Kapitel 8

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Der Morgen brach an und die Sonnenstrahlen weckten Lynn. Er lag mit dem Kopf auf der Brust seines Dämons, die sich sanft hob und senkte. Mit seinen Fingern fuhr er die straffen Muskeln nach, blieb an der Narbe über dessen Herzen hängen. Die Narbe, die Lynn ihm in der Nacht ihrer ersten Begegnung zugefügt hatte. Sanft strich er über die Vertiefung, das harte Gewebe.

Hätte er den Dolch in dieser Nacht auch nur einen Millimeter bewegt, würde sich diese Brust nicht mehr heben und senken. Diese Narbe würde bleiben, sie würde dort als Zeichen prangen, dass er Lynn gehörte. Sein innerer Dämon schnurrte, denn er begrüßte dies und doch drängte er ihn, Blain ein anderes, weitaus größeres Zeichen aufzubrennen. Sein innerer Dämon sehnte sich nach dem Bund, sehnte sich nach seiner zweiten Hälfte. Lynn verstand es, doch noch war es zu gefährlich. Wenn wir jetzt den Bund schließen, wird sie ihn töten.

Er durfte ihr Ziel nicht aus dem Augen verlieren, nur weil er in den Armen seines Herzens lag. Er durfte nicht nachlässig werden, denn das würde seine Mutter sofort bestrafen. Ich muss den Auftraggeber finden. Wenn dieser den Auftrag zurückzog oder starb, war dieser annulliert. Sobald mein Herz sicher ist, werde ich es beenden.

„Worüber denkst du so angestrengt nach, Floare?", erklang eine liebevolle Stimme. Zwei Finger rieben über Lynns Stirn, um die Falten glatt zu streichen, die er gezogen hatte.

Wie ich dein Leben retten kann. Doch diese Worte sprach er nicht aus. Blain wusste zwar, dass ein Attentäter auf ihn angesetzt war, doch von seinem bevorstehenden Kampf mit seiner Mutter nichts. Und das wird er auch nicht. Er würde ihn abhalten, doch das würde nichts bringen. Vor dem Clan konnte man nicht fliehen, das wusste er. Erneut fuhr er über die Narbe. „Ich bin ein Monster. Ich habe dir, ohne mit der Wimper zu zucken, einen Dolch in die Brust gestoßen. Dabei habe ich nichts gefühlt, denn ich habe es schon hunderte Male zuvor getan."

Blain hielt inne. Zwar hatte Lynn ihm schon ein wenig von sich erzählt, doch diese Worte in der ruhigen Stimme zu hören, drangen tief. Mein Herz hält sich für ein Monster. Sein Liebster drehte den Kopf, schaute ihm mit den Sonnenaugen an.

„Ich kenne deine Gedanken, Blain. Doch wir sind an einem Punkt angekommen, an dem du begreifen musst, was ich bin. Ich bin nicht die Blume, als die du mich bezeichnest." Als er den Namen des Mittelsmanns erfahren hatte, hatte es Lynn aus der Bahn geworfen. Das waren absolut schlechte Neuigkeiten, das war ihm sofort klar gewesen. Blain lebte gefährlich, doch der Auftraggeber schien jemand zu sein, mit dem er nicht rechnen würde. Die Realität war grausam, das musste sein Dämon begreifen.

Eine Hand legte sich an seine Wange. „Jeder hat Dinge getan, die er bereut. Ich werde dich nicht für das verurteilen, was du getan hast. Ich werde nur über das urteilen, was du tust, wenn wir zusammen sind - denn niemand kann die Entscheidungen ändern, die er getroffen hat."

Diese Worte waren wie Balsam für die Seele. Er sieht mich und nimmt mich, wie ich bin. Lynn legte seine Hand auf die von seinem Dämon, drückte sie sanft. „Dann werde ich dir nun offenbaren, was dieses Monster ist und wer es erschaffen hat", antwortete Lynn und schloss die Augen. Zeit, dass du das hässliche Innere erkennst. Also erzählte er seinem Herzen, von seiner dunklen Vergangenheit. Er erzählte ihm von seinem Leben, ab dem Moment, als er das Zimmer mit seinen toten Großeltern betreten hatte, denn das war der Anfang seiner Transformation gewesen.

Lynn lief den Gang zum Zimmer seiner Großeltern entlang. Seine dunkelblauen Haare waren zu einem kurzen Zopf zusammengebunden, der hin und her wackelte, als er durch den Gang tapste. Seine Großmutter flocht seine Haare immer zu wunderschönen Zöpfen und erzählte ihm Geschichten, wenn sie Zeit hatte. Sein Großvater, der erst seit etwa zehn Jahren bei ihnen lebte, war ein begnadeter Koch und kreierte für ihn und Laurana zahlreiche Leckereien. Er war ein Mensch, dem ihre Großmutter bei einer Mission in der Menschenwelt begegnet war. Sie hatte ihr Herz mit sich genommen und beide hatten sich verbunden, lebten nun glücklich auf dem Anwesen.

Lynn - ein schicksalhafter Auftrag (Novelle 6.5) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt