Kapitel 6

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Erwin

Schockiert. Anders hätte man meinen Zustand nicht beschreiben können.
Dass Levi nicht reden wollte, konnte ich ja verstehen, aber wie konnte er Mike so zurichten, ohne zu zögern?! Vielleicht war Mike in sein Zuhause eingedrungen, ja. Aber trotzdem hätte er das nicht tun dürfen! Es war doch nicht richtig. Gewalt war keine Lösung! Das hatte mir bereits mein Vater beigebracht, als ich ganz klein war. Hatte er das vielleicht nie gelernt oder gebraucht?
Nun tat er mir irgendwie leid. Er wirkte einsam dort. So allein mit seinem Hund. Er hatte Freunde. Da bestand kein Zweifel. Aber in den Medien hörte man nie etwas von seiner Familie. Auch auf seinem Instagram oder Facebook gab es keine Hinweise auf Verwandte. Keine mit dem gleichen Nachnamen, keine die nach Kontakt mit ihm suchten. Es gab nur ein Bild von einem Grabstein, das er auf Facebook veröffentlicht hatte, worunter stand "Ruhe in Frieden, Mama. Ich hoffe, du hast Frieden gefunden." Damit sollte klar sein, dass er mindestens einen Teil seiner Familie verloren hat und sich vielleicht deswegen isoliert. Weil er vielleicht nicht über den Verlust hinweg kam.
"Erwin!" Rief Mike mir zu und schlug mich aus meinen Gedanken. Mit einem Zucken wurde ich wieder auf ihn aufmerksam und schaute ihm in die Augen.
"J ja?" Fragte ich verunsichert.
"Warum schaust du die ganze Zeit in der Gegend herum? Dein Essen wird noch kalt." Sagte er leicht mürrisch. Oh! Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mein Essen schon angekommen war. Kein Wunder eigentlich. In diesem Restaurant, in dem wir saßen, gab es kein Personal, welches lauter als das Summen einer Fliege war.
Peinlich berührt fing ich an zu Essen und schaute auf das Salatblatt mit der Zitrone am Tellerrand. Total verträumt begann ich mir vorzustellen, wie Levi statt Mike dort vor mir saß und ich endlich offen mit ihm reden konnte. Er würde mir erzählen, wieso er sich von mir fern hielt und wie alleine er war und ich würde ihm zuhören. Er würde mir sagen, dass er Angst hatte, allein zu sein und ich würde ihn am Ende des Tages in den Arm nehmen und ihm sagen, dass er absolut nicht alleine ist. Ich wollte ihm helfen- meinem Crush und fast Freund. Er wirkte krank. Irgendwie traumatisiert und einsam. Gut möglich, dass sein Hund das einzige war, zu dem er Kontakt hatte.
Dass Mike einfachso zu ihm ins Haus gegangen war, war nun wirklich nicht gut. Vielleicht hätte ich an seiner Stelle aber ja genauso reagiert... Mike war ja quasi eingebrochen. Ob ich selbst da noch die Beherrschung gehabt hätte, gelassen zu reagieren? Ich glaube eher weniger. Aber ich hätte ihm wohl eher mit der Polizei gedroht.

"Erwin! Ich weiß genau, wie du zu dieser Sache stehst. Aber vergiss den Kerl! Du hast viel besseres verdient als ihn." Sagte Mike hartnäckig und schaute mir direkt in die Augen. Ich wollte es gar nicht wahr haben, aber er hatte recht... Levi würde mich vermutlich nur weiter abweisen. Vielleicht sollte ich stattdessen mit Mike...?
"Danke, Mike. Ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen." Lächelte ich ihn an. Ich gab ihm die Hand und war froh, einen richtigen Freund zu haben, der mir den Rücken stärkt. Genau das brauchte ich jetzt.

Mike blieb noch eine ganze Weile bei mir und half dabei, mich von Levi abzulenken. Wir tranken gemeinsam ein paar Bier und scherzten ein wenig herum. Seine Hilfe war für mich etwas gutes, doch ich musste immer wieder an Levi denken. Wie er einfach seinen Hund auf mich losgeschickt hatte und wie dieser fast aufs Wort gehorchte. Der Dobermann war jung und unerfahren, aber dennoch scheinbar gut trainiert, auch wenn er noch lernen musste. Es war mir dennoch ein Rätsel, warum er kein Platz- sondern nur Sitz machen konnte, aber dafür angriff sobald Levi schrie. Vielleicht hatte er dieses Kommando wegen der Fans mehr gebraucht, als das Platz machen. Als Rockstar war ihm das sicher nicht selten.
Plötzlich tönte mein Handyklingelton auf und ich schaute in Mikes Anwesenheit gleich auf mein Handy. Normalerweise hätte ich das nicht vor Gesten getan, doch seit ich in der Kneipe arbeitete, musste ich immer mein Handy parrad haben.
"Hm. Ruft die Arbeit?" Fragte Mike und nahm einen Schluck aus seinem Bier.
"Ich weiß nicht." Kicherte ich und schaute in meine Nachrichten. Es war eine Nachricht von Levi...
Hey, Erwin... ich weiß nicht wie ich dir das sagen soll, aber ich würde gern den Kontakt unterbrechen. Das mit deinem komischen Freund war heute echt nicht das beste. Tut mir leid, dass ich dir das nicht direkt sage aber ich möchte dir nicht in die Augen sehen. Sorry, dass ich dir meine Nummer gegeben und dir Hoffnungen gemacht habe.
Mach's gut~ Levi

Rock Me Up   (Eruri Fanfiction By Rockostic)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt