Mister Steel verschwendete keine Zeit und setzte den Hochzeitstermin zum frühstmöglichen Zeitpunkt fest. Und so kam es, dass Ivy schon in weniger als einer Woche der Mate eines Fremden werden sollte, pünktlich zum Beginn seiner nächsten Heat.
Die Zeit schien wie im Flug zu vergehen – nicht weil Ivy sich so freute, sondern weil er sich so fürchtete. Die Stunden rannen ihm wie Sand durch die Finger. Eine Woche hatte nur sieben Tage und jeder Tag nur vierundzwanzig Stunden und jede Stunde nur sechzig Minuten...
Ivy wusste nicht genau, was auf ihn zukam, und trotzdem hatte er das unbestimmte Gefühl, dass sein Leben gerade zuende ging, bevor es auch nur wirklich angefangen hatte. Ich werde diesem goldenen Käfig niemals entkommen, dachte er mit plötzlicher Klarheit. Nur bin ich ab nächster Woche dann bei meinem Mate eingesperrt statt bei meinem Vater.
Seine Nagelbetten waren rot und blutig. Der Hausdiener tupfte sie jeden Morgen mit Desinfektionsmittel ein.
Wenn ich stärker wäre... wenn ich kein Omega wäre...dann würde ich einfach weglaufen. Ich würde weglaufen und tun, was ich will.
Aber ihm war klar, wie dumm und kindisch diese Gedanken waren. Er war nun einmal ein Omega und niemand hatte ihm je beigebracht, für sich selbst zu sorgen oder sich selbst zu verteidigen. Eigentlich hatte man Ivy nur eines beigebracht: die Enttäuschung, die Wut und die Frustration, die er tief in seinem Inneren spürte, zu einem kleinen ordentlichen Päckchen zu schnüren und sie in der dunkelsten Ecke seines Herzens zu vergraben, damit niemand sie bemerkte. Am besten nicht einmal er selbst.
In dieser Woche saß Ivy sogar noch öfter an seinem Zimmerfenster als sonst. Der Himmel spiegelte sich in seinen traurigen, saphirblauen Augen. Aber die Zeit ließ sich nicht anhalten und schließlich war es soweit: der Hochzeitstag war da.
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Am Morgen der Hochzeit überreichte Ivys Vater ihm ein schwarzes Schmuckkästchen. „Ein Geschenk von deinem Zukünftigen!", verkündete er und musterte Ivy erwartungsvoll.
Ivy nahm das Kästchen entgegen und öffnete es langsam. Im Inneren lag ein Halsband aus stählernen Ringen auf schwarzen Samt. Es war mit Diamanten besetzt und es erinnerte Ivy an ein Hundehalsband. Er konnte Galle in seinem Mund schmecken.
„Danke", sagte er tonlos und legte es an.
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Die Feier war riesig. Auf dem Weg zur Kirche konnte Ivy unzählige Gesichter sehen. Er kannte so gut wie niemanden und dabei war es seine eigene Hochzeit. Die meisten Gäste waren Alphas und vermutlich Geschäftspartner seines Vaters. Sie drängten sich an ihn heran und versuchten einen Blick unter seinen Schleier zu erhaschen, bevor Mister Steel wütend knurrte und sie wieder ein paar Schritte zurückwichen.
Die Toga, die Ivy trug, war schneeweiß, weit ausgeschnitten und reichte bis zum Boden. An den Rändern war sie mit Gold bestickt und als Ivy am Arm seines Vaters zum Altar ging, raschelte die feine Seide bei jedem Schritt. Das Diamantenhalsband glitzerte und strahlte an seinem Hals und sprenkelte Ivys Schlüsselbein mit winzigen Regenbögen aus reflektiertem und gebrochenen Licht. Vor dem Altar wartete ein Alpha-Priester in schwarzer Kutte, die Hand auf der heiligen Schrift der Alphas, Betas und Omegas, in der so viele Regeln für das Zusammenleben der Sekundärgeschlechter festgeschrieben standen. Neben ihm stand Elias Fallstar.
Ivys Vater erreichte den Altar kurz vor Ivy, blieb dort stehen und sah sich nach seinem Sohn um. Zu dritt standen die Alphas vor dem Altar und schauten den kleinen Omega an. Sie warteten auf ihn - sein Vater, der Priester und sein zukünftiger Mate. Kläger, Richter und Henker, kommentierte die böse Stimme in Ivys Kopf. Aber er zwang sich trotzdem, weiterzugehen. Das hier ist nun mal das Schicksal eines Omegas. Mein Vater, der älter und schlauer und ein Alpha ist, hat das hier für mich entschieden.
Ein zufriedenes Grinsen umspielte Elias Fallstars Lippen. Die Menge der Zuschauer tuschelte.
„Fallstar sieht aus, als hätte er nen Sechser im Lotto gewonnen", murmelte einer der Alphas im Anzug in der ersten Reihe, gerade so laut, dass Ivy es noch hören konnte.
„Hat er ja auch", flüsterte ein anderer zurück. „Ich kann's zwar wegen des Schleiers nicht so genau beurteilen, aber Ivy Steel soll der schönste Omega von ganz Edge City sein. Und ab heute darf Fallstar ihn ficken. Als erster."
„Der Glückliche."
Von den anderen kam leises Gelächter. Ivys Hände ballten sich zu Fäusten, aber niemand nahm davon Notiz.
Einen Moment später stand Ivy neben Elias Fallstar am Altar und der Priester räusperte sich feierlich und begann zu sprechen.
„Verehrte Alphas, geschätzte Betas, anwesende Omegas", begann er mit tragender Stimme, „Wir haben uns heute zusammengefunden, um eines der ältesten und heiligsten Rituale überhaupt zu feiern: den Matingbund zwischen Alpha und Omega."
Er machte eine feierliche Pause. „Willst du, Elias Fallstar, Ivy Steel zum Omega nehmen, ihn vor anderen Alphas beschützen und die Verantwortung für ihn übernehmen?"
„Ich will", sagte Elias.
„Und willst du, Ivy Steel, Elias Fallstar als deinen Alpha akzeptieren, dich ihm in allen Dingen unterordnen, ihm dienen, ihm Kinder schenken, ihm gehorchen und seine absolute Autorität über deinen Körper und deine Seele anerkennen?"
„Ich muss", flüsterte Ivy. Der Priester zog die Augenbrauen hoch und wechselte einen Blick mit Ivys Vater. Dann zuckte er mit den Achseln und machte weiter mit der Zeremonie. Ivys Einverständnis war hier sowieso bloß reine Formsache gewesen. „Elias Fallstar, Sie dürfen den Omega jetzt küssen."
Elias streckte die Hand nach Ivy aus und nahm ihm den Schleier ab. Ein Raunen ging durch die Reihen der Gäste und alle renkten die Hälse, um Ivy besser sehen zu können. Wie immer war er wunderschön. Die Sonnenstrahlen, die durch die hohen Fenster der Kirche fielen, fingen sich in seinem goldenen Haar und ließen es glänzen.
Elias legte seine große Hand in Ivys Nacken und zog den kleinen Omega zu sich her, dann beugte er sich zu ihm herunter und presste seine Lippen auf Ivys Mund. Der Kuss war besitzergreifend und unnachgiebig. Ivy konnte spüren wie Elias Zunge in seinen Mund eindrang und ihm den Atem stahl. Sein Körper versteifte sich und der Alpha-Geruch seines neuen Mates umnebelte seine Gedanken und nahm ihm die Kontrolle über seinen eigenen Körper. Die Menge jubelte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit löste sich Elias wieder von ihm. Ivy stand mit geröteten Wangen, panisch rasendem Herzen und niedergeschlagenen Augen da, während Elias den silbernen Mondsteinring aus seiner Tasche holte.
„Nach alter Tradition legt ein Omega am Tage seines Matingbunds einen Mondsteinring an. Sobald du diesen Ring trägst, musst du deinem Mate gehorchen, Ivy Steel. Und du, Elias Fallstar, bist dann für Ivys Schutz verantwortlich. Ehrt und respektiert diesen Bund", verkündete der Priester.
Elias streckte die Hand aus und griff nach der von Ivy. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte man eine Mischung aus Sorge und Ekel auf seinem Gesicht sehen, als der Alpha die blutigen Fingernägel des kleinen Omegas betrachtete. Ivy hatte sie sich in den letzten Tagen vollkommen ruiniert.
Eine einzelne Träne lief Ivys Wange hinunter, als Elias ihm den Ring an den Ringfinger seiner rechten Hand steckte. Der Omega suchte den Blick seines Vaters, der ihn mit fordernden Augen und mitleidslosem Gesicht erwiderte. Tu deine Pflicht, Omega, schienen sie ihm zu sagen.
Dann war der Moment vorüber. Er konnte das kühle Metall des Rings an seinem Finger spüren und in seinem Kopf war dieses merkwürdige Gefühl – als würden sich eiserne Fesseln um seinen Willen legen.
Mit dem Zeigefinger hob Elias Fallstar Ivys Kinn an und seine kalten, grauen Augen bohrten sich in Ivys. „Du darfst diesen Ring niemals ablegen. Du darfst mich niemals verlassen", befahl er und Ivys ganzer Körper erschauerte – es kam ihm vor, als könnte er die Vibrationen von Elias Stimme in seinen Knochen spüren.
Der Alpha-Priester räusperte sich.
„Es ist vollbracht. Ihr seid nun Alpha und Omega. Bis dass der Tod euch scheidet", verkündete der Priester. Alle klatschten.
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Poison Hearts
RomansaIvy Steel ist der perfekte Omega - schön, sanft und unterwürfig. Doch als der herzlose Alpha Elias in sein Leben tritt, beginnt für Ivy ein unerbittlicher Kampf - wird er als das willenlose Spielzeug seines Alphas enden? Oder wird es ihm gelingen, d...