Kapitel 3: Ivys Vater macht einen Deal

283 18 5
                                    

Mister Steel bestand darauf, dass Ivy sich am nächsten Tag ‚hübsch machte'. Die Toga, die Ivy anzog, bestand aus mehreren Bahnen weißer Seide. Ein alter Hausdiener half ihm, die Toga richtig anzuziehen. Er schmückte Ivys Haar mit goldenen Haarspangen und sprühte ihn mit einem blumigen Parfüm ein.

Dann wurde Ivy wieder auf sein Zimmer geschickt. Mister Steel wollte sich noch ein Weilchen mit Elias Fallstar ungestört unterhalten, bevor Ivy und er sich kennenlernen durften. Er versicherte Ivy, dass es nur darum ging, ob Elias Fallstar Ivy auch wirklich verdient hatte – schließlich war Ivy Mister Steels ‚Ein und Alles'.

Also saß Ivy wieder mal auf dem vertrauten Platz vor dem Fenster in seinem Zimmer und schaute hinaus. Draußen war Herbst. Die goldenen Blätter der Bäume segelten zu Boden und Ivy sah ihnen hinterher. Die Angst und Panik, die er in der Nacht noch ausgestanden hatte, waren einer dumpfen Nervosität gewichen.

Ob dieser Elias Fallstar und ich wohl viele Spaziergänge machen werden, wenn wir Mates sind?, fragte er sich. Wie er wohl ist? Ich hoffe, er ist ganz anders, als die Alphas, vor denen Papa mich immer warnt. Ich hoffe, er ist freundlich und liebevoll.

Ivy begann, an seinen Fingernägeln herumzukauen. Aber nach einer Weile erinnerte er sich daran, dass sein Vater bestimmt böse mit ihm sein würde, wenn er an so einem wichtigen Tag mit zerkauten Fingernägeln auftauchte, und er zwang sich, es wieder zu lassen. Stattdessen zupfte er unruhig an den seidenen Stoffbahnen, die sich um seinen Körper schlangen. Ich fühle mich wie eine Mumie. Eingewickelt und parfümiert.

Aus dem Salon konnte er schon seit einer ganzen Weile gedämpfte Stimmen hören. Endlich klopfte es wieder an der Tür.

„Sie dürfen jetzt zu Ihrem Herr Vater und dem ehrenwerten Gast", informierte der Hausdiener Ivy förmlich. Ivy nickte. „Ich komme."

Mit klopfendem Herzen folgte er dem Diener ins Wohnzimmer. Schüchtern trat er durch die Tür, und einen Augenblick hielt er den Kopf noch gesenkt, bevor er zögerlich den Blick hob, um den Neuankömmling – den Alpha, den Mate, den sein Vater für ihn ausgesucht hatte - anzuschauen.

Das erste, was Ivy bemerkte war der herbe Geruch von Wald und Honig, der in der Luft lag. Ein schwerer dominanter Duft, typisch für einen Alpha. Ivy wurde davon schwindelig. Seine Lippen öffneten sich leicht.

Der fremde Alpha saß neben seinem Vater an der großen Esstafel im Wohnzimmer. Er war groß und breitschultrig und mindestens fünf Jahre älter als Ivy. Er drehte den Kopf und fing Ivys Blick ein – seine Augen waren grau und kalt und ließen die von Ivy nicht los. Ivy spürte, wie er weiche Knie bekam. Es war ein hungriger Blick und Ivy kam es vor, als würde seine Haut prickeln, als der fremde Alpha ihn von Kopf bis Fuß musterte.

Unwillkürlich musste Ivy wegschauen. Der Blick des Alphas war so stark und selbstbewusst; er schien Ivy ganz für sich zu vereinnahmen.

„Ah, das ist er also", sagte der Alpha zu Mister Steel. Seine Stimme war tief und selbstsicher. Er klang wie jemand, der niemals an sich selbst zweifelt. Er klang wie jemand, der es gewohnt war, zu befehlen. Und dann, an Ivy gewandt, fügte der Alpha hinzu: „Komm her."

Ivy spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoß. Zögerlich gehorchte er. Schritt für Schritt nährte er sich dem Alpha, bis er schließlich ungefähr einen Meter entfernt von ihm stehen blieb. Der Alpha stand auf. Er überragte Ivy um ungefähr einen Kopf.

„Darf ich ihn berühren, Mister Steel?", fragte der Alpha Ivys Vater. Der nickte eifrig. „Aber natürlich!"

Der Alpha streckte die Finger nach Ivy aus und Ivy konnte nicht verhindern, dass er wie ein scheues Tier zurückzuckte. Der Alpha lachte. „Er ist ein bisschen schüchtern, nicht wahr? Nun, ich nehme an, das gehört sich für einen Omega so."

Die Finger griffen nach Ivys Kinn, hoben es an und drehten Ivys Gesicht von der einen Seite zur anderen. Ivy erschauerte unter der Berührung. Er redet gar nicht mit mir, dachte er frustriert bei sich. Bloß über mich. Ich mag ihn nicht.

Währenddessen gab der Alpha einen Laut der Anerkennung von sich. „Sie haben nicht zu viel versprochen. Er ist wirklich ein außergewöhnlich schöner Omega. Und gut erzogen, wenn Sie mir die Bemerkung erstatten."

„Zu freundlich", antwortete Ivys Vater kriecherisch.

Der Alpha ließ Ivy wieder los und trat einen Schritt zurück. Dann fiel sein Blick auf Ivys Hände, und er packte Ivys Handgelenk und betrachtete Ivys Fingernägel.

„Was ist das?", fragte er mit zusammengekniffenen Augenbrauen.

„Was ist was?!", wiederholte Ivys Vater entsetzt.

Zum ersten Mal an diesem Abend sagte Ivy etwas. „E-es sind nur meine Fingernägel...", stotterte er.

„Hast du etwa schon wieder an ihnen herumgekaut?", fuhr sein Vater ihn an. „Ich hab dir doch schon tausendmal gesagt, dass du das nicht tun sollst – schau, wie hässlich deine Hände jetzt sind, ganz rot und entzündet! Und das auch noch an so einem wichtigen Tag!"

Ivys Augen füllten sich mit glitzernden Tränen. Normalerweise war sein Vater nicht so streng mit ihm.

„Lassen Sie es gut sein, Mister Steel", sagte der Alpha und ließ Ivys Handgelenk wieder los. „Dieser Omega mag nicht perfekt sein, aber er ist nahe genug dran. Und mit dem Nägelkauen wird er schon noch aufhören. Ich nehme ihn."

Verschiedene Gefühle durchzuckten Ivy, als er diese Worte hörte. Allen voran kam Scham – wie sein Vater und dieser Alpha über Ivys Nägelkauen redeten, war einfach nur erniedrigend. Als wäre er ein Haustier, das nicht stubenrein war. Ja, genau so redeten sie über ihn. Für einen kurzen Moment spürte er Wut in sich aufsteigen, dann schluckte er sie wieder hinunter und stand mit Tränen in den Augen da. "Ich nehme ihn." Er hatte den Satz zwar gehört, aber noch nicht wirklich begriffen. Ihm war schwindelig – und ein bisschen übel.

Sein Vater dagegen war offensichtlich begeistert. „Wirklich? Wunderbar! Ach, das ist wirklich wunderbar, Mister Fallstar. Sie wissen ja gar nicht welche Ehre sie mir und Ivy damit erweisen. Wirklich, eine Ehre!"

Elias Fallstar und Mister Steel schüttelten sich feierlich die Hand. Und damit war Ivys Schicksal besiegelt.

Poison HeartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt