Kapitel 52

172 16 5
                                    

»Ich wusste es.« , sagte Isabelle morgens am Frühstückstisch, als alle – selbst Sascha - anwesend waren. »Ich hab's gewusst, als ich den Brief gelesen habe. Aber irgendwas tief in mir, wollte es nicht wahrhaben.«

Dag, der neben ihr saß, streichelte über ihr Bein.

»So etwas will man halt einfach nicht wahrhaben.« , sagte Wölkchen. »Es ist normal, sich an jedem noch so kleinen Strohhalm zu klammern.«

»Ich verstehe nicht, wieso sie sich nicht vorher an mich gewandt hat. Wenn sie doch dringend wegwollte, hätte ich ihr geholfen.«

»Sie wusste vielleicht, das sie es nicht schaffen würde. Marleen war nie du. Sie hätte sich auch nicht mit diesem Leben vertraut machen können.« David goss ihr einen Kaffee ein.

»Trotzdem hätte ich ihr geholfen.« , gab Isabelle leise von sich.

»Das weiß ich doch.«

»Ich kann nicht mal zu meinen Eltern.«

»Was willst du denn bei denen?« , wollte Sascha wissen.

»Ich hab nichts von ihr. Nicht mal ein Bild. Irgendwann wird sie nur noch ein blasser Teil meiner Erinnerung sein. Wir hatten zwar nie ein super tolles Verhältnis, aber ich will sie nicht komplett vergessen.«

David blickte zu Dag, bevor er aufstand und den Zeitungsartikel holte, den er dann Isabelle übergab. »Da ist ein Bild in ihrer Todesanzeige. Du kannst es dir ausschneiden.«

Er registrierte zwar Dags Miene, die keineswegs erfreut darüber schien, aber David wusste, dass Isabelle ein Bild benötigte. Ein kleines Andenken.

Vorsichtig strich sie über das Porträtfoto von Marleen, bevor sie las.

»Achte nicht auf deren Worte.« , sagte Dag, der den Ausdruck „einzige Tochter" meinte.

»Damit habe ich schon längst abgeschlossen.« , gab sie leise von sich. »Ihre Bestattung ist morgen.«

»Du kannst da nicht hin.« , schoss es aus ihrem Freund heraus.

»Ich weiß.« Ihre Stimmlage war noch immer kaum vernehmlich. »Aber ich will dahin.«

»Isabelle wenn die dich sehen wirst du nur Krach hervorrufen.« , sprach Sascha.

»Ich weiß.« Isabelle nahm die Schere entgegen, die Wölkchen ihr hinhielt. »Trotzdem werde ich ihr die letzte Ehre erweisen. Ich will dahin.«

»Isy du kannst nicht dahin.« Dag wurde ungewollt lauter.

»Was ich kann und was ich nicht kann, entscheide immer noch ich-selbst.«

»Sooo stopp. Bevor das hier wieder wie in Berlin ausartet.« Vincent haute auf den Tisch. »Isabelle, du weißt, dass Dag dich nur schützen will.«

Sie nickte.

»Dann hör auf, immer direkt die Krallen auszufahren. Und du ...« , er zeigte auf seinen besten Freund. »... du hörst auf, immer einen auf Alpha-Tier zu machen.«

»Is' ja jut.« Dag rollte mit den Augen. »Aber ich hab Recht. Dieser Wichser würde auch auf einer Beerdigung keinen Halt machen ihr wehzutun.«

»Ich weiß es Dag. Das wissen wir alle.« Vincent nahm die Schere entgegen und gab sie Wölkchen zurück. »Also, was hast du vor Isabelle? Denn wir helfen dir gerne, aber wir lassen es nicht zu, dass du dich in Gefahr begibst, denn was die von dir halten, siehst du anhand der Annonce.«

»Sie wird auf dem Melaten beerdigt.« , sagte sie. »Ich will zu ihrem Grab, wenn alle weg sind.« Sie drehte sich zu Dag. »Bitte.«

Er nickte. »Okay, wenn alle weg sind ... und wenn es für David und Wölkchen okay ist, wenn wir noch ein wenig hier bleiben.«

»Klar. Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt.« , zwitscherte Wölkchen direkt. »Wenn das nicht zu eng für euch auf der Couch ist.«

»Ich hatte Platz und hab geschlafen wie ein Stein.« , sagte Vincent.

»Liegt vielleicht daran, weil du ein Stein bist.« , witzelte Dag. »Und du hattest das Bett fast komplett nur für dich alleine, weil wir gar nicht da waren.«

»Wo wart ihr denn?«

»Draußen.«

»Ach nee. Pimpert ihr jetzt auch hier im Hausflur?«

»Wir waren nicht pimpern und wir haben auch in Berlin noch nie im Hausflur gepimpert.« , verbesserte Dag ihn.

»Ach, die Nachbarn interessiert das nicht.« , meinte David daraufhin. »Wölkchen und ich haben es auch, das ein oder andere Mal, nicht bis rein geschafft.«

»Ich fass definitv nichts mehr im Hausflur an.« Vincent hielt seine Hände in die Luft.

»Wir waren draußen auf dem Spielplatz, du Idiot.« , sagte Dag.

»Oh der Spielplatz. Sasa, du blühst ja richtig auf bei deinem Kerl.« , scherzte David.

»Wir haben geschaukelt.« , gab Isabelle an.

»Wir haben auch eine Schaukel im Zimmer.«

Geschockt sah Isabelle ihren Ex an. »Ihr habt was?«

»'ne Schaukel.«

»Für?«

»Ach, jetzt mach doch nicht so.« , lachte er. »Ich kann die echt empfehlen, aber Dag du musst die richtig montieren, sonst verletzt ihr euch noch.«

»Erinnere mich nicht daran.« Wölkchen lachte nun ebenfalls. »Das ist nicht witzig, wenn man dann ins Krankenhaus muss.«

»Ehm ... wir brauchen keine Schaukel. Danke.« , stammelte Isabelle.

»Wie funktioniert das denn genau mit der Schaukel?« , fragte stattdessen und zeitgleich Dag interessiert, was seine Freundin darauffolgend die Sprache verschlug.

»Komm mit, ich zeig's dir.« , sagte David und stand auf. »Kann echt abwechslungsreich sein.«

Dag folgte ihm.

»Das ist so peinlich.« Isabelle vergrub ihren Kopf in ihr Shirt.

»Weißt du, was peinlich ist?!« , sagte Vincent. »Wenn ich dem Idioten helfen muss, ne Sexschaukel anzubringen.«

»Ey Isy. Schau dir das mal an.« , rief Dag aus dem Schlafzimmer.

»Nee. Kein Bedarf.«

»Komm schon. Das Teil ist voll cool.«

»Sitzt du da jetzt etwa drin?« , rief Vincent lautstark und sprang auf, um gleich danach ins Zimmer zu rennen. »Nee sitzt er nicht.« , kommentierte er enttäuscht, als er seinen Kopf wieder zurück in den Raum streckte, indem die anderen saßen.

»Jetzt komm mal her Isy.« , rief Dag erneut. »Schau es dir doch wenigstens mal an.«

»Ich will keine Schaukel.«

Just in diesem Moment dehnte auch Dag seinen Kopf in den Raum. »Du sollst ja nur mal gucken.«

»Ich ändere meine Meinung dann trotzdem nicht.«

»Wieso?«

»Weil ich nicht durch mein Zimmer schaukle, wenn ... du weißt schon.«

»Dann bringen wir die woanders unter.« Er ließ seine Augenbrauen auf und ab hüpfen.

»Andi killt mich.«

Vincents Kopf erschien über Dags. »Ihr habt es in der Bar getrieben?«

»Nein.« , sagten Isabelle und Dag im Chor.

»Im Aufenthaltsraum?« , fragte Sascha.

Dag und Isabelle sahen sich kurz an, bevor sie verlegen wegschaute.

Nicht immer drauf, doch für immer auf dir (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt