Kapitel 12

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Dieser Mann, den ich als Marc kenne, scheint mir in diesem Moment komplett fremd zu sein. Er fuchtelt mit den Händen, wechselt mit seinem Blick ständig zwischen mir und jedem anderen Gegenstand dieses Raumes, bewegt ununterbrochen die Lippen, wandert umher, fällt auf die Knie und springt wieder auf.

Er ist völlig aufgelöst, beinahe schon verzweifelt. Meine Angst und schwindende Hoffnung scheinen auf ihn überzugreifen. Er bewegt wieder die Lippen und sein Blick ist erwartungsvoll, so als würde er auf eine Antwort warten. Er wendet den Blick wieder ab, murmelt irgendetwas. Plötzlich richtet er sich wieder auf und schreit zu mir nach oben, sein Kopf wird vor Aufregung glühend rot.

Dann fällt seine Gestalt wieder in sich zusammen und wendet sich ab.

Was soll das?

Marc ist anders als sonst, wie ausgewechselt, nicht er selbst.

Wer ist er?

Der Psychopath Marc befindet sich nicht hier, das kann unmöglich er sein.

Wer denn sonst?

Das Bild vor meinen Augen verschwimmt immer wieder und stellt sich kurz darauf wieder klar.

Du halluzinierst

Mein Kopf macht mir etwas vor, wie soll es sonst sein? Vielleicht bin ich auch bewusstlos.

Oder tot.

Aber ich spüre das Wasser an meinem Gesicht und die feuchte Luft, die ich immer weiter einatme. Schwer, feucht, erdrückend.

Dazu kommt mein unregelmäßiger Puls, der in meinen Schläfen pocht und mein Blut, das in meinen Ohren rauscht. Das anfängliche Zittern hat längst aufgehört, meine Klaustrophobie wird überschattet von allem anderen. Das Adrenalin hat meinen Körper endgültig verlassen, alles was zurückgeblieben ist, ist ein vor sich hin siechendes Häufchen Elend mit Wahnvorstellungen.

Na toll.

Das unscharfe Bild, das mein Gehirn erfolglos versucht zu verarbeiten, beginnt nun zu allem Überfluss auch noch zu wackeln und sich zu verzerren.

Ungewollt schließen sich meine zuckende Augenlider. Woher die Kraft kommt, überhaupt noch zu atmen, weiß ich selbst nicht. Vielleicht ist es auch keine Kraft, keine Stärke sondern eher eine Schwäche. Die Schwäche, nicht loslassen zu können, mich selbst nicht hierraus befreien zu können.

Jeder neue Atemzug bringt mich in erneuten stundenlang anhaltenden Schmerz, auch wenn es in Wirklichkeit wohl nur Sekunden sind. Doch darüber habe ich keine Kontrolle mehr, da mein Körper mir längst nicht mehr gehorchen will.

Sehr, sehr langsam heben sich flatternd meine Lider und geben mir nun wieder freie Sicht.

Marc -oder der Mann, den ich als Marc zu kennen glaube- kehrt mir immernoch den Rücken zu. Er wirkt viel kleiner, jünger und verletzlich. Langsam richtet sich sein Rücken wieder auf, seine Ausstrahlung geht nahtlos von mitleiderregend in übermächtig über. Noch während er wieder zu dem Marc wird, den ich als personifizierten Satan bezeichnen würde, dreht er sich zu mir um. Sein Blick ist sofort auf mich gerichtet, als wäre er genau dafür gemacht, mich zu beobachten.

Wie füreinander bestimmt.

Ich bin nicht für dieses Leben bestimmt, nicht so, nicht hier.

Füreinander bestimmt...


Halluzinationen.

Halluzinationen, Wahnvorstellungen... ausgelöst durch Dehydrierung, körperliche und seelische Erschöpfung.

Marcs Augen brohren sich in meine, er hat wieder sein hämisches Grinsen aufgesetzt. Was auch immer das vorhin war, jetzt ist keine Spur mehr davon zu sehen.

Es gehörte zu seinem Psychospiel. Er tut alles um dich zu quälen.

Sein Blick lässt mich zittern, dabei weiß ich kaum, woher dieses bisschen Energie nun schon wieder herkam.

Meine Kontrolle reicht nicht einmal mehr aus, um meine Augen wieder zu schließen und mich somit ein wenig seiner Macht über mich zu entziehen. Zu meiner Erleichterung fallen mir die Augen sogar schon selbst zu.

Danke, wer auch immer dafür gesorgt hat.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht. Ich spüre Marcs brennenden Blick, der mich zu durchzubrechen droht, doch es bleibt nur beim Quälen. Zeit kommt, Zeit geht, und ich bin immer noch in ihr gefangen wie in einem zugeschlossenen Raum. Doch zu Schlössern passt ein Schlüssel, zu einem Problem eine Lösung. Nur aus meiner Situation scheint es keinen Ausweg zu geben.

Wie viel Zeit ist vergangen? Eine Stunde, ein Tag, eine Sekunde? Ist es Tag oder Nacht, Sommer oder Winter? Wo bin ich, wer bin ich?

Fragen, die ich nicht beantworten kann.

Zeit vergeht, ich spüre nichts, sehe nichts, höre nichts. Nichts, außer dem alles verzehrenden Gefühl von Marcs sich an meinem Leiden ergötzenden Blick auf meinem Körper.

Die Zeit beginnt zu fliegen. Bin ich tot, bin ich am Leben?

Ich atme immer noch, lebe immer noch. Leider.

Meine Beine beginnen plötzlich abzusinken und mir wird erst jetzt durch die einsetzende Bewegung der Wasseroberfläche auf, dass das Wasser bis gerade eben nicht weiter angestiegen war.

Beim nächsten ungewollten Atemzug, findet zusammen mit Luft auch Wasser seinen Weg in meine Lungen. Unfähig zu husten, ertrage ich stumm das Gefühl des Erstickens. Aber ich lebe immer noch.

Gibt es sonst einen Menschen, der so viel überlebt, das andere Menschen längst umgebracht hätte? Vermutlich nicht, ich bin vermutlich die Erste einer neuen Spezies. War das vielleicht Marcs Plan? Wohl kaum.

Leicht wiegt mich das Wasser hin und her, weshalb sich meine Augen wippend abwechselnd öffnen und schließen. Ich sehe die Decke immer näher kommen, meiner Meinung nach viel zu schnell. Der für mich nutzbare Raum wird somit immer kleiner.

Natürlich sehr hilfreich für jemanden mit Klaustrophobie.

Meine Augen fallen wieder zu.

Alles wird dunkel.

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A/N

Hey hey :)

hoffe, es gefällt euch ? wie immer freue ich mich natürlich über Votes, Kommentare etc und dann kommt demnächst ja auch das nächste Kapi ^^

Wir sehen uns dann hoffentlich beim nächsten Mal!


-Kim

PerfectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt