4. Kapitel

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Ich ging zurück in mein Zimmer, um auf die Nacht zu warten. Denn dann bekam ich die Fähigkeit mit dem Schatten zu verschmelzen. Zumindest kam es mir so vor. Ich starrte aus dem Fenster und verlor mich im verworrenen Muster der Wellen. Ich hatte vergessen, wie schön die See war. Ob wir bald einem Schiff begegnen würden? Das wäre spannend. Denn wenn meine Errinerung mich nicht täuschte, konnte das Leben auf dem Wasser recht langweilig sein. Ich hörte das Knarren der Planken, als alle langsam in die Koje gingen. Ich atmete tief durch. Es war soweit. Ich sah mich noch einmal um. Dann öffnete ich das Fenster und stieg hinaus. Es war warm draußen. Angenehm. Ich stieg mit meinen Füßen auf den schmalen Grat und kletterte am Schiff entlang. Da kam die Reling in Sicht und so leise wie möglich ließ ich mich hinüber gleiten. Kaum ein Laut war zu hören. Ich stand hinter ein paar Fässern und lauschte auf Stimmen. Nichts. Ich lugte vorsichtig über die Kisten hinüber. Die Leute, die eigentlich Wache halten sollte, schliefen tief und fest. Wenn der Käptn das wüsste. Doch die Wachen schnarchten so laut, dass sie nicht einmal gehört hätten, wenn ich jodelnd an einem Seil an ihnen vorbei geschwungen wäre. Trotzdem schlich ich zum Monstermaul und ließ mich so leise wie möglich hinabgleiten. Dieser Weg war viel einfacher. Ich kauerte mich im Inneren des Monsters zusammen. Ich verfluchte mich, mir keine Decke mitgenommen zu haben. Denn obwohl die Luft angenehm warm war, war das Wasser eisig kalt. Ich zitterte und schlang die Arme um meinen Körper. Ich schloss die Augen. Und trotz der Kälte schlief ich ein. Ich riss die Augen auf. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Ruckartig hob ich den Kopf. Wie spät ist es? Ich krabbelte so schnell ich konnte raus. Die meisten der Crew liefen schon an Deck herum. Der Weg schied also aus. Ich bekam Panik. Was soll ich jetzt machen? Blieb nur noch der anstrengende Weg an der Schiffswand entlang. So schnell ich konnte krabbelte ich aus dem Maul und hangelte mich an der Schiffswand entlang. Meine Arme taten so weh und ich war den Tränen nahe. Endlich kam mein Fenster in Sich und mit letzter Kraft fiel ich in den Raum hinein. Ich wollte einfach nur auf dem Boden liegen bleiben und darauf warten, dass meine Arme nicht mehr wehtaten. Doch ich rappelte mich auf, schloss das Fenster und legte mich schnell ins Bett. Sicher ist jemandem aufgefallen, dass ich nicht im Bett lag. Zumindest dem Bootsmann sollte das aufgefallen sein. Aber er würde nichts sagen. Denn wie sollte er erklären, warum er in mein Zimmer geguckte hatte. Ich ließ mir schnell eine Ausrede für mein Verschwinden einfallen und schloss die Augen. Das war keine Lösung für immer. Irgendwann würde man mich erwischen. Aber vorläufig war das die einzige Möglichkeit am Leben zu bleiben. Da hörte ich ein Poltern und jemand stürmte den Flur entlang. Ich kauerte mich zusammen und versuchte einen schlafenden Eindruck zu machen. Da riss jemand die Tür auf. Ich tat als wäre ich gerade erst aufgewacht. In der Tür stand Davy Jones.

„ Was ist denn los?“ fragte ich schlaftrunken und setzte mich auf. Der Käptn warf dem Bootsmann, der hinter ihm stand einen düsteren Blick zu. Dieser sah mich an, als wäre ich gerade vom Himmel gefallen.

„ Der Bootsmann hatte behauptet, dass du verschwunden wärst.“ sagte der Käptn. Ich sah ihn an. „ Oh, das stimmt. Aber das mache ich nicht mit Absicht. Ich laufe manchmal im Schlaf durch die Gegend und der Bootsmann hat mein Zimmer wahrscheinlich betreten, als ich nicht da war. Was wollten sie eigentlich in meinem Zimmer?“ fragte ich und betrachtete den Bootsmann. Der stotterte etwas von „ wecken“ und

„ arbeiten“. Ah, ja. Auch der Käptn betrachtete den Bootsmann und er schien zu wissen, was die wahren Gründe wahren. „ Nun, dann würde ich ihnen empfehlen lieber jemand anderen zu beauftragen, der Mrs. Li weckt.“ sagte der Käptn, drehte sich um und verließ mein Zimmer. Der Bootsmann sah mich wütend an und folgte Davy Jones. Ich grinste. Das war ein Schlag unter die Gürtellinie. Ich grinste und stand auf um mich anzuziehen. Ich zog auch ein Stück Papier aus meiner Tasche und machte mir eine kurze Notiz. Das war so eine Angewohnheit von mir. Bei wichtigen Dingen machte ich mir immer Notizen. Und wenn ich dann irgendwann alt bin, schau ich mir das an und denke darüber nach. Diese Notiz war kurz und sagte nur etwas über das Maul des Monsters und den Bootsmann. Ich nahm einen Kamm und fuhr mir durch die Haare. Nur weil ich ein Pirat war, muss ich  längst nicht wie einer aussehen. Ich nahm einen Gummi und band mir die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ich schnallte mir mein Schwert um und steckte meinen Dolch ein. So, dass man sie gut sehen konnte. Ich strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und atmete noch einmal tief durch. Ich verließ das Zimmer und begann meinen zweiten Tag auf der Flying Dutchman.

Die Macht der Lilie *Abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt