Kapitel 73

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2005

Isabelle warf ihre Schuhe in die Ecke ihres kleinen Flures. Es war schon abends und sie hörte, wie Dag in der Küche hantierte. »Was gibt's zum Essen?« , fragte sie.

»Spaghetti, Baby.« , rief Vincent zurück.

»Ach, wir haben mal wieder Besuch.« Sie steckte ihren Kopf in das große Wohnzimmer. Von da aus konnte sie in die halb offene Küche sehen.

Seit fast zehn Monaten lebten Dag und sie nun in dieser Drei-Zimmer-Wohnung, nachdem das Projekt Band komplett aufs Eis gelegt wurde, resultierend daraus weil Katja ihre Fühler Richtung Kanada ausgestreckt hatte.

Mit Hannah jobbte sie gemeinsam als Bedienung in einer kleinen Pizzeria. Sie legte ihre Tasche beiseite und ging in den Raum hinein, wo Dag hinterm Herd stand, während Vincent auf einem Hocker saß.

Sie umarmte ihren Freund von hinten und küsste kurz seinen Nacken. »Heute bleiben wir aber zu Hause, okay?!«

Dag sah zu Vincent. »Ja mir egal. Willst du dann nach dem Essen noch ein bisschen hierbleiben?«

»Was habt ihr denn eigentlich den ganzen Tag gemacht?« , unterbrach Isabelle Dags Frage an seinen Freund.

»Musik. Was sonst?!«

»Wieso frage ich überhaupt.« Sie holte drei Teller raus. »Bleibst du nachher noch?« , wiederholte sie nun Dags Befragung.

»Neee. Ich fahr gleich nach Hause.«

»Quatsch, du kannst bleiben. Wir wollten eh mal diesen ... wie hieß der nochmal ... gucken?«

»Van Helsing.« , antwortete Dag und probierte eine Spaghetti, die er sich in den Mund zog.

»Ja, genau. Van Helsing. Da geht es um ...«

»Lass mich raten.« , sprach Vincent. »Van Helsing.«

»Du kennst den?«

»Ich kenn Van Helsing. Von Dracula

»Ist das ein Vampirfilm?« , horchte sie bei Dag nach.

»Du kennst nicht Van Helsing?«

»Den Film, meinst du?«

»Nein, die Figur.« Dag schüttete das heiße Wasser ab.

»Ich kann dem Gespräch gerade nicht mehr folgen.«

»Van Helsing. Eine Figur aus der Literatur.« , übernahm Vincent die Erklärung.

»Bücher?! Nee ich lese doch nicht so gerne, das wisst ihr.«

»Ja aber Dracula kennst du doch auch.«

»Durch die Filme.«

»Und da ist dir nie Van Helsing über den Weg gelaufen?«

»War das Keanu Reeves Rolle?«

»Das war Jonathan Harker.« , sagte Dag und nahm einen Teller zur Hand, den er mit Spaghetti füllte.

»Anthony Hopkins war Van Helsing.« , warf Vincent in den Raum und ergriff seinen gefüllten Teller, den er zu dem kleinen runden Esstisch brachte.

»Keine Soße?« , fragte Isabelle, als Dag ihr ebenfalls ein Essgeschirr übergab.

»Nee. Hatte keine Lust. Wir haben ja Ketchup.«

»Hannah kommt morgen übrigens auch mit.« , sprach sie und wickelte sich die Spaghetti um die Gabel.

»Haben eh nichts anderes erwartet.« , schmatzte Dag.

»Na, es war ein wenig auf der Kippe. Sie hat diesen echt netten Typen kennengelernt. Veysel. Und eigentlich haben die zwei am morgigen Tag ihr drittes Date. Aber leider musste er es absagen, deswegen kommt sie morgen mit zu eurem Auftritt.«

»Sie hätte ihn doch mitbringen können?!« Vincent schüttete sich ein wenig zu trinken ein.

Isabelle verzog minimal ihr Gesicht. »Ich glaube nicht, das es ihm dort gefallen würde. Eure Musik ist nicht das, was er so ... bevorzugt.«

»Unsere Musik ist nur für Kenner.« , philosophierte Vincent daher.

»Eure Musik ist eher etwas für ... ach seien wir doch mal ehrlich ... ich hab manchmal selber das Gefühl, ihr macht nur Mucke, um euch im Alleingang zu unterhalten.« , lachte sie.

»Was ist eigentlich mit dir? Hast du es dir nochmal überlegt.« Vincent schaute kurz auf sein Handy und packte es dann weg.

»Was?«

»Mit der Musik.«

Isabelle atmete tief ein. Wieso auch immer, aber am liebsten hätte sie momentan losgeheult. »Das habe ich hinter mir gelassen.«

Dag und er warfen sich vielsagende Blicke zu. »Du weißt, das du in der heutigen Zeit keine Band benötigst. Wir könnten auch alles am Computer machen und du singst.«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Alleine ... alleine ist es blöd.«

»Das Angebot bleibt aber. Auch wenn du nur mal kurz etwas aufnehmen willst.«

»Ich weiß Vince. Aber ... ich denke nicht.« Sie stocherte in ihrem Essen herum. Seit Katjas Weggang hatte sich einiges verändert. Isabelle hatte sich nicht mal verabschiedet.

Dag war sich im Klaren darüber, dass sie es vermisste auf der Bühne zu stehen und zu performen.

Andi hatte ihr natürlich angeboten, dass sie jederzeit auch als Solo-Künstler auftreten könnte, doch irgendwie hatte sie das nie in Anspruch nehmen wollen.

Genau wie mit der Wohnung. Er bat ihr, nachdem er von dem Aus der Band erfahren hat, trotz allem an, weiterhin in der Unterkunft bleiben zu können, dennoch wollte Isabelle einen kompletten Schlussstrich. Einen Neuanfang.

Es hat natürlich ein paar Wochen gedauert, bis sie einen neuen Job hatte. Genauso hatten Dag und Isabelle sehr viele Wohnungen anschauen müssen, bis sie etwas Bezahlbares gefunden hatten.

Etwas Eigenes für sie und Dag war schon eine komplett andere Sache, als das gemeinsame WG-Leben.

Und doch war in letzter Zeit eine Veränderung eingetreten. Der Alltag hatte beide eingeholt und manchmal sahen sie sich nur noch morgens und dann erst wieder abends, wenn sie von der Arbeit kam.

Hinzu kam, dass Dag mittlerweile als Barkeeper in Andis Bar arbeitete, um ebenso ein wenig Geld noch herbeizuschaffen.

Das bedeutete meist, dass er arbeiten ging, wenn sie nach Hause kam, denn manchmal war sie so erschöpft, dass sie gar keine Lust mehr hatte, dann noch in der Bar abzuhängen.

In diesen Nächten vermisste sie die alte Zeit schon derbe.

Aufgrund dessen war sie froh, für jede Sekunde, die sie mit ihm daheim auf der Couch verbringen konnte ... selbst wenn es Filme waren, die sie nicht mochte.

Nicht immer drauf, doch für immer auf dir (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt