Es ist eine klare Sommernacht. Gut für mich, da kann ich nämlich die Sterne sehen und sie beobachten. Vielleicht, aber nur ganz vielleicht sollte ich schlafen gehen, weil morgen Schule ist. Aber ein solch klarer Nachthimmel, wo man die Sterne so deutlich sieht, ist selten in den letzten Tagen. Und ich brauche die Sterne. Sie sind meine Freunde.
Eine Brise weht durchs offene Fenster im Dachgeschoss, auf dessen Fenstersims ich sitze. Der Wind weht mir die Haare ins Gesicht, als wolle er mir sagen, dass ich endlich schlafen gehen soll.
Nun meldet sich auch Polarstern zu Wort: „Geh ins Bett, du warst lange genug wach." Dieser Depp.
„Wieso sollte ich?" frage ich also. Ich wäre doch nicht Melanie Cooper, wenn ich das einfach so hinnehmen würde.
Polarstern gibt ein freches Lachen von sich. „Weil ich dann ein halbes Jahr lang nicht mehr mit dir reden werde," erklärt er.
„Hältst du eh nicht durch," gebe ich zurück. „So anhänglich wie du bist, mein Freund."
Polarstern schweigt. Dann meint er: „Ich kann es zumindest versuchen."
Ich muss lachen. Mit viel Mühe reiße ich mich zusammen um meinen Ziehvater Ben und meine Ziehschwester Elly nicht zu wecken. Zwar schlafen sie nicht mit mir in einem Raum, jeder hat sein eigenes Zimmer, aber es kann ja sein, dass man es durch die Wände und Türen hört.
Polarstern braucht seine Antwort. „Versuche es, ich bleibe wach, bis ich einschlafe," verkünde ich und lehne mich an den Fensterrahmen.
„Warum musst du nur so stur sein," beschwert er sich, wodurch ich direkt grinsen muss.
„Weil ich's kann," antworte ich. Punkt, aus, Ende.
Ich will noch so viel Zeit mit schönen Dingen verbringen wie ich kann, bevor es morgen wieder in die Schule geht. Denn ich mag es nicht wirklich dort. Woran das liegt, weiß ich nicht genau. Vielleicht liegt es daran, dass ich ihnen nicht von den Sternen erzählen darf. An meinem ersten Schultag hatte Ben mir eingetrichtert, dass ich auf keinen Fall jemandem davon erzählen darf, dass ich mit den Sternen rede. Damals habe ich das nicht verstanden. Ich war sechs Jahre alt. Nachdem ich es einer ehemaligen Klassenkameradin erzählt hatte, wurde ich von den meisten als Spinnerin und durchgeknallt abgestempelt. Für blöde Fantasien hätten sie keine Zeit. Nun bin ich nicht mehr an der Grundschule, sondern am Gymnasium und niemand weiß von all dem. Ich habe es konsequent durchgezogen und es allen verschwiegen. Zwar gibt es ein paar in meiner Klasse, die das vielleicht nicht so komisch fänden, aber sicher ist sicher, nicht wahr? Es fühlt sich schlecht an, dieses Geheimnis zu haben. Es macht einsam.
Andererseits will ich ja meinen Abschluss haben und was lernen. Vielleicht werde ich Malerin. Oder ich werde E-Sportlerin. Oder Meeresbiologin. Oder noch besser: Astrophysikerin. Mal sehen was sich da so ergibt. Und dazu brauche ich diesen bekloppten Abschluss. Vielleicht hat Polarstern ja recht und ich sollte wirklich schlafen gehen. Aber ich habe keinen Bock. Ich bin eine 17 jährige 11-Klässlerin, ich darf das. So.
Egal, morgen ist Schule. Also schließe ich das Fenster, ohne mich von Polarstern zu verabschieden. Noch einen kurzen Blick werfe ich auf meine Uhr. Es ist gerade mal 0.36 Uhr. Passt schon. Leise gehe ich zu meinem Bett und lege mich schlafen. Ein neuer Tag, den ich überleben muss. Aber bis jetzt habe ich jeden Tag überlebt. Irgendwie ging es bisher immer.
Mein Wecker klingelt wie immer um 6 Uhr. Ich habe wenig geschlafen, aber das bin ich bereits gewohnt, genau so wie die ständige Müdigkeit, die dadurch zustande kommt. Die Nacht ist eben der einzige Zeitraum, wo ich mit meinen Freunden Zeit verbringen kann. Und das muss man doch nutzen!
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Sternenflüsterin
FantasyMelanie kann mit den Sternen reden und führt lange Gespräche mit ihnen. Zu ärgerlich, dass es ein Geheimnis ist, das sie nur mit ihrem Ziehvater und ihrer Ziehschwester teilen kann. Dieser Faktor lässt sie vereinsamen und Trost bei den Sternen suche...