Kapitel 9

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Die Mizukage-Residenz thronte über Kirigakures Zentrum wie ein Gefängiswächter. Wie alles in dieser Stadt hatte sie ihre besten Tage bereits hinter sich gelassen, doch es wurde zumindest versucht, sie instand zu halten, was mehr war als man vom Rest des Reiches behaupten konnte.

Ryoichi ging in Gedanken durch, was er sagen sollte; mindestens hundert verschiedene Szenarien waren ihm bereits eingefallen, die alle damit standen und fielen, was für eine Ansprache ihm Yagura halten würde, und obwohl er der Meinung war, den Vierten Mizukage gut einschätzen zu können, konnte es nicht mit Sicherheit sagen, was ihn erwartete. Tief im Inneren wusste Ryoichi, dass es egal war, was er sich vornehmen würde zu sagen. Am Ende lief alles darauf hinaus, dass er impulsiv irgendetwas Dummes laberte, was er im Nachhinein bereuen würde, oder aber alles mit Ja und Amen absegnete, um sich danach ordentlich selbst hassen zu können. Egal, wie er es drehte und wendete, er war nicht bester Laune, als er sich für einen Besuch beim Mizukage anmeldete. Immerhin schaffte er es sich zu seinem gewohnten Grinsen zu zwingen. Im Wartebereich dachte er kurz darüber nach, noch seinen Bericht zu schreiben. Er entschied sich dagegen.

Ryoichi verneigte sich tief, als er das Büro des Mizukage betrat, auch wenn es ihm widerstrebte. Er bot Yagura genug sonstige Angriffsfläche. Zumindest beim Verneigen konnte er sich Mühe geben.

"Sie haben mich gerufen", merkte er an, als er wieder aufschaute. Doch Yagura sah ihn gar nicht an. Stattdessen stand er mit verschränkten Armen vor dem Fenster, schaute hinaus.

"Du bist seit fünf Stunden in der Stadt, Ryoichi", merkte Yagura an, drehte sich jedoch nicht um dabei.

Ryoichi seufzte. "Ich wollte noch nicht nach Hause. Ist das schlimm?"

"Nein, nein." Yagura schüttelte den Kopf und wandte den Blick endlich von der Aussicht ab, schaute zu Ryoichi. Er fühlte sich ihm gegenüber stets alt , auch wenn der Vierte mindestens zehn Jahre älter war. Er sah jung aus und war wahnsinnig klein - Kaze hatte einmal vermutet, dass es daran lag, dass er ein Jinchuuriki war, aber Ryoichi wusste nicht, wie viel an dieser Theorie stimmte. Letztendlich war auch Utakata ein Jinchuuriki, und zwar mit noch mehr Chakra und einem mächtigeren Biest, schien aber ganz normalen Wachstum zu haben.

"Es ist lediglich keine gute Begründung", sagte Yagura und setzte sich hin, um in seinen Unterlagen zu schauen.

Ryoichi legte den Kopf schief, in einer Bemühung, überrascht ab dieser Bemerkung zu wirken. "Warum sollte ich eine gute Begründung brauchen?", fragte er gegen.

Yagura wusste Bescheid. Ryoichi atmete unfreiwillig tief durch, als ihm das auffiel. Aber das war nicht das erste Mal. Alles war gut, solange er nichts beweisen konnte.

Der Vierte hob die Augenbrauen, schien aber nicht weiter auf das Thema eingehen zu wollen. Ryoichi wusste nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.

"Wie auch immer", sagte Yagura nach einer Weile und hielt Ryoichi eine Schriftrolle entgegen. "Deshalb habe ich dich nicht herbestellt."

"Weshalb dann?", fragte Ryoichi, als er die Schriftrolle annahm. Auf einen sehr toten Blick seitens Yagura räusperte er sich. "Oh, ja, eine Mission. Hätte ich wissen müssen." Er grinste so breit, dass er selbst das Gefühl hatte, dass es unnatürlich aussah.

Yagura hob die Augenbrauen. "Oh. Hast du mit einem anderen Grund gerechnet?", fragte er. Sein dezentes Lächeln gab Ryoichi einen metaphorischen Würgreiz.

"Nah. Kann mich nur nicht erinnern, bisher postale Einladungen dafür zu erhalten", versuchte er, sich herauszureden, und öffnete endlich die Schriftrolle.

"In dem Fall solltest du öfter deine Post lesen", merkte Yagura noch an, ließ Ryoichi aber erst einmal lesen. Er war nie ein begnadeter Leser gewesen, zu wenig hatte er sich als Kind dafür interessiert und seit er Ninja war, fehlte ihm die Zeit und die Konzentration dafür. Unterstützend hatte er das Gefühl, dass Yagura in den Aufträgen an ihn ganz besonders viele besonders seltene Kanji verwendete, deren Bedeutung sich ihm nur aus dem Zusammenhang erschloss, wenn überhaupt.

Je mehr er las, desto mehr hatte er sowohl einen bitteren Geschmack wie ein saures Brennen im Mund. Dies hier war eine Mission vom Rang B - er machte das nicht gern. Und seine Befürchtungen wurden unangenehm bestätigt, als er feststellte, dass es sich um einen Assassinationsauftrag handelte.

"Das sind Chunin", stellte er fest, als er die Gesichter der beiden Ziele betrachtete. Die Informationen über sie waren knapp gehalten und je länger Ryoichi sie anstarrte, desto weniger hilfreich fand er sie.

"Du auch", sagte Yagura, wirkte reichlich amüsiert, auch wenn er sich wohl bemühte, sich das nicht anmerken zu lassen.

"Ja, ja. Stimmt." Ryoichi schloss kurz die Augen, um in sich zu gehen und seine Wut herunter zu schlucken. Er entschied sich dagegen anzumerken, dass das Kinder waren - Yagura wusste das selbst. Nichts hieran war zufällig. Die Ziele waren Geschwister, die Ältere gerade einmal sechzehn. Er wusste, dass sie beide in der Vergangenheit Aufträge für Zabuza erledigt hatten, genau wie er. Und er wusste, dass es sich hierbei nicht um eine neue Mission handelte. Es war eine Falle.

"Ich nehme an, ich soll sofort los?", fragte er. Es kostete ihm viel Mühe, seine Stimme soweit im Griff zu haben, dass sie nicht schwankte, auch wenn ihm bewusst war, dass diese Mühe Yagura gegenüber vergeudet war.

"Besser wäre es", sagte dieser. "Hast du Fragen?"

Ryoichi biss sich leicht auf die Unterlippe, sein Blick klebte an dem ausgerollten Papier. Er hatte viele Fragen, doch er würde keine davon stellen, da er sie sich allesamt selbst beantworten konnte. "Nein, habe ich nicht", sagte er, leiser als gewollt.

"Dann darfst du gehen", wies Yagura an, woraufhin Ryoichi sich noch einmal verneigte und ohne Umschweife daran machte, den Raum zu verlassen. Als er die Tür schon offen hatte, erhob Yagura jedoch noch einmal die Stimme.

"Ich werde Utakata von dir grüßen."

Ryoichi zog die Augenbrauen zusammen. Er versuchte, sich an der Körperhaltung nicht anmerken zu lassen, was ihm ihn vorging, und er wusste, dass es ihm misslang. Nicht nötig, wollte er sagen. Doch stattdessen sagte er nur: "Das ist aufmerksam von Ihnen. Danke."

Dann ging er.

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