Kapitel 8

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    Ryoichi hatte Zabuza das erste Mal wahrgenommen, noch bevor er ihn persönlich getroffen hatte. Es war nach dem Krieg gewesen, vielleicht ein, zwei Jahre nach Ryoichis Akademieabschluss, als die Nachricht herum gegangen war, dass ein Schüler mit dem Namen Momochi Zabuza alle Kinder der Abschlussklasse umgebracht haben sollte. Wie komisch, hatte sich Ryoichi damals gedacht. Einer hätte doch gereicht.

Obwohl seine Schwester eine der Sieben Schwertkämpfer gewesen war, in deren Ausbildung sich daraufhin Zabuza befunden hatte, hatten sie nie wirklich miteinander zu tun gehabt. Ryoichi hatte seit jeher einen Bogen um die Schwertkämpfer gemacht, eher Zeit mit Kazes Teamkameraden verbracht als mit ihren Schwertkollegen, und das auch nie bereut. Es war erst nach Kazes Tod und seinem Umzug nach Kirigakure gewesen, dass Zabuza auf ihn zugekommen war, um ihn für ein gemeinsames Ziel anzuheuern, und er hatte nicht viele Argumente gebraucht, um Ryoichi zu überzeugen.

„Das ausgelagerte Archiv im Westen der Hauptinsel", sprach Zabuza über den Wind, der so laut wehte, dass er ihre Gesprächsfetzen direkt übertönte. Der kleine Balkon eines leer stehenden, verfallenen Gebäudes schützte nur sehr wenig vor den kräftigen Ozeanwinden, die Kirigakure regelmäßig heimsuchten und zumindest für kurze Zeit den Nebel vertrieben. „Kennst du es?"

Ryoichi nickte langsam. Er übernahm oft Kurierdienste und Botengänge, da das meist Missionen waren, die nicht über den C-Rang hinaus ging, und er hütete sich davor, irgendetwas anzunehmen das darüber lag. Zum Reden kam er jedoch nicht, zu groß war sein Frust darüber, dass der starke Wind und ein leeres Feuerzeug ihn daran hinderten, sich erfolgreich eine Zigarette anzuzünden.

Zabuza ächzte leise und reichte ihm ein Sturmfeuerzeug. „Behalt es."

Ryochi gluckste leise. „Deine Almosen werden immer großzügiger."

Zabuza sparte sich einen Kommentar dazu, reichte ihm noch zusätzlich eine Schriftrolle. "Lies dir das genau durch. Steht alles drin, was du wissen musst."

Ryoichi nickte, zog tief. In dem unruhigen Wetter entspannte ihn rauchen besser als es sollte. „Und sonst?"

"Entledige dich des Archivs."

Er schaute auf, grinste. „Wünsche?"

Zaubuza schüttelte den Kopf. „Mach wie du willst, aber mach es gut."

Ryoichi gluckste. Dem würde er mit Vergnügen nachgehen. Es war schon mindestens ein Jahr her, seit er sich das letzte Mal eines Gebäudes hatte entledigen müssen, und um ehrlich zu sein war das seine liebste Art an Aufgabe. Als Zabuza ihm ein Bündel Geld unter die Nase hielt, schaute er erneut auf, nahm es an, zählte grob durch. Eigentlich war der Betrag ihm egal, er würde diese Aufträge auch ohne Bezahlung erledigen. Aber Zabuza und er wussten beide sehr gut, dass zumindest ein wenig finanzielle Sicherung nie schadete.

„Reicht es für die Miete?", erkundigte sich Zabuza, woraufhin Ryoichi feixte.

„Würdest du mir mehr geben würde ich nein sagen?"

"Nein", antwortete Zabuza.

Ryoichi lachte leise. Er zog an seiner Zigarette, blies den Rauch in den Wind, richtete seinen Kragen wieder auf. Die beißende Kälte bahnte sich viel zu schnell den Weg durch alle Kleidungsschichten - er war wirklich nicht gemacht für dieses Wetter und er hatte es seit jeher auf seine entfernte Verwandtschaft in Kumogakure geschoben.

Er schielte zu Zabuzas Schwert, dass sich erst seit ein oder zwei Jahren in dessen Besitz befand. Gut für ihn, dass dieses Schwert zurück nach Kirigakure gekommen war.

„Hast du mit deinem Jinchuuriki-Freund noch Kontakt?", erkundigte sich Zabuza, was Ryoichi verwunderte. Eigentlich ging er immer, wenn sie geklärt hatten, was geklärt werden musste.

Zur Antwort schüttelte Ryoichi den Kopf. „Treff ihn manchmal zufällig. Mehr nicht." Er sagte das locker, auch wenn es weh tat. Aber das musste Zabuza nicht wissen. „Eigentlich bist du die einzige Person, die ich regelmäßig sehe, so traurig es ist. Wie geht es Haku?"

"Hm", machte Zabuza und schien nicht vorzuhaben, auf die Frage zu antworten. Ryoichi seufzte. In Ordnung. Er hatte kurz geglaubt, dass er tatsächlich mit ihm ein privates kleines Gespräch führen konnte, aber offenbar war das nicht in Zabuzas Interesse gewesen. Vermutlich hatte er wirklich nur wissen wollen, ob von Ryoichis ehemaliger Freundschaft mit Utakata eine Bedrohung ausging.

Ehemalige Freundschaft - was für eine blöde Bezeichnung, Ryoichi hasste sich selbst ein wenig dafür. Aber er wusste nicht, wie er es sonst nennen sollte. Es war jetzt schon vier Jahre her, dass sie sich regelmäßig gesehen hatten. Und dann war da noch dieser Sommer gewesen...

Ryoichi erhob sich, ließ die Schultern etwas kreisen und schnippte dann seine Kippe in den Wind. Ein Sturm hatte vor mehreren Jahren die elektronische Versorgung dieses Blocks komplett lahmgelegt und es war nicht repariert worden - alle, die hier wohnten, taten dies illegal, als Besetzer. Ryoichi hatte erst damit gerechnet, auch eine Wohnung besetzen zu müssen als er nach Kazes Tod nach Kiri gekommen war, aber durch Zabuza hatte er doch eine zur Miete gefunden. Viel dazu gewonnen hatte er dadurch letztendlich nicht, aber es war ihm auch ganz Recht, den Jagdninja es zumindest marginal schwerer machen zu können in dem Falll, dass sie seine Wohnung durchsuchen wollten.

„Wie lange müssen wir uns noch mit diesem ganzen Kleinkram herum schlagen?", fragte Ryoichi, lehnte sich an das marode Geländer.

Zabuza ließ seinen Blick über Kiri schweifen. „Nicht mehr lange", antwortete er dann. „Wir haben fast alles."

Ryoichi war überrascht, das zu hören, und obwohl man ihm die Verwunderung gut ansehen konnte, sprach er es nicht aus. Fast alles. Das war ja... fast alles? Er wusste nicht genau, was Zabuza eigentlich genau plante, aber das war abgesprochen und letzten Endes besser so. Ryoichi wollte nicht über Hintergründe Bescheid wissen; er füllte nur Aufträge, weil ihm das leichter fiel und er außerdem so nicht aus Versehen wichtige Informationen verraten konnte.

„Ich schreibe dir, wann wir uns das nächste mal sehen werden", informierte Zabuza ihn schließlich, woraufhin Ryoichi nickte.

„Klar, klar. Ansonsten melde ich mich."

Die beiden musterten sich noch einen Moment, in dem Ryoichi beunruhigt feststellte, wie ausgeglichen Zabuza heute gewirkt hatte; dann hoben sie beide zum Abschied die Hand und im nächsten Moment war Zabuza über das Geländer hinweg verschwunden. Ryoichi seufzte. Er hoffte, dass es einfach nur das Wetter war, dass Zabuzas Laune verursacht hatte. 

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