The Hunt

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Thomas Knight ist eine beeindruckende Erscheinung. In seinem maßgeschneiderten Anzug und mit dem kalten Glühen in den Augen. Trotzdem kann ich mich kaum vom Anblick der zwei Wölfe losreißen, die ihn flankieren. Sie sind beide groß und struppig, mit graubraunem Fell und langen Beinen. Mein Fluchtreflex wird beinahe übermächtig. Hätte O'Hare mich nicht am Ärmel festgehalten, hätte ich mich vermutlich instinktiv verwandelt und wäre blindlings davongerannt.

»Serafina Crow«, intoniert der Beta des Griffin-Rudels und deutet eine spöttische Verneigung an. »Die einzige Londoner Hexe mit einem Todeswunsch.«

»Ich sehe hier nur einen mit einem Todeswunsch«, entgegnet Serafina kalt. Dabei lässt sie Knight nicht aus den Augen und fährt weiterhin unentwegt mit dem Zeigefinger durch die Luft. Als würde sie unsichtbare, verschlungene Linien nachmalen.

»Was soll das, Mister Knight?«, fragt O'Hare. »Miss Crow hilft uns dabei, Ihre Schutzbefohlene zu finden.«

Knight fährt sich mit der Hand über die grau melierten Stoppeln an seinem Kinn. Bei der Bewegung blitzen die zahlreichen Ringe an seinen Fingern hell auf. »Wer gibt schon etwas auf das Wort einer Hexe?« Er misst O'Hare mit einem drohenden Blick und ich kann sehen, wie sich der Körper meines Begleiters anspannt, als würde er einen Schlag erwarten. »Ihre Aufgabe war es, in den alten Tunneln nach Clover und dem fremden Wolf zu suchen.«

»Schakal«, erwidert O'Hare bissig. »Clovers Seelenverwandter ist ein Schakal. Das ist doch das Problem, oder?«

»Sie mischen sich in Angelegenheiten ein, die Sie nichts angehen«, entgegnet der Beta.

O'Hare lässt sich jedoch nicht einschüchtern. »Weiß Mister Griffin vom Seelenverwandten seiner Tochter? Und was werden Sie mit dem Jungen machen, wenn wir ihn finden sollten? Wird er einen bedauerlichen Unfall haben?«

»Auch das geht Sie nichts an.«

Vielleicht bin ich wirklich ein Angsthase, aber mir kommt ein erschreckender Gedanke.

»Was werden Sie mit uns machen, wenn wir die zwei gefunden haben?«

Knight lächelt, aber es ist mehr ein Zähnefletschen. »Die Frage lautet doch eher, was werde ich mit Ihnen machen, wenn Sie sie nicht finden, Mister Boone.«

Anschließend senkt er den Blick auf seine wölfischen Begleiter und schnalzt mit der Zunge, als würde er Hunden einen Befehl erteilen. Die beiden Raubtiere setzen sich in Bewegung und kommen langsam auf uns zu. Gleichzeitig geht ein Ruck durch Knights Körper. Die Grübchen und Furchen in seinen Wangen werden tiefer, seine Haut spannt sich über seinen Schädel, dann scheint sein Gesicht  zu zerfließen wie Wachs über einem offenen Feuer. Er schrumpft und wächst gleichermaßen. Die dabei freiwerdenden Kräfte sprengen sein Hemd und seine Anzugjacke. Ein Knopf zischt wie ein Geschoss an meinem Kopf vorbei.

Plötzlich packt jemand meine Hand. Es ist Serafina. »Verschwinden wir von hier«, sagt sie und stoppt die Bewegung ihres Fingers.

Daraufhin gibt es einen grellen Blitz und die Welt gerät ins Schwanken, als wäre direkt neben uns eine alte Weltkriegsbombe hochgegangen. Eine gestaltlose Schwere scheint meinen Körper von außen zusammenzudrücken. Farben schillern vor meinen Augen und ich habe den Eindruck, in ein rotierendes Kaleidoskop gesaugt zu werden. Der Boden sackt ein paar Inches ab und ich muss einen Ausfallschritt machen, um mich auf den Beinen zu halten. Dabei wird mir bewusst, dass ich mich nicht mehr im Innern des Boudoirs befinde, sondern draußen auf der Straße.

»Nick!«

O'Hare zerrt mich herum. Gerade noch rechtzeitig. Ein Auto braust hupend an mir vorbei.

Dante & Nick: Down The Rabbit HoleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt