Wann wachen wir auf

111 3 0
                                    

Helenes Augen hafteten auf dem Fernseher vor ihr. Es schien als wäre sie plötzlich in eine Art Tunnel gefangen. Das viele Wasser zu sehen, von dem sie schon im Radio gehört hatte machte ihr nun noch einmal klarer, dass das Hochwasser real war. Sie fühlte die Kälte um sich und gleichzeitig schien sich eine unheimliche schwere auf ihren Brustkorb zu legen. Diese Bilder, die vor ihr, in der Sondersendung immer wieder abgespielt wurden waren echt. Autos die von der Flut mitgerissen worden sind, Häuser, die in sich zusammenstürzten, Menschen, die sich noch auf Dächer retten konnten.
Sie hielt den Atem an, während die Gedanken in ihrem Kopf nur so rasten. Wie viele Menschen wohl keine Hilfe mehr bekommen hatten? Wie viele verletzt worden sind? Wie viele Kinder nun nicht mehr in die Schule gehen konnten, vielleicht kein eigenes Zuhause mehr hatten.
Tränen sammelten sich in ihren Augen.
Natürlich gab es öfter Flutkatastrophen, aber diese war so nah. Selbst in Bayern hatte es unheimlich viel geregnet, aber eben nicht so, wie überall anders. Ihr Herz pochte unangenehm in ihrer Brust.
,,Thommy?“, Rief sie, als Helene merkte, dass sie nicht wusste, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen sollte. All die plötzliche Angst schien auf sie einzuprasseln. Immer wieder sagte sie zu sich selber, dass hoffentlich alles okay war, dass niemand aus ihrem engeren Umkreis betroffen war.
,,Ich bin hier.“ Der Akrobat hatte sich bereits gedacht, dass die Bilder der Katastrophe seine Frau aus der Bahn werfen würden. Sie war ein sehr sensibler, mitfühlender Mensch und manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie das alles hätte verhindern können,egal, wie absurd es war.
Schnell setzte er sich zu ihr auf die Couch und nahm sie fest in den Arm. Das leichte zittern schien nicht enden zu wollen und auch die Tränen wurden langsam mehr.
Thomas wollte gerade ansetzen etwas beruhigendes zu sagen, als Helene sich energisch von ihm löste.
,,Warum sind wir so? „, fragte sie Ins nichts und sah ihren  Mann dabei unverwandt an.
,,Warum können wir nicht ..die Erde ist doch unser Zuhause, wir wohnen auf ihr. Statt das zu würdigen zerstören wir sie, ohne dabei zu merken, dass wir uns selbst zerstören.“ Helene fühlte sich so wütend. Es machte sie wütend, wie ignorant viele Menschen waren, wie verschwenderisch. Gleichzeitig machte es ihr noch mehr Angst.
,,Wie wird nur unsere Zukunft aussehen? Die Zukunft unserer Kinder?“, Flüsterte sie und lehnte sich doch wieder an Thomas, wobei ihre Augen erneut zu ihrem TV glitten. Der Schock des Unwetters machte sie ganz wuschig und gleichzeitig schien ihre Gedanken, ihre Meinungen klarer rauszuwollen als sonst. Ihre Finger griffen nach ihrem Smartphone und ohne irgendwelche Ziele zu haben, was sie hier eigentlich tat, fing sie an einen Text einzutippen. Ein Text über ihre wut auf alles, was die Welt ein bisschen mehr zerstörte:

,,Ich kann’s mit eignen Augen seh’n
Doch was ich sehe nicht versteh’n
Wie könn’n wir uns nur so zerstör’n, nichts fühl’n und nichts hör’n
Was muss noch gescheh’n?“

Es war vielleicht nicht viel, aber das war ihr egal, sie musste das kurz loswerden. Vielleicht könnte sie ein Lied daraus machen, ein Lied aus ihrer Meinung zu all dem. Dann gab sie Thomas ihr Telefon:,, Tust du mir einen Gefallen und schreibst ein paar Leuten, die da in der Umgebung wohnen? Ich hab Angst vor der Reaktion.. Vielleicht können wir irgendwie helfen.“ Der Akrobat nickte:,, Selbstverständlich Hase. Kann ich dich vorher nochmal drücken?“ auch an ihm ging das ganze nicht Spurlos vorbei. Auch er hatte Angst
Das Pärchen nahm sich erneut fest in den Arm, bevor Thomas sich daran machte zu versuchen ihre Freunde zu kontaktieren. Er wusste, dass das nicht leicht werden würde. In vielen Orten gab es keinen Strom oder die Handynetze waren ausgefallen, aber wollte es probieren.
Helene hingegen zog sich in ihr Büro zurück und rief Uwe vom Festnetz aus an. Sie wollte helfen. Sie wusste zwar, dass sie sleber nicht anpacken konnte, aber sie wollte trotzdem helfen. Der Manager und sein Schützling machten letztlich aus, dass dieser ein paar Kontakte mobilisierte und losschicken zum helfen, genauso wie er nach der geeigneten Organisation suchen würde, an die Helene, ohne Aufsehen, spenden könnte.

Ende

RauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt