The Grove

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Konnte es. Und wurde es auch.

Etwa eine Stunde nach unserer Unterhaltung in der Man-in-Moon-Passage, dreißig Minuten nach einem kurzen Zwischenstopp in meiner Wohnung und etwa zehn Sekunden nachdem Serafina ein paar Kräuter verbrannt und irgendeine Zauberformel gemurmelt hat, lande ich aus großer Höhe in einem dornigen Gestrüpp.

Stöhnend sammele ich meine Gliedmaßen ein und bahne mir einen Weg aus dem Gebüsch. Es ist stockfinster um mich herum, doch der Geruch nach feuchter Erde, süßem Baumharz und würzigen Wildkräutern lässt mich erahnen, dass ich mich in einem Wald befinde.

Kurz darauf bestätigt sich mein Verdacht. Ich kann den Mond durch die Baumwipfel schimmern sehen.

»Der Wanderzauber war leider etwas unkontrollierbar«, höre ich Serafina sagen, während sie neben mir aus dem Unterholz stakst. »Das liegt daran, dass unreife Stechäpfel noch kein ausreichend hohes magisches Potential besitzen. Aber etwas anderes hatte ich gerade nicht zur Hand.«

»Hm-hm ... aha«, mache ich, als wüsste ich, wovon sie redet.

»Aber Hauptsache, wir sind beide gesund und munter, nicht wahr?«

Ich ziehe es vor, darauf nichts zu sagen. Stattdessen zupfe ich mir die dornigen Zweige von der Kleidung und aus den Haaren. Dann drehe ich mich im Kreis, doch der Wald sieht in alle Richtungen gleich aus. Ein märchenhaftes Arrangement aus moosbedeckten Grantibrocken und krummen Eichen. »Sind wir überhaupt am richtigen Ort?«

»Natürlich«, antwortet Serafina und zieht sich die Kapuze vom Kopf, was ihre geflochtene Haarpracht entfesselt. Ihr Blick wandert über die moosüberwucherten Felsen und die knorrigen Bäume. »Hoffe ich jedenfalls.«

»Tolle Magie«, murmele ich.

»Die Magie hat nichts falsch gemacht. Möglicherweise habe ich mich bei den Meilen oder den Mengenangaben verrechnet.« Serafina lacht leise. »Mathe war noch nie meine Stärke.«

Bevor ich etwas sagen kann, was ich vermutlich später noch bereut hätte, wandert auf einmal ein Licht durch den Wald. Zwei Strahlen, die erst näher kommen, dann abblenden und hinter den Bäumen verschwinden. Begleitet wird das Licht vom an- und abschwellenden Schnurren eines Motors. Dem dumpfen Klang nach zu schließen, ein Geländewagen.

»Da ist eine Straße!«

Ich setze mich in Bewegung und jogge durch den Wald. Kleine Zweige und trockenes Laub knistern unter meinen Sportschuhen. Einmal rutsche ich fast auf einem feuchten Stein aus, aber ich kann mich auf den Beinen halten und breche schließlich aus dem Unterholz.

Vor mir liegt tatsächlich eine Straße. Oder ... na ja, zumindest eine matschige Schneise. Die Reifenspuren führen tiefer in den Wald. Ob nach Norden, Osten, Westen oder Süden kann ich nicht sagen. Schon bei Tag wäre es mir schwer gefallen, die Himmelsrichtungen richtig zuzuordnen, bei Nacht ist es absolut unmöglich. Ich bin eben alles andere als ein Naturbursche. Dante könnte es, denke ich. Aber dieser Gedanke ist überhaupt nicht hilfreich.

»Ich könnte ein paar Wildkräuter sammeln und es nochmal probieren«, schlägt Serafina vor.

»Keine Zeit«, erwidere ich und laufe erneut los, den Reifenspuren hinterher.

Etwa zwanzig Sekunden lang bin ich davon überzeugt, einen großen Fehler zu begehen, dann setzt eine Art gedankliche Umkehr ein und meine Überzeugung verwandelt sich in eine Es-muss-einfach-klappen-Haltung. Ich habe schlicht keine Zeit, um nochmal von vorne anzufangen. Nicht, wenn ich Dante und den kleinen Schakal retten will.

Nach etwa fünfhundert Yards und kurz bevor mir die Puste ausgeht, kann ich die ersten Lichter durch das Unterholz flimmern sehen. Dieser Anblick gibt mir neuen Schwung.

Dante & Nick: Down The Rabbit HoleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt