Kapitel 17

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    Junri erwähnte, sie würde sich bei Yagura melden, sobald sie zurück in Kiri war. Ryoichi nahm das als Zeichen, einfach nichts dergleichen zu tun. Es war nicht so, dass seine Existenz all ihre Bedeutung verloren hätte - tatsächlich war ihm schon vor einer ganzen Weile aufgefallen, dass es die nie gegeben hatte; und es fiel ihm schwer die mentale Energie aufzubringen, um etwas dagegen zu unternehmen. Zumindest im Moment. Er würde ein paar weitere beschissene Aufträge machen. Ein paar für den Mizukage. Ein paar weniger beschissene für Zabuza bis der Tag kam und sie hier alles umkrempeln würden.

Auf halber Strecke zurück ins Dorf ging die Verletzung wieder auf, die ihm Junri an der Taille verpasst hatte. Sie hatte nichts Wichtiges getroffen, aber Bauchverletzungen bluteten häufig unnötig und er spürte den Volumenmangel in Körper und Geist gleichermaßen. Die Kälte Kirigakures kroch ihm immer weiter unter die Kleidung, verstärkte die Effekte der Verletzung sowie des Schlafmangels, auch wenn ihm reichlich spät erst wieder einfiel, dass er seit der letzten Mission sich nicht einmal hingesetzt hatte, um sich ein wenig auszuruhen, den Tee bei Utakata ausgenommen.

Utakata, dachte er mit aufgeregtem Ziehen in der Magengrube und er schalt sich dafür. Aber vielleicht... Vielleicht gab ihm dieser Gedanke die nötige Kraft, es noch konzentriert und normal bis nach Hause zu schaffen und dann... Dann musste er noch die Fuin an der Tür lösen, das war kein Problem, das bekam er hin. Vermutlich. Hoffentlich.

Ryoichi ächzte leise, wischte sich nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht, die an der schweißigen Stirn klebten. Er war sich sicher, dass er selten so einen anstrengend Rückweg nach Kiri gehabt hatte, und es dauerte nicht nur eine gefühlte Ewigkeit, bis er zurück in den beklemmenden Straßen des Dorfes war. Der lange Weg bereitete ihm sowohl physischen Schmerz als auch quälende Gedanken. Wenigstens war es thematisch passend zu Kiri.

Als Ryoichi den Hausflur seiner Wohnetage betrat, musste er fünfmal intensiv Blinzeln, um zu verinnerlichen, dass das, was er sah, der Realität entsprach. Es fühlte sich an wie ein Eimer eiskalten Wassers, der ihm unverhofft ins Gesicht gekippt worden war.

"Utakata?", fragte er mit fahler Stimme, zwang sich zu einem ebenso farblosen Grinsen.

"Ryoichi!" Utakata erhob sich. Hatte er allen ernstes vor seiner Tür auf ihn gewartet? Einfach so? Es hätte gut möglich sein können, dass Ryoichi länger unterwegs gewesen wäre, hätte er dann auch die ganze Zeit da gesessen? "Du bist verletzt."

"Oh. Stimmt." Ryoichi stand neben sich und beobachtete sich bei der dümmsten Aussage, verspürte aber kein Bedürfnis, in den eigenen Körper zurück zu gehen. Da war nichts, was ihm im Moment Freude bereitete. Außer... Außer Utakata. Vielleicht. Er räusperte sich. "Was verschafft mir die Ehre?" Er straffte seine Körperhaltung ein wenig und ging zu seiner Tür, um nicht die ganze Zeit Utakata anzustarren als wäre der eine Erscheinung.

"Ich... Ich wollte mit dir reden." Utakata klang, als müsste er sich davon selbst noch überzeugen.

"Whoah. Ja, ich schätze das passiert grad." Ryoichi schloss die Augen um tief durchzuatmen. Er konnte nicht fassen, was gerade aus seinem Mund heraus blubberte, aber es fiel ihm schwer, zu viele Gedanken daran zu verschwenden, denn der dreckige Laminatboden sah gerade viel zu attraktiv aus. Er fragte sich, ob er sich die Schwäche erlauben durfte, sich einfach hier und jetzt hinzulegen.

"Vielleicht, hm. Drinnen." Utakata legte ihm eine Hand auf den Oberarm und Ryoichi schaute aus wenig konzentriertem Blick auf. "Soll ich mir... das anschauen? Das sieht übel aus - ist alles in Ordnung?"

Ryoichi grinste, weil er nicht wusste, was er sonst mit seinem Gesicht machen sollte. "Ich muss die Tür noch aufkriegen. Ansonsten alles super."

"Du hast Fuin drüber?" Utakatas Blick wurde seltsam besorgt. Einmal mehr fiel Ryoichi auf, was für wunderschöne und gleichzeitig unfassbar traurige Augen er hatte, und er musste den Kopf schütteln, um sich zu konzentrieren und nicht albern in unangebrachtem Kitsch zu schwelgen.

"Ja. Aber kein Problem. Das ist schnell gelöst." Ryoichi wollte sich hinknien, ließ sich aber mehr ungelenk fallen, und legte die Hände an die Tür. Er sog scharf Luft ein, dann versuchte er, das Siegel zu lösen. Chakra musste sehr präzise in Bahnen geleitet werden, und zwar nicht irgendwelche, sondern jene, die er vor einiger Zeit selbst festgelegt hatte.

Ryoichi brach den ersten Versuch ab, startete erneut. Er hatte das Muster sehr genau im Kopf, so schwer war es nicht. Seine Chakrakontrolle war seit jeher ausgezeichnet, es war eine großartige Idee mit den Fuin gewesen, in jeder Situation absolut angemessen und...

Nach dem vierten Versuch schlug Ryoichis Stirn gegen die Tür. Er schmunzelte beim Gedanken daran, dass ihm die ganze Zeit Utakata beim Versagen zuschaute und wie unnötig es war, dass er sich deshalb schlecht fühlte. Was hatte Utakata erwartet? Er kannte ihn. Er wusste, dass er sein Leben nicht im Griff hatte. Und trotzdem war er hier.

Als Utakatas Hand seine Schulter berührte, zuckte er leicht zusammen, schaute auf. "Lass mich dir nur etwas Chakra geben", sagte er mit mildem Lächeln, das Ryoichi erwidern musste.

"Sieht nicht aus, als könnt ich deine Almosen grad ablehnen." Ryoichi lachte unangemessen. Dann jagte eine Welle an Energie durch seinen Körper, verdrängte den Schmerz und die Müdigkeit für einen Moment. Die Erleichterung dauerte nicht lange, genügte jedoch, dass er das Fuin lösen konnte und sich nicht gezwungen sehen musste, Utakata zu fragen ob sie ihr Gespräch oder was auch immer er wollte nicht auf einer Parkbank vollziehen wollten. Es war Ryoichi nicht einmal unangenehm, als er die Tür öffnete und ihnen eine Wand aus abgestandener Luft entgegen schlug. Er war einfach nur froh, sich endlich hinlegen zu können. Oder dann zumindest zeitnah.

"Mach's dir bequem. Und lass die Schuhe an, der Boden ist richtig räudig."

Utakata, der sich gerade nach unten geneigt hatte, hielt inne. Er warf einen prüfenden Blick auf den Boden, schaute unsicher auf, aber Ryoichi grinste nur schief und ließ sich dann der Länge nach auf seine abgewetzte Couch fallen. Die war mal ein echter Glücksfund im Sperrmüll gewesen, er hatte sie nicht einmal komplett neu beziehen müssen!

Leider verließ ihn die Welle an Energie eben so schnell wieder, wie sie gekommen war. Die Schwere seines realen, physischen Körpers zog ihn immer tiefer in die Ritzen der Couch und hätte Utakata sich nicht neben ihn gehockt, hätte er dessen Anwesenheit direkt vergessen.

Nichts ist ZufallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt