15. Ammi

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Seufzend fahre ich mir übers Gesicht und stelle meinen Wecker aus.
Ich habe keine Lust aufzustehen, aber mit meinem Mädchen muss ich das wohl oder übel. Gezwungen aber dennoch ehrlich lächelnd stehe ich auf, schüttle mein Bettzeug aus und ziehe mir eine Schlafanzughose an, ehe ich aus meinem Schlafzimmer in Amelia's Kinderzimmer gehe.
Sie liegt noch tief und fest schlafend in ihrem Rennfahrer Bett, weshalb ich in die Hocke gehe und ihr durch die wilden Locken streiche. Ihre Augenlieder flattern langsam auf und ich begrüße sie liebevoll im neuen Tag, indem ich einen Kuss auf ihrer Stirn platziere. „Guten Morgen, Ammi, hast du gut geschlafen?", frage ich und grinse, als sie nur brummt und zu mir robbt. Wäre es ein Samstag- oder Sonntagmorgen hätte ich sie in mein Bett gebracht damit wir noch ein wenig Kuscheln können, aber dem ist nicht so und sie muss in den Kindergarten. Ich bin heilfroh, dass sie mit dem Kindergarten kein Problem hat, sonst hätte ich wirklich die Arschkarte gezogen. „Will noch nicht, Papi", motzt sie, als ich mich von ihr löse. Belustigt sehe ich sie an, streiche ihr eine Locke aus der Stirn und hebe sie dann vorsichtig aus dem Bett.

Mit ihr auf der Hüfte gehe ich ins Bad, damit wir uns zusammen die Zähne putzen können. Glücklicherweise hat sie gestern Abend noch geduscht, weshalb ich nur noch ihre Locken bändigen muss, damit sie sich die bereits rausgelegten Anziehsachen anziehen kann. In der Zwischenzeit richte ich meine eigenen Locken etwas und ziehe mir eines meiner Hemden und Skinny Jeans aus meinem eher groß Ausfallenden Kleiderschrank an. Natürlich helfe ich ihr mit einem Lächeln auf den Lippen, als sie nach mir ruft, da sie sich mal wieder auf wundersame Weise im Ärmel ihrer Strickjacke verfangen hat. Fertig angezogen spielen ihre kleinen Finger sofort mit den glitzernden Pailletten, die einen Charakter aus PawPatrol darstellen. Mahnend, damit das T-Shirt nicht heute schon kaputt geht, sehe ich sie an und ernte einen Schmollmund. Natürlich kommt meine Tochter nach mir, was erwarte ich da auch anderes. „Komm, lass uns frühstücken und dann geht es ab in den Kindergarten", lächle ich, schiebe sie in die Küche und setze sie auf die Arbeitsplatte. Zusammen suchen wir uns zwei Schüsseln aus, wobei ihre natürlich die gelbe von Disney sein muss, die sie jeden Morgen verwendet. Mein Herz platzt vor stolz, als sie das erste Mal ohne zu kleckern ihre Schüssel mit Müsli und Milch füllt, ehe sie dasselbe bei meiner Schüssel tut und die Sachen wieder neben sich stellt, damit ich alles an den richtigen Platz räumen kann.

Mein kleines Mädchen wird viel zu schnell groß. Ich weiß noch, wie ich sie im Arm hielt als sie keine Fünf Minuten alt war und jetzt ist sie schon ganze vier Jahre lang der Sonnenschein in meinem Leben. Während wir essen, erzählt Ammi mir gespannt von dem neuen Jungen in ihrer Kindergartengruppe, mit dem sie sich bereits angefreundet hat. „Vielleicht könnt ihr euch zum Spielen verabreden", schlage ich vor, woraufhin sie so schnell nickt, dass etwas der Milch überschwappt und auf den Küchentresen platscht. „Vorsicht Maus", lächle ich, halte ihr den Lappen hin und helfe ihr dabei die Flüssigkeit aufzuwischen. Sobald das geschafft ist, sehe ich zur Uhr und stelle erschrocken fest, dass wir langsam los müssen. Zum Glück muss ich nirgendwo hinfahren, um zu arbeiten, sondern kann von zuhause meine Bücher schreiben. Meinen Durchbruch hatte ich mit einem Erziehungsratgeber für alleinerziehende Männer, eine echte Marktlücke, mittlerweile aber schreibe ich Romane, wovon einer bereits ein Spiegel Bestseller ist. Ammi hebe ich lächelnd von der Theke, sehe ihr dabei zu wie sie in den Flur läuft, und folge ihr kurz darauf.

Mit zwischen ihre Lippen geklemmter Zunge verschließt sie die Klettverschlüsse ihrer Leuchtschuhe und sieht mich an, damit ich ihr die Jacke schließen kann. Sobald das geschafft ist, wickle ich ihr den Schal um den Hals und ziehe ihm eine Mütze über den Kopf. Kichernd zieht sie sich die Mütze wieder richtig auf den Kopf, verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich mit zusammengezogenen Brauen an. „Papi meine Augen", meckert sie, stampft den Fuß auf den Boden und grummelt unzufrieden. „Ich weiß, Ammi", lächle ich, ziehe meinen Mantel an und öffne die Haustür, damit meine Tochter aus dem Haus gehen kann. Nachdem ich die Tür geschlossen habe, folge ich ihr und nehme sie lächelnd an die Hand, damit sie nicht wegrennt. Hand in Hand laufen wir durch die Straßen, durchqueren den Park und stoppen kurz bei den Enten, die Ammi kichernd grüßt. „Papi, Quack", zieht sie an meinem Ärmel, deutet auf die im Teich schwimmende Familie und kichert freudig. „Papi, die haben Mama und Papa. Bekomme ich auch eine Mama?" Autsch. Mit zusammengezogener Brust gehe ich in die Knie, bis ich mit ihr auf Augenhöhe bin und lege meine Hände liebevoll an ihre Wangen.

„Falls ich jemanden kennenlerne, würdest du einen zweiten Papa bekommen, weil Papi andere Männer mag, das weißt du doch.", sie nickt, aber sieht mich immer noch fragend an. „Wann bekomme ich dann einen anderen Papa? Alle im Kindergarten bis auf Freddie haben Mama und Papa", erklärt sie du sieht mich mit großen Augen an. Alles bis auf Freddie also. Ich kann schon nachvollziehen, warum die beiden sich verstehen. Aber ich finde schrecklich, dass sie sich bereits in diesem Alter Gedanken um sowas macht. „Hör zu Ammi, manche Kinder haben Mami und Papi, manche Mami und Mami oder Papi und Papi und wieder andere nur eins von beidem. Das wichtigste dabei ist allerdings, dass man Glücklich ist. Und alles davon ist gut und gleich viel Wert. Lass dir von niemandem sage, dass du weniger Wert bist, weil du nur einen Papi hast, okay?"


Breit lächelnd nickt sie, schlingt ihre Ärmchen um meinen Hals und fordert mich dazu auf, sie hochzunehmen. „Wir müssen doch weiter in den Kindergarten. Komm, du kannst mir Freddie vorstellen und ich kann seinen Papi fragen, ob er zum Spielen zu uns kommen darf." Sie lächelt, löst sich von mir und sprintet los in Richtung Kindergarten, der bereits in Sichtweite ist. Vor dem Eingang bleibt sie allerdings stehen und wartet, bis ich wieder neben ihr stehe, woraufhin sie wie wild an meinem Ärmel zieht und in eine Richtung deutet, aus der ein blonder Junge angerannt kommt. „Freddie!", lacht sie, als sie ihn in ihre Arme schließt und ausgeregt mit ihm flüstert.

„Ammi, bauen wir ein Schloss?", fragt er aufgeregt. Mein Lockenköpfchen nickt, sieht mich an und dann hinter mich.

Als ich mich umdrehe zucke ich zusammen und erstarre zu Eis, als ich in Ozeanblaue Augen sehe. Scheiße sieht er gut aus. „Ich nehme an, Ammi's Papa?" Langsam nicke ich. Ich will einen Schritt nach vorne machen, stolpere aber über meine eigenen Füße und falle meinem Gegenüber in die Arme. „Oops", quicke ich, richte mich auf und fahre mir schnell durch die Locken, um nicht ganz wie ein Idiot auszusehen. „Hi", erwidert er. „Uhm ja, Harry", lächle ich. „Louis", stellt er sich vor und hält mir seine Hand hin, die als ich sie mit meiner umschließe, deutlich kleiner ist als meine. Ich stelle mich an, wie ein vollkommener Idiot. Kein Wunder, dass ich dann noch alleinstehend bin. Wenn nicht meine wundervolle Tochter das aus bedeutet, ist es meine Schüchternheit und besondere Art. Freddie und Ammi flitzen nach einem schnellen Tschüss an uns vorbei in den Kindergarten und lassen mich und Louis einfach so stehen. „Die Zwei scheinen sich wirklich zu mögen", murmelt er und sieht mich an.

Am nächsten Morgen begegne ich Louis erneut und bin definitiv nicht weniger schüchtern, sondern eher viel mehr. Ich stehe eventuell ein kleines bisschen auf ihn. Es zieht sich ganze zwei Wochen, bis ich mich in seiner Gegenwart nicht mehr vollkommen verrückt aufführe und in der Lage bin, ihn und Freddie auf ein Treffen zum Spielen einzuladen.

Ich habe zwei Stunden lang in der Küche gestanden, bis ich zufrieden mit dem Essen war, das ich gekocht hatte. Mit Speck umwickelte Hähnchenbrust gefüllt mit Mozzarella und selbstgemachtes Kartoffelpüree als Beilage. Ammi hüpft schon die letzte halbe Stunde lang wild im Zimmer umher, weil sie sich so sehr auf Freddie freut.

Als es klingelt, zucke ich zusammen und kann gar nicht so schnell gucken, wie Ammi an der Tür ist und sie öffnet. Schnell stelle ich den Herd aus, ehe ich ihr folge und Freddie und Louis begrüße.

Wir essen zusammen, Louis lobt zwei Mal mein Essen und ich werde so rot, dass ich sicherlich einer Tomate gleiche. Nachdem Freddie und Ammi ihre Teller in die Spülmaschine geräumt haben, verschwinden sie kichernd in ihr Zimmer und lassen somit Louis und mich allein. „Harry?" Ich nicke. „Warum hast du keine Freundin?", fragt er und mir Rutscht das Herz in die Hose. „Weil ich schwul bin", antworte ich daher und sehe ihn mit großen Augen an, weil ich das garnicht sagen wollte. „Gut zu wissen", grinst er, geht um den Tisch herum und zieht den Stuhl neben mir zurück. Mit großen Augen und roten Wangen sehe ich ihn an, beiße mir auf die Unterlippe und kann nicht verhindern, dass ich kurz auf seine schmalen Lippen sehe. Scheiße, er ist wirklich wunderschön. Und ich bin so verknallt, es ist schon nicht mehr auszuhalten.

„Warum hast du keinen Freund?", fragt er, legt seine Hand auf meinen Oberarm und lächelt leicht. „Ammi", flüstere ich. „Er muss nicht nur mich wollen, sondern auch Ammi. Und sind wir mal ehrlich, das oder meine Art sind der killer für eine Beziehung." – „Ich mag deine Art", erwidert er. „Ich mag deine Art auch", flüstere ich, drehe mich zu ihm und seufze. „Ich mag deine Art sogar sehr", murmelt er, gleitet mit seiner Hand in meinen Nacken und zieht mich leicht zu sich.

Fragend sieht er mich an, aber ich kann nicht mehr, als ihn verwirrt anzusehen.

Und dann küsst er mich. 

Adventskalender 2021 | Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt