Kapitel 14

29 5 3
                                    

Erwin

Levi erzählte mir diese Geschichte mit Reue im Gesicht.
An diesen Tag konnte ich mich nur zu gut erinnern. Ich hatte solche Panik erfahren müssen, wie ich sie noch nie gehabt hatte. Angst, erschossen zu werden, falls ich nicht rechtzeitig fliehen konnte. Ich hatte die Beine gewaltig in die Hand genommen, als ich mich trotzdem verfolgt gefühlt hatte. Damals konnte ich nichts sehen, als ich hinter mich geschaut habe, um zu suchen, wer mich eventuell verfolgte... aber jetzt wusste ich, dass es Levis Bruder war, der mich tot sehen wollte.
Ein gewaltiger Schauer flog über meinen Rücken. Angst und gleichzeitig Erleichterung machten sich in mir breit. Nun wusste ich, dass es nicht nur meine Paranoia waren... ich wurde wirklich verfolgt.
"Du solltest mich also töten..." Murmelte ich leicht verstört von dieser Information und sah Levi ängstlich in die Augen. Ich hab es erahnt, dass es kein Zufall sein konnte, wie rücksichtslos er Mike aus seinem Haus werfen konnte und wie kaltblütig er ihm schließlich in den Kopf geschossen hatte. Und dass es einen Grund hatte, wieso er sich Anfangs doch von mir fernhalten wollte. Deswegen dürfte dies mich eigentlich wenig überraschen... aber dennoch: ich war aufs Tiefste verängstigt.
Ein Seufzen entwich Levi und er nickte mir mit purer Erniedrigung in den Augen zu. Ich merkte, dass es ihn selbst fertig machte und er es innig bereute und Angst vor meiner Reaktion hatte. Erwartete er von mir, mich jetzt auch von ihm fernzuhalten? Dass ich ihm aus dem Weg gehe und Angst vor ihm hatte? Ja, was war denn überhaupt der Sinn dahinter, mir zu sagen, dass er mich ursprünglich töten wollte? Sollte es mich abschrecken? War es ein Test, ob ich ihn danach immernoch lieben würde? Oder ob ich ihn anzeige? Denn wenn dies der Fall war, dann gab es eine klare Antwort darauf: Nein. Würde ich nicht. Ich könnte gar nicht erst. Denn ja, ich liebte ihn. Undzwar mehr, als ich jemanden je geliebt habe. Das auch trotzdessen, dass ich Angst hatte. Er würde mir ja nichts antun... oder?

"Natürlich will ich dich immernoch nicht umbringen. Ich wollte es eigentlich noch nie... jemanden umbringen. Aber ich war so traumatisiert von allem, was passiert ist, dass ich nichtmal einen eigenen Verstand hatte. Ich habe nur getan, was Relito von mir wollte. Undzwar bis zu diesem Tag." Sagte er plötzlich, als hätte er meine Gedanken gehört. Ich war mitleidig mit ihm... und doch verstört von seinen Morden. Ich hätte nie für möglich gehalten, jemanden fürs Morden nicht zu hassen. Aber Levi... Levi konnte ich nicht hassen. Er war mir viel zu viel wert. Und das obwohl ich ihn erst seit ein paar Monaten kannte. Als ich ihn zum ersten Mal im Fernsehen gesehen hatte, hätte ich nie von ihm erwartet, so ein kaltblütiges Arschloch zu sein. Jetzt aber war mir klar: das war er nicht. Er hat Leuten das Leben genommen, sich einem Clan Assassinen angeschlossen und seinen eigenen Bruder hintergangen, ja. Aber in all seinen Taten konnte ich dennoch nichts böses feststellen. Es waren böse Menschen, die er getötet hatte. Vergewaltiger, Mörder, Kinderschändler und Mike, der mit unter diesen dazugehörte. Der Kerl war also auch ein Kinderschändler und Vergewaltiger...
Wer wohl sonst noch? Wer von meinen Freunden und Verwandten waren auch kriminell? Vielleicht ja meine eigene Mutter. Oder mein Vater. Eins wurde mir heute auf jeden Fall bewusst: jeder- auch wenn er noch so unschuldig scheint- hat Geheimnisse. Geheimnisse, die besser niemand herausfinden sollte.

Ich schaute zu Levi. Vertrauen in meinem Herzen und ein ernster Ausdruck in meinem Gesicht. Mein Mund war einen Spalt geöffnet, meine Augen schauten ihn von oben bis unten an. Ich bemusterte ihn, als wäre ich ein Richter. Und dabei fiehlen mir all die Dinge an seinem Körper auf, die voller Ästhetik an ihm saßen. Seine knochigen Hände, die von einer in der anderen Hand gelegt waren. Sein spitzes Kinn, welches aus den zwei knochigen Wangen und seiner scharfen Jawline entstand. Die dünnen Augenbrauen, die in seine gerunzelte Stirn einknickten, sobald er irritiert wurde. Seine nahezu leuchtenden Augen, die mich anstarrten, wie in dem Moment, als Mike zu Boden fiel. Die Augen, in denen ich nun gefangen war. Sie drückten so viel Schmerz und Trauma aus. Das bemerkte ich erst jetzt so richtig. Irgendwie machte es mich traurig. Sein Leiden, das ich mir eigentlich nur vorstellen konnte. Ich stellte mir vor, wie er am Boden saß. Die Arme um den Bauch oder die Brust geklammert und wie er mit Tränen in den Augen schreite. In seinem Inneren sah ich ihn. Seine Arme waren in der Luft, als wäre er an ein Kreuz genagelt. Doch er war gefesselt und mit Schnittwunden am ganzen Körper überseht.

Rock Me Up   (Eruri Fanfiction By Rockostic)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt