Nichts ist Zufall

Kapitel 15

Obwohl Ryoichis Blick dem Geschehen folgte, konnte er nicht von sich behaupten, irgendetwas von den Vorgängen zu verinnerlichen oder auch nur zu verstehen. Anstatt sich zu Kaze und Shirane zu begeben, ging er ohne Begleitung in den Vorbereitungsraum. Er hatte bestanden, er war offiziell Ninja. Ryoichi hatte erwartet, sich darüber zu freuen, aber dieses Gefühl blieb aus. Er war nicht verletzt, er war nicht einmal wirklich außer Atem, er hatte keinen Grund sich zu beschweren.

Die Haut an seinen Händen spannte; das Blut hatte angefangen zu trocknen. Ryoichi ging es abwaschen - wenn er dann mit Kaze und Shirane essen ging, würde es stören. Er drehte den kleinen Wasserhahn auf, der laut quietsche. Prompt lief eiskaltes Wasser heraus und Ryoichi hielt die Hände herunter, begann zu schrubben.

Er verstand nicht. Shinobi brachten Leute um. Das wusste er und er hatte Kaze und Shirane auch schon oft bei der Ausführung ihres Berufes gesehen und immer gewusst, dass er es selbst bald machen würde. Eine ganz normale Sache, wie einkaufen gehen oder den Müll rausbringen. Aber nichts daran ließ ihn sich gut oder stolz fühlen, dabei sollte er doch vor allem das sein: Stolz, die Prüfung abgelegt zu haben! Die Erwachsenen betonten ja schon immer, wie anstrengend und unbelohnend es war, erwachsen zu sein, vielleicht gehörte das einfach zu diesen unliebsamen Erwachsenendingen? Ryoichi begriff es nicht.

Das Blut stellte sich als klebriger heraus als erwartet, dabei sollte es im kalten Wasser doch besonders gut lösbar sein. Ryoichi versuchte es erst mit Seife, doch als das nicht half, griff er zu dem Nahe hängenden Metallschwamm, der sicher zum Säubern von Waffen hier lag. Ryoichi aber hatte gar keine eigenen Waffen benutzt. Nur seine Hände. Demnach waren die auch irgendwie Waffen?

Der Stahlschwamm tat weh auf der Haut und Ryoichi stellte rasch fest, dass er nur für noch mehr Blut sorgte. Jetzt war auch sein Gesicht nass und er... er verstand es nicht. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm.

"Ryo...", sagte Shirane schlaff und hockte sich zu ihm. "Was machst du denn da?"

"Ich - ich hab mir nur die Hände gewaschen", versuchte Ryoichi zu erklären, der seinerseits aber keine Erklärung dafür hatte, warum ihm auf einmal Tränen über die Wangen strömten. "Es, es ging nicht sauber, jetzt tut es weh."

Shirane seufzte und holte ein Tuch und etwas Verband aus seiner Bauchtasche. Erst tupfte er Ryoichi vorsichtig die Hände trocken, dann verband er sie. Dafür, dass Shirane sehr große Hände hatte, arbeitete er viel behutsamer als Kaze. Ryoichi fand es gut, dass er auch immer mit dabei war. Er lächelte schief, wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht.

"Dein Glücksbringer hat geholfen, Aniki", sagte er dann und grinste. Es war nicht einfach zu grinsen.

Shirane öffnete den Mund, aber Kaze trat in dem Moment ein und Shirane machte einen Schritt beiseite, um sie vorbei zu lassen.

"He, Nee-san, ich hab weniger als fünf Minuten gebraucht, jetzt muss Aniki alles bezahlen."

"Du warst viel zu unvorsichtig", schalt ihn Kaze sogleich und fuhr ihm sehr energisch durch die Haare. Ob sie sah, dass er geweint hatte? Hoffentlich nicht. "Du sollst nachdenken, Ryoichi. Das hat nur funktioniert, weil der Junge wirklich lächerlich war. Aber er hätte auch nur so tun können und dann wärst du mit deiner Arroganz sehr aufgeschmissen gewesen!"

Ryoichi hörte nicht auf zu grinsen, weil er nicht wusste, was er sonst mit seinem Gesicht machen sollte. "Aber ich wusste ja, dass er nichts kann! Es war alles gut und jetzt bin ich..."

"Nichts ist gut, Ryoichi", unterbrach Kaze ihn harsch.

"Kaze...", sagte Shirane leise zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter, aber sie ließ sich davon nicht beeinflussen.