„Wir haben es geschafft!"

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Vorsichtig nehme ich seine Hand. Wir schließen unsere Augen und denken an den Ort, der uns beide verbindet. Andastra. Ich strenge mich an und versuche so stark wie möglich an diesen wunderbaren Ort zu denken. Ein warmes Kribbeln breitet sich in mir aus. Es fängt langsam in den Zehenspitzen an und bahnt sich seinen Weg bis hin zu meinem Kopf. Ich fühle mich leicht. So als wäre all die Last von mir genommen. Ich fühle mich wie eine Feder. Aus der Ferne kann ich das Zwitschern von Vögeln hören. Die Geräusche werden immer lauter. Das Rascheln der Bäume wird intensiver. Ich rieche den süßen Duft von Äpfeln, dem frischen Gras und Blumen. Eine kühle Brise zieht an meiner Wange vorbei und verfängt sich in meinen Haaren. Ich spüre wie sie vom Wind verweht werden. Langsam öffne ich meine Augen. Grelles Licht empfängt mich. Ich blinze ein paar Mal bis ich mich an die starken Sonnenstrahlen gewohnt habe. Vor mir steht Aiden. Ein breites Lächeln ziert sein Gesicht.

„Willkommen in Andastra", sagt er und lässt meine Hand los.

Ich drehe mich um und kann meinen Augen nicht glauben. Mein Atem stockt und mein Mund steht offen. Vor mir erstreckt sich eine gigantische Reihe von Bäumen. Grüne Laubbäume. Zwischen ihnen tummeln sich Apfelbäume. Ihre weißen Blüten wehen leicht im Wind. Einzelne Blüten fallen hinab und werden vom Wind aufgefangen. Einige verhangen sich in meinem Haar, doch das ignoriere ich. Mein Blick schweift weiter über die Lichtung. Vögel fliegen umher und singen ihre Lieder. Ein kleiner Hase hoppelt ins Dickicht der Büsche. Aus der Ferne erkenne ich ein Rehkitz, welches zusammen mit seiner Mutter ruhig umherläuft. Eine ruhige Aura durströmt mich und löst mich von meiner Starre.

Ungläubig schaue ich zu Aiden. „Wir haben es geschafft!", rufe ich und kann mein Lachen nicht mehr zurückhalten. Zugleich laufen mir ein paar Tränen über die Wangen. Wie kann es sein, dass ich vor einem Moment in Boston war und nun auf einer Lichtung in einem erfundenen Königreich stehe? Wie ist so etwas möglich? Gibt es tatsächlich Magie? Wenn ich das jemanden erzähle, würde mir niemand glauben. Sie würden mich für verrückt halten. Also beschließe ich es als Geheimnis zu hüten. Doch jetzt ist nicht der passende Zeitpunkt um darüber nach zu denken. Ich sollte diesen Moment genießen und zwar in vollen Zügen.

Ich drehe mich glücklich um die eigene Achse und lasse mich anschließend auf das weiche Gras fallen. Immer noch Lachend schaue ich in den Himmel. Der blaue, wolkenlose Himmel sieht hier viel intensiver aus, als zu Hause. Ein paar Schmetterlinge fliegen an mir vorbei. Ich sehe ihnen hinterher und mein Blick landet wieder auf Aiden. Er schüttelt den Kopf und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. „Ich unterbreche deinen Freudentanz, oder was das auch immer war, nur ungern doch wir müssen weiter. Mein Gefährte wartet bereits auf mich und ich würde ihn nur ungern warten lassen. Auch wenn ich ihn für ein paar Wochen hier im Wald stehen gelassen habe, war es für ihn nur ein paar Minuten. Er sucht sicherlich schon nach mir."

Ich richte mich auf und lasse mir von ihm aufhelfen. Dabei stehen wir uns wieder so nah wie in der Küche meiner Mutter. Unsere Nasenspitzen berühren uns fast. Er betrachtet jede Faser meines Gesichts und hebt seine Hand. Er streift kurz meine Wange, ehe er mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht streift. „Du hast ein paar Blüten im Haar", flüstert er und streicht mir diese vom Kopf. „Danke", hauche ich.

Er lehnt sich vor und drückt sanft seine Stirn an meine. „Nicht dafür." Aiden schaut zu meinen Lippen, welche immer noch leicht geöffnet sind. Die Spannung zwischen uns wächst und intensiviert sich. Ich fühle mich wie an jenen Abend. Wieder habe ich das Gefühl, dass ich keinen klaren Gedanken fassen kann. Kurz bevor sich unsere Lippen berühren hallen Rufe zu uns. Seine Augen weiten sich und er löst sich erschrocken von mir. Hastig schaut er in die Richtung, aus dem die Rufe kamen. „Komm mit! Ich möchte dich mit jemanden bekannt machen." Er nimmt meine Hand und zieht mich sanft mit sich.

Wir durchwandern den Wald auf einem schmalen Pfad entlang. Mein Gehirn muss sich immer noch an das Unmögliche gewöhnen. Ich schaue von links nach rechts und nehme jeden Baum und jedes Tier unter die Lupe. Die Tiere haben keine Angst vor uns. Sie scheinen uns zu dulden oder ignorieren uns. Es ist faszinierend, wie die Natur mit den Tieren und uns im Einklang ist. Der Wind verfolgt uns und raschelt ab und zu zwischen den Bäumen. Es klingt wie eine Melodie, die er nur für uns singt. Als ob er glücklich ist uns zu sehen.

Wir nähern uns dem Ausgang des Waldes. Immer mehr kann ich erkennen, was sich hinter dem Wald verbirgt. Eine weite Graslandschaft. Ein Mann kommt zum Vorschein. Er hält die Zügel von einem weißen Schimmel und einem Brauner. Er atmet erleichtert aus, als er Aiden sieht. Er ist ebenso merkwürdig gekleidet. Nur seine Kleidung unterscheidet sich leicht von Aidens. Er trägt keine Krone. Jedoch ein Schwert und ein Wurfmesser hängen um seine Hüfte. Er sieht um ein paar Jahre älter aus, als Aiden. Die schwarzen Haare sind zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden, jedoch hängen ihm kürzere Haare im Gesicht und umranden es.

„Mein Prinz", er verbeugt sich vor uns, „Ihr seid zurück. Ich habe mir große Sorgen um euch gemacht", gesteht er und schaut zu Boden.

„Das ist sehr löblich von dir. Mir ist nichts geschehen. Ich war auf einem kleinen Abenteuer, wenn ich es so formulieren kann", antwortet Aiden. Der mir Unbekannte schaut auf und lässt seinen Blick von Aiden auf mich fallen. Seine grünen Augen verengen sich, als sein Blick über mich wandert. „Wer ist diese Person? Solch Kleidung ist mir fremd und warum haltet ihr ihre Hand? Seid ihr vertraut mit ihr?"

Aiden schaut kurz zu auf unsere verschränkten Hände, ehe er meinen Blick streift. Ich nicke leicht, als Zeichen, dass er sie loslassen kann. Langsam löst er seine weiche Hand von meiner.

„Mein lieber Fynn das ist eine sehr vertraute Gefährtin von mir. Ich war in der Anderswelt. Ihrer Heimat. Sie war so höflich und hat sie mir gezeigt. Daraufhin habe ich sie zu uns eingeladen. Bitte lass dich nicht von ihrer ungewöhnlichen Kleidung stören. Dort wo sie herkommt, tragen alle Menschen solch wunderlichen Gewänder. Ihr Name ist Thalia Newton."

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