"Was ist Fantasy?"

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Ich stehe immer noch verdutzt vor dem Prinzen. Aus logischer Sicht kann es sich nur um einen Traum handeln. Doch ich konnte vorhin seinen Namen lesen. Im Traum würde das nicht funktionieren. Wie erkläre ich es dann anders? Wie erkläre ich es meiner Mutter, wenn ich sie in ein paar Wochen besuchen komme? Ich kann ihn unmöglich allein lassen, so viel steht fest.

Erst einmal muss ich mich um seine Kleidung kümmern. Nach der Vorlesung könnte ich ihm in die Stadt führen. Bis dahin muss ich mur eine gute und glaubwürdige Geschichte überlegen. "Ich muss mich waschen und umziehen. Dafür gehe ich nur den Gang runter zu den Waschräumen. Du bleibst bitte hier und verlässt nicht den Raum."

Ich stehe auf, krame ein paar Sachen aus meinem Schrank, dabei bedacht, dass die Unterwäsche verborgen bleibt und schnappe mir meine Waschtasche. Ich schenke ihm einen letzten Blick, ehe ich die Tür hinter mir schließe.

Mit schnellen Schritten laufe ich zu den Waschräumen, wo ich in Windeseile meine Zähne putze und mich nach einer Katzenwäsche anziehe. Ich flechte mir noch einen Zopf, ehe ich wieder in mein Zimmer zurück kehre in der Hoffnung Aiden vorzufinden. Zum Glück sitzt er noch auf dem leeren Bett, um ihm herum liegen all die Bücher, welche wir in diesem Semester lesen und analysieren und seine Krone.

"Was liest du da?", hacke ich nach, während ich das Waschzeug und meinen Schlafanzug verstaue.

"Romeo und Julia."

"Kennst du die Erzählung?"

"Nein. Solche Werke haben wir nicht in der Schloss Bibliothek." Er sieht auf, wobei seine Haare das halbe Gesicht bedecken. Entrüstet sehe ich ihn an. "Was habt ihr denn für eine Auswahl?"

Aiden überlegt kurz ehe er antwortet: "Nun, diverse Abenteuer großer Helden der vergangenen Zeiten. Bücher über die Geschichte des Landes und des Könighauses. Dann gibt es noch Bücher über Heilkräuter, Alchemie, Heilsteine und Gottheiten."

Ich setzte mich neben ihn. "Und gibt es auch Geschichten über liebende Personen?"

Er schmunzelt. "Die gibt es ebenfalls. Meine Schwester ... liest nichts anderes. Ständig hat sie ein Buch in den Händen."

Jetzt muss ich ebenfalls schmunzeln. "Was liest du am liebsten?"

"Vieles. Von allen etwas, würde ich sagen. Meistens wissenschaftliche Bücher. Du?"

"Von jeder Kategorie etwas. Doch zurzeit bin ich an den Fantasy Romanen interessiert."

Er sieht mich schief an. "Was ist Fantasy?"

"Das erkläre ich dir ein anderes Mal."

Vorsichtig und achtsam laufe ich den Campus entlang. Aiden im Schlepptau. Wir versuchen so unauffällig wie möglich zu gehen. Doch leider zieht Aiden mit seiner Krone und dem, laut seiner Aussage, "schicken Gewand" zu viel Aufsehen. Ich bin froh, dass er kein Schwert bei sich trägt. Sonst wäre uns die Campus Securtity schon längst auf den Fersen.

Wir haben es fast geschafft, als uns Alice, Austin, Cody und Ella über den Weg laufen. In allen Gesichtern spiegelt sich Verwunderung. Ich kann es ihnen nicht verübeln, da dieser Anblick selten, nahezu einmalig ist.

"Wen hast du denn da im Schlepptau?", fragt mich Alice und mustert Aiden. "Ich habe ihn bis jetzt noch nie gesehen."

Ich schaue kurz neben mich. "Das ist Aiden. Er", ich suche nach der passenden Tarnung. "ist ein Austauschschüler aus Irland."

Daraufhin verbeugt sich Aiden und strahlt die Gruppe an. "Es freut mich eure Bekanntschaft zu machen."

Im Gegenzug schauen sie ihn mit offenen Mündern an. "Freut uns ebenfalls", kommt es von Ella.

"Was studierst du?", kommt es von Cody.

"Geschichte", sage ich schnell, ehe Aiden eine Chance hat zu antworten.

"Richtig. Ich beschäftige mich mit den Studien der vergangen Zeit." Er sieht mich eindringend an.

"Das erklärt auch diesen Kleidungsstil", sagt Alice.

"Ja, er ist fasziniert von dieser Epoche."

Ella fällt die Krone ins Auge. "Stellst du einen Prinzen dar?" Sie legt ihren Kopf schief. "Oder warum trägst du eine Krone?"

"Wie schon erkannt finde ich diese Zeit höchst faszinierend. Von daher fand ich es nur angemessen, mich als Prinz zu verkleiden." Aiden schaut kurz zu mir, ehe er sich mit einem Lächeln an meine Freunde wendet.

"Dann mal viel Spaß bei der Vorlesung", sagt Austin, ehe er sich zu mir wendet. "Es findet am Wochenende eine Party statt. Willst du kommen? Dein Freund kann natürlich mit, wenn er will."

Eine Party? Das hat mir gerade noch gefehlt. Ehe ich antworten kann, meldet sich Aiden zu Wort. "Wir kommen gern. Zu welcher Stunde und an welchem Ort findet diese Festlichkeit statt?"

Ungläubig sehe ich ihn an. Wie kann er das ohne mich entscheiden? Weil er ein Prinz ist? Nicht mit mir.

"Thalia kennt die Adresse. Es ist dasselbe Haus wie bei der letzten Feier. Kommt einfach gegen 10." Cody winkt mir zum Abschied, ehe sie an uns vorbei laufen.

Als sie außer Reichweite sind, drehe ich mich zu Aiden um und schaue ihn ernst an. "So geht das nicht." Er versteht nicht was ich meine und will etwas sagen, doch ich hebe meinen Finger hoch. "Ah! Jetzt hörst du mir mal zu. Du kannst nicht einfach Entscheidungen treffen, ohne den anderen zu fragen. Nur weil du in deinem Königreich ein Prinz bist, heißt das noch lange nicht das du hier über die Köpfe anderer entscheiden kannst!"

Damit hat er nicht gerechnet. Seine Miene spielt Verwunderung und Überraschung wieder. Ein Funken Demut spiegelt sich in seinen Augen wieder. "Es tut mir aufrichtig leid, dass du jetzt erzürnt bist. Ich nahm an, dass es sich um eine Veranstaltung zum Verkleiden handelt. Ich hätte dich fragen sollen."

Mal wieder fühle ich mich schuldig. Er wollte nur auf eine Party gehen, wie er es gesagt hat. Ich seufze in mich hinein. "Du musst dich nicht entschuldigen. Es war dumm von mir dich so anzufahren. Wir können gehen, doch es ist keine Party zum Verkleiden. Doch ich kann mich dort umhören."

Mit hochrotem Kopf gehen wir in den Hörsaal. Mit jedem Meter, den wir gehen, richten sich mehr Augenpaare auf uns. Doch Aiden scheint das nicht zu stören. Im Gegenteil. Er geniest es. Mit einem breiten Lächeln läuft er den Gang entlang. Winkt wie ein König und schüttelt jeden die Hand. Ich hätte ihn nicht mitnehmen dürfen. Doch was hätte ich anstelle tun sollen? Ihn in meinem Zimmer einsperren?

Ich setzte mich auf meinem Platz und sehe mir das Schauspiel an. Einige der Studenten holen ihr Handy heraus und filmen das Spektakel. Andere machen aufgeregt und belustigt Fotos. Wenn das kein Internet-Hit wird, weiß ich es auch nicht.

Nach gefühlt einer Ewigkeit setzt er sich neben mich. Gerade rechtzeitig, denn einen Moment später betritt der Professor den Saal. Während der Professor seine Präsentation abspielt und ich mir eifrig Notizen mache, sehe ich aus dem Augenwinkel wie einige Mädchen Aiden verstohlene Blicke zuwerfen.

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