Kapitel 12: Elias ist frustriert

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Die erste Woche, die auf den erniedrigenden Kniefall vor Ivy und die Neuverhandlung ihrer Beziehung folgte, verbrachte Elias in einem traumähnlichen Zustand chronischer Ungläubigkeit. Die tausend kleinen Demütigungen, die Ivy ihm Tag für Tag zufügte, nahm er teilweise kaum noch zur Kenntnis, denn die ganze Situation war einfach zu absurd.

Er wurde beherrscht - von seinem eigenen Omega.

Er war von einem Wesen überlistet worden, das er sich - wenn er zur Abwechslung einmal ehrlich mit sich selbst war - mehr oder weniger als Lustsklaven zugelegt hatte.

Hätte einer seiner Kollegen ihm diese Geschichte erzählt, dann hätte er den Alpha in Frage ausgelacht. „Was für ein erbärmlicher Verlierer", hätte Elias über so jemanden gesagt. „Kann ein Mann, dem so etwas passiert, sich überhaupt als Alpha bezeichnen? Ein Alpha lässt sich von niemanden kontrollieren. Schon gar nicht von einem Omega."

Seine größte Furcht war es deshalb, dass die Alphas, mit denen er in der Arbeit und im Alltag zu tun hatten, von seiner unglimpflichen Situation erfahren könnten. Jeden Morgen band er sich seine Krawatte so, dass das Halsband mit dem Mondstein vollständig bedeckt war, und er war dazu übergegangen, seinem Spiegelbild im Fenster seines Büros ständig prüfende Blicke zuzuwerfen, um sich zu versichern, dass nichts verrutscht und der Beweis seiner absoluten Niederlage noch immer verborgen war.

Er war die zweitmächtigste Person im Fallstar-Chemie-Konzern, der sich auf die Herstellung von überteuerten Pharmazeutika spezialisiert hatte - lediglich seine Mutter, eine Alpha im Alter von fünfzig, von der er die stahlgrauen Augen und das dominante Auftreten geerbt hatte, stand über ihm als absolute Chefin des Konzerns. Er wusste genau, dass sie jeden Respekt vor ihm verlieren würde, wenn sie je von der Sache mit Ivy und dem Mondstein erführe. Genau so wie all seine Untergebenen.

Es wäre die reinste Katastrophe. Auch darum kam es für ihn nicht in Frage, sich von Ivy zu trennen, denn dann hätte er den Schein endgültig nicht mehr wahren können.

Nur gut, dass Ivy anscheinend noch nicht begriffen hatte, wie viel Panik dieses Szenario Elias einflößte - kein Zweifel, dass das kleine Miststück sich ansonsten wie ein Blutegel an der neuen Schwachstelle festgesaugt hätte.

Ivy. Wann immer der kleine Omega in Elias' Gedanken auftauchte, spürte er hilflose Wut in sich aufsteigen. All die kleinen Beleidigungen und Schikanen, in denen sein Omega sich tagtäglich erging, und die Elias normalerweise mit Gebrüll und Gewalt beantwortet hätte, musste er nun klaglos ertragen. Zorn und Bitterkeit zerfraßen ihm das Hirn wie Säure.

Er fragte sich vage, ob dies dasselbe war, was Ivy gefühlt hatte, als ihre Rollen noch vertauscht gewesen waren. Manchmal fragte er sich sogar, ob er dieses Schicksal nicht womöglich verdient hatte. Aber dann riss er sich wieder zusammen und rief sich wieder zur Vernunft: Er war ein Alpha, und die Natur selbst hatte ihm das Recht verliehen, Ivy zu unterwerfen. Was Ivy dagegen ihm antat, war eine Perversion von allem war richtig, natürlich und gut war; es war eine Perversion der Lebensregeln der Alphas und Omegas an sich.

Aber diese Argumente fielen bei Ivy auf taube Ohren. Der kleine Omega scherte sich kaum noch darum. Ganz im Gegenteil, Ivy hatte inzwischen zweifelsfrei klargestellt, dass er nun das Oberhaupt des Fallstarschen Haushalts war, und nicht Elias. Die Dienstboten befolgten nun seine Anweisungen vor allen anderen, Einrichtung, Haushalt, Speiseplan und sämtliche Finanzen wurden nun ihm vorgelegt, und in allen wichtigen Entscheidungen musste er konsultiert werden.

Natürlich war Elias ausgesprochen gereizt und schlecht gelaunt. Doch dass Ivy sich in Elias' eigenem Haus zum Despoten aufspielte, war nicht das einzige, dass ihn in letzter Zeit reizte und aufrieb. Nein, der Alpha hatte noch einen weiteren, peinlicheren Grund für sein Elend: er war sexuell frustriert.

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