Alle, außer Sascha, der an dem Tag die restlichen Möbel geliefert bekam, und Wölkchen, die sich auf dem Friedhof befand, saßen im VW-Bus und warteten darauf, dass die Beerdigung endete.
Isabelle lehnte sich an Dag und gähnte. Sie war todmüde, da sie jetzt zwei Nächte hintereinander kaum geschlafen hatte.
In ihrer Hand hielt sie einen selbstgeflochtenen Blumenkranz. Den hatte sie den Tag zuvor gemacht, im Verlauf ihres Spaziergangs. Als sie nämlich an einer Wiese mit lauter Gänseblümchen vorbei kamen, musste Isabelle daran denken, dass Marleen ihr das in jungen Jahren beigebracht hatte, als sie im heimatlichen Garten saßen.
Eine der wenigen Erinnerungen, der schwesterliches Verhalten vorwies.
Da sie keine andere Möglichkeit hatte, ihr nahe zu sein, hielt sie es für eine schöne Idee, ihr so einen aufs Grab zu legen.
Viel näher waren sich die Schwestern nie gekommen und irgendwie war das auch die einzige Erinnerung, die Isabelle an ihre Kindheit mit Marleen hatte.
Was sie sofort wieder traurig stimmte, obwohl Dag wirklich alles tat, um sie abzulenken.
Ohne ein Wort zu sagen, hob sie ihren Kopf und küsste ihn.
»Für was war das denn?« , fragte er mit einem Lächeln.
»Weil du, du bist.« Sie küsste ihn erneut. »Und du meins bist.«
Dag drückte sie an sich. »Soll heißen, ich bekomme doch 'ne Schaukel?«
»Nein.« Sie schlug ihn leicht. »Hör auf jetzt. Kein Spielzeug.«
»Gar keins?«
Sie sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. »Was meinst du?«
»Ja ich meine ... « Er begann zu flüstern. »Hast du nicht mal Lust, das wir ... etwas Neues ausprobieren?«
»Dag, lass uns ein andermal darüber reden.«
Er verstand, dass dies jetzt nicht der richtige Moment war, über ihr Sexleben zu philosophieren. »Sorry tut mir leid.« , sagte er und drückte sie an sich. »Ich wollt dich nur ein wenig ablenken.«
»Weiß ich, aber du würdest es trotzdem gerne ... machen ...«
Er grinste spitzbübisch. »Irgendwie schon.«
Isabelle hielt ihren Zeigefinger und Daumen minimal auseinander. »Eventuell etwas Kleines.«
»Deal.« Dag gab sich zufrieden.
»Ey, da ist die Flitzpiepe.« , rief Vincent nach hinten und zeigte zum Ein- und Ausgang des Friedhofs.
Isabelle wurde komisch zumute, als sie ihren Bruder beobachtete. Sie bemerkte die ausgeprägte Ader auf Dags Hals, die anschwoll, als er Moritz mit einem Abscheu empfindenden Blick observierte.
Nun traten auch ihre Eltern ins Freie. Dicht gefolgt von Marleens Mann und ... einer jungen Frau, die sich an seinem Arm klammerte.
Isabelle richtete sich mehr auf. »Der hat eine Neue und bringt sie mit auf die Beerdigung meiner Schwester?!« Am liebsten wäre sie rausgerannt und hätte ihm dafür eine verpasst.
Als dann diese weißblonde Schlampe ihm auch noch einen Kuss vor ihren Eltern und Moritz aufdrückte und keiner etwas dagegen tat, wuchs die Wut in ihr ins Unermessliche.
»Da kommt Wölkchen.« , sagte David und zeigte auf seine Freundin, die nun über die Straße zu ihnen hinrannte. »Haben sie etwas gemerkt?« , fragte er sie, als sie hinten zu Dag und Isabelle einstieg.
»Nein. Die waren nur mit sich selbst beschäftigt. Ich frag mich sowieso, für was sie das veranstaltet haben, denn irgendwie waren die recht teilnahmslos.«
»Es ist sonst niemand gekommen?« , horchte Isabelle nach.
»Nein.«
Sie sah wieder aus dem Fenster und beobachtete, wie alle in einen großen Wagen stiegen, welcher plötzlich hielt ... bis auf Moritz, der auf Anna wartete, die sich erst jetzt zu ihm gesellte.
Sie winkten den beiden zu und steuerten dann seinen Wagen an, der nicht weit weg geparkt stand.
Erst als er wegfuhr und an der nächstliegenden Ampel abbog, gestattete Dag seiner Isabelle, auszusteigen.
Sie hielt den Kranz in der Hand und wartete, dass die anderen ebenso ausstiegen. Neben Wölkchen ging sie über die Straße, den Eingang hinein.
»Weißt du noch den genauen Weg.« , fragte sie.
»Ja. Keine Sorge. Hab es mir sorgfältig gemerkt.«
Dag, Vincent und David schlurften hinter den beiden her. Isabelle merkte trotzdem, dass ihr Freund sich mehrmals umdrehte, um sich stets zu vergewissern, dass Moritz ihnen nicht folgte.
Einige Minuten später erreichten sie den Platz, an dem ihre Schwester nun ruhte und ihr wurde wieder schlagartig bewusst, wie Real es war.
Isabelle ging alleine zu der aufgetürmten Erde und den kläglichen Kränzen, die nicht nach viel aussahen und auch nichts Aussagekräftiges mitzuteilen hatten. Sie wurde erneut sauer, wenn sie darüber nachdachte, wie dieses Grab in Zukunft aussehen mag.
Langsam ging sie seitlich davon in die Hocke und sah auf das Kreuz.
ᵒᵇ ˢᶤᵉ ᵈᶤʳ ᵉᶤᶰᵉᶰ ˢᶜʰöᶰᵉᶰ ˢᵗᵉᶤᶰ ʰᵒˡᵉᶰ ʷᵉʳᵈᵉᶰ?
Sie legte den geflochtenen Kranz über das Holz. »Es tut mir leid, das du keinen anderen Ausweg für möglich gehalten hast. Ich hätte dir gerne dabei geholfen.« , sagte sie leise. »Du hättest auch ein besseres Leben verdient gehabt.«
Sie sah nochmal auf die Kränze ihrer Familie. Etwas Liebloseres hatte sie noch nie gesehen. Kein bisschen Emotion steckte darin, geschweige denn, dass da schöne Blumen oder Farben gewählt wurden.
»Ich verspreche dir, das ich dich immer besuchen werde, wenn ich in Köln bin.« , sagte sie. »Ich werde darauf achten, das dein Grab nicht verwahrlost.«
»Ich achte auch darauf, das hier alles schön aussieht, solange du nicht hier bist.« , meinte David, der mit den anderen näher herangetreten war.
»Meine Brüder arbeiten in einer Gärtnerei.« , sagte Wölkchen. »Mach dir keinen Kopf Isabelle, ich werde mithelfen, dass deine Schwester das bunteste Grab bekommt.«
»Die Farben, die ihr im Leben gefehlt haben.« , gab Isabelle leise von sich und ließ sich von Dag auf die Beine helfen, der ihr plötzlich einen kleinen Heliumballon hinhielt. »Wo hast du den denn her?«
Er nickte zu einem anderen Grab, wo ein einzelner Mann stand, der ein paar Ballons an einem Grabstein befestigte.
Geschockt sah sie Dag an. »Du hast ihn beklaut?«
»Nein. Wölkchen hatte eben schon mit dem Mann gesprochen und ihm deine Geschichte erzählt, nachdem er bemerkt hatte, wie sie das Begräbnis beobachtet hatte.« , erklärte er fix und ließ es von Wölkchen selbst bestätigen.
»Er hat angeboten, dir einen zu schenken, den du für sie in den Himmel schickst, um zu ... repräsentieren, das sie jetzt frei ist.« , fügte sie dem bei.
Isabelle blickte zu dem Mann, der ihr freundlich zunickte. Mit Tränen in den Augen nickte sie zurück.
Sie schloss die Augen.
ᵈᵘ ᵇᶤˢᵗ ᶠʳᵉᶤ. ᵉᶰᵗᶠᵃˡᵗᵉ ᵈᵉᶤᶰᵉ ᶠˡüᵍᵉˡ ... ᵘᶰᵈ ᶠˡᶤᵉᵍ ᵈᵃᵛᵒᶰ.
Isabelle ließ los und sah zu, wie der Ballon gen blauen Himmel entgegenflog.
DU LIEST GERADE
Nicht immer drauf, doch für immer auf dir (Band 1)
Fiksi PenggemarBAND 1 »𝐾𝑎𝑛𝑛 𝑖𝑐ℎ 𝑑𝑖𝑐ℎ 𝑒𝑡𝑤𝑎𝑠 𝑓𝑟𝑎𝑔𝑒𝑛?« 𝐸𝑟 𝑤𝑜𝑙𝑙𝑡𝑒 𝑒𝑟𝑠𝑡 𝑤𝑖𝑒𝑑𝑒𝑟 𝑠𝑒𝑖𝑛𝑒𝑛 𝑑ä𝑚𝑙𝑖𝑐ℎ𝑒𝑛 𝑊𝑖𝑡𝑧 𝑏𝑟𝑖𝑛𝑔𝑒𝑛, 𝑎𝑏𝑒𝑟 𝑑𝑎 𝑒𝑟 𝑛𝑎𝑐ℎ 𝑑𝑒𝑟 𝐵𝑢𝑠𝑓𝑎ℎ𝑟𝑡 𝑠𝑒𝑙𝑏𝑠𝑡 𝑠𝑒𝑖𝑛𝑒 𝑒𝑖𝑔𝑒𝑛𝑒 𝐹𝑟𝑎𝑔�...