar Schlucke. Der Pfleger stellte das Glas wieder ab, nahm den Bagel, hielt auch diesen vor Harrys Mund und ließ ihn abbeißen.

***

Die Ergebnisse der Lunge waren mehr als zufriedenstellend, somit saß Harry nun im Privatjet von Louis und flog nach Hause. Doch er konnte sich nicht freuen. Heute ging es ihm zwar besser, auch in seinen Armen hatte er ein wenig mehr Kraft als gestern, dennoch würde er, wenn nicht ein Wunder geschah, nie wieder irgendwas alleine machen können, nicht einmal essen konnte er ohne Hilfe. Er wollte sich freuen. Er wünschte sich sehnlichst, sich freuen zu können, dass er Louis wieder sah, doch er fühlte nichts. Nicht mal Trauer oder Wut empfand er. Er war eine leere Hülle ohne Gefühle. Er wusste, dass Louis nicht zulassen würde, dass er ins Heim ging oder eine 24 Stunden Pflegekraft einstellte. Louis würde zu seiner Pflegekraft werden. Das wollte Harry nicht, doch er wusste nicht, wie er es verhindern sollte. Noch nicht.

Von der Klinik hatte er einen elektrischen Rollstuhl bekommen, den er mit nur einem Finger bedienen konnte. Noch konnte er die Finger seiner rechten Hand bewegen, die der linken waren da schon schwieriger. Somit fuhr er selbständig aus dem Jet, als dieser sicher gelandet war. Louis wartete bereits mit einem breiten Grinsen auf ihn. Als er Harry sah, wurde dieses noch breiter. Harry lächelte gequält. Als sie voreinander standen meinte Louis: „Hast du ein neues Gefährt mit nach Hause gebracht?" Harry wusste, dass Louis bewusst war, was das hieße und er wusste, dass er es ihm leichter machen wollte, doch Harry konnte darauf nichts erwidern. Er wollte, aber als er den Mund öffnete, um etwas zu sagen kam nur ein erstickter Laut heraus und er begann zu weinen. Alles was er die letzten Tage verzweifelt versuchte in sich zu behalten, verließ ihn nun. Louis beugte sich sofort zu ihm runter und umarmte ihn fest. Langsam beruhigte sich Harry wieder, dann gab Louis ihm einen Kuss auf die Stirn und wollte sich aufrichten, da meinte Harry beleidigt: „Hey, ich will einen richtigen Kuss." Louis lächelte leicht und küsste Harry. Dann richtete er sich wieder vollständig auf und sie gingen zu einem beim Hintereingang geparkten Van, in dem die restlichen Jungs bereits warteten. Louis hob Harry hinein, schnallte ihn an, verstaute den Rollstuhl im Kofferraum und setzte sich dann neben ihn. Keiner kommentierte die Szene, sie alle wussten, was das zu bedeuten hatten, niemand traute sich zu fragen. Harry wusste, dass sie nicht fragen würden, er wartete, bis sie alle im Wohnzimmer um den Couchtisch herumsaßen, bis er es ihnen erzählte, was mit seinen Armen los war. Niall setzte an, das betretene Schweigen mit dem Vorschlag, Karten zu spielen zu unterbrechen, besann sich dann allerdings, denn Harry konnte sie ja nicht halten. Also schloss er seinen Mund wieder. Kurz darauf schlug Liam vor, dass sie ja einen Film schauen konnten. Da niemand genau wusste, wie sie sich verhalten sollten, stimmten alle verhalten zu. 

Top Secret (Larry Stylinson) 1D FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt