The Rabbit

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»Hey, Nick ... lebst du noch?«

»Ja«, antworte ich und füge ein stummes leider hinzu.

Dann rappele ich mich auf und lasse den Blick schweifen. Der Außenkeller des Knight-Anwesens ist erstaunlich geräumig. Es gibt mehrere Zimmer, die Wände bestehen aus Beton, die Türen aus Stahl. Links der Treppe steht ein Schreibtisch mit einem modernen Computer und einer kleinen Tischleuchte, in deren Lichtpegel mehrere Dokumentenmappen ausgebreitet liegen. Darüber sind etwa ein Dutzend Bildschirme angebracht. Die Anordnung lässt mich an einen Überwachungsraum in einem Kaufhaus denken.

Auf der anderen Seite des Zimmers befindet sich etwas noch Seltsameres:  Ein mannshoher Metallkasten mit unzähligen Analogdisplays, Zeigern, Schaltern, Knöpfen und Lautsprechern, der mich an eine Funkanlage aus dem zweiten Weltkrieg erinnert.

»Was ist das hier?«

»Knights Kommandozentrale«, antwortet Dante.

Ich folge seiner Stimme durch eine offenstehende Tür in den angrenzenden Raum hinüber. Dort sitzen er, Evie, Clover und der ägyptische Junge aus der Vergessenen Metropole in einem großen Glaskasten, der etwa auf Kopfhöhe eine Reihe kleiner Luftlöcher aufweist. Daneben befindet sich noch ein weiterer Käfig. Allerdings einer, der sich auch in einem SM-Studio gut gemacht hätte. An den Wänden hängen Gurte und Ketten, aber zum Glück keine Peitschen oder Reitgerten, auch wenn ich denke, dass Knight beides leicht auftreiben könnte.

Schnell schüttele ich den Gedanken ab und widme mich Dante. Er und Evie lehnen nebeneinander an der Rückwand ihres Gefängnisses. Beide sind nackt, aber Knight hat ihnen Decken gegeben, mit denen sie sich verhüllen können. Dantes rechte Hand ist mit einer Mullbinde umwickelt und er hat ein geschwollene Wange. Als hätte ihm jemand eine verpasst. Davon abgesehen scheint ihm nichts zu fehlen. Er lächelt und seine Augen leuchten so abenteuerlustig wie ich es von ihm gewohnt bin.

»Hi ...«, murmele ich erleichtert.

Im nächsten Moment wird mir bewusst, dass ich mich nach dem Sturz verwandelt haben muss. Rasch schnappe ich mir einen Kolter, der auf dem Boden liegt und voller Tierhaare ist. Dante, Evie und der kleine Junge haben mich zwar schon nackt gesehen, aber ich will Clover keine Angst einjagen, auch wenn sie als Werwolf bestimmt an den Anblick nackter Männer gewöhnt ist.

»Und?«, erwidert Dante. »Bist du auch durch's Feuer gegangen?«

Ich nicke langsam.

»Wie war's? Hat sich irre angefühlt, oder?«

»Kein Vergleich zu dem Wanderzauber, mit dem ich hergekommen bin.«

Dantes Augen leuchten noch etwas heller. Fast könnte man es Moon Glow nennen.

Ich fasse mir ins Gesicht. »Was ist mit deiner Wange? Hat Knight das getan?«

»Das?« Dante spiegelt meine Bewegung. »Nein, das war-«

»Ich«, sagt Evie mit schneidender Stimme.

»Aber wieso?«

Evie wirft Dante einen bösen Blick zu. »Weil dieser Vollidiot von einem Hasen meinen Stiefsohn in einer unterirdischen Stadt zurückgelassen hat.«

»Hat ganz schön weh getan«, mault Dante.

Ich bin so gerührt, dass ich gar nicht weiß, was ich sagen soll.

Also wende ich mich an Clover. Sie ist ein wirklich süßes Mädchen mit hellbraunen Haaren, großen Augen, vollen Lippen und einer winzigen Stupsnase. Trotz ihres Alters von zwölf Jahren wirkt sie eher wie acht oder neun. Aber dieser Eindruck täuscht. Das sehe ich an der Art, wie sie schützend einen Arm um ihren Seelenverwandten legt. Der Junge hat die gleichen großen Augen wie Clover und wirkt mindestens ebenso entschlossen. Es ist nicht zu übersehen, dass die beiden sich mögen und mehr als bereit sind, füreinander einzustehen, auch wenn sie sich kaum kennen und nicht einmal dieselbe Sprache sprechen. 

Dante & Nick: Down The Rabbit HoleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt