Kapitel 3

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"Du hast also die Wahl, Prinzessin", sagt er zuckersüß und seelenruhig, während ich nur stumm abwechselnd ihn und dann das Tablett anstarre. Auf dem Tablett liegt ein bronzefarbener Schlüssel, der an ein paar Einkerbungen schon leichte Rostspuren aufweist. Insgesamt wirkt er alt und ich würde ihn instinktiv einer alten, morschen Holztür zuordnen, als der blanken, massiven Stahltür am andern Ende des Raumes.

Nimm den Schlüssel und verlasse diesen Raum, oder nimm dieses simple Glas Wasser, hallt es in meinen Kopf. Falls ich das Wasser wähle, wäre ich ja noch weiter hier, falls ich den Schlüssel nehme kann ich ganz einfach gehen.

Aber was würde denn das für einen Sinn machen? Mich entführen um mich dann gehen zu lassen?

Da kommt mir eine ganz simpler Zweifel.

"Woher weiß ich, dass ich mit diesem Schlüssel wirklich diese Türe öffnen kann?", frage ich bestimmt und mustere die Tür. Sie geht nach innen auf, wenn man sie öffnet kann man von meiner Liege nicht sehen, was sich dahinter verbirgt. Gut geplant.

"Ich hatte gehofft, dass du fragen würdest, mein schlaues Prinesschen", meint er erfreut und nimmt sich den Schlüssel. Seine Hände sind schnell, so sehe ich im einen Moment den Schlüssel und einen Wimpernschlag später geht er schon mit diesem in Richtung Stahltür.

Sein Gang ist zwar zielsicher, jedoch wirkt es ein wenig so, als sei sein Körper ihm nicht vertraut. Seine Statur ist zwar aufrecht und er ist muskulös und breitschultrig, jedoch wirkt seine Haltung in sich etwas geknickt. Durch die Art, wie jemand geht, kann man viel über seine Persönlichkeit erfahren. Doch aus ihm geht nichts hervor, kein kleinster Anhaltspunkt über sein normales Verhalten, seinen Beruf, Familie, Freunde oder sonst irgendetwas, einfach rein gar nichts.

Als er ein paar Schritte vor der Tür stehen bleibt, weist seine Haltung kein bisschen mehr von der vorherigen leichten Unsicherheit auf, dieser Mann, der dort steht, ist selbstbewusst und hat eine Ausstrahlung, die sich nicht in Worte fassen lässt.

Mit einer kurzen Bewegung wirbelt er den Schlüssel zwischen zwei Fingern und schließt kurzerhand die Tür auf. Nach einem prüfenden Blick auf mich öffnet er die Tür einen Spalt breit, doch meine Lage verhindert, dass ich einen Blick dahinter werfen kann.

Er ist clever, doch jedes System hat einen Schwachpunkt.

"Nun Prinzessin, die Wahl liegt bei dir", sagt er erneut und seine ruhige Stimme, die die scheinbar luftleere Stimme durchbricht, ist mir unheimlich.

"Ich will beides", fordere ich. Wenn ich hier momentan schon festsitze, kann ich auch auf Risiko spielen. Er will spielen, also gut.

"Ts ts ts, so gierig... Gier ist eine schlechte Eigenschaft, Prinzessin, aber mach dir keine Sorgen, ich werde dir das noch abgewöhnen." Er atmet tief und seufzt gespielt während er schon fast wieder neben mir steht.

"Also nun: wähle."

"Ich will beides", wiederhole ich. Wieso sollte ich nachgeben, nur weil irgendso ein psychisch gestörter Entführer meine Wahl als schlecht empfindet.

"Na gut, ich will mal nicht so sein", meint er und zwinkert mir mit einem Auge zu. Vielleicht denkt er, so sei er auf irgendeine absurde Weise attraktiv, doch ich habe keinerlei Aufmerksamkeit dafür übrig.

Er gibt mir tatsächlich den Schlüssel und Wasser, er macht es mir wirklich so einfach?

Es ist unmöglich, das kann doch gar nicht sein. Das wäre wohl die unwahrscheinlichste Entführung aller Zeiten, das wäre einfach bloß lächerlich.

Dass der Schlüssel tatsächlich diese Tür öffnen kann, habe ich ja gesehen, doch ich habe keine Ahnung was sich dahinter verbirgt. Und was ist mit dem vermeidlichen Wasser, ist es überhaupt Wasser?

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