Kapitel 34

4K 208 7
                                    

Wie ich bereits vermutet hatte, erwartete uns ein äußerst luxuriöses Hotel. Schon auf dem Parkplatz wurden wir von mehreren Hotelmitarbeitern in Empfang genommen, die uns in Brasilien willkommen hießen. Doch all das bekam ich nur nebenbei mit. Es konnte nur noch wenige Minuten dauern, bis ich mit Harry alleine sein würde. Irgendwo tief in mir drinnen spürte ich so etwas wie Vorfreude, aber hauptsächlich war ich unglaublich nervös und ängstlich. 

Die Lobby edler als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Riesige Kronleuchter hingen von der Decke und ließen die Halle in warmem Licht erstrahlen. Wir bekamen unsere Zimmerschlüssel überreicht und spätestens jetzt bestätigte sich mein Verdacht: Harry und ich teilten ein Zimmer. Unsere Koffer wurden für uns nach oben gebracht, sodass wir alle zusammen in den riesigen Fahrstuhl passten, der uns bis in die höchste Etage brachte. Dort verabschiedeten wir uns für’s Erste von einander, um unsere Zimmer zu beziehen. Liebend gern hätte ich mich noch länger auf dem Flur aufgehalten, doch ich wusste, dass ich früher oder später ohnehin mit Harry reden musste. Also folgte ich ihm mit klopfendem Herzen in unser Zimmer. Seit der Begrüßung am Flughafen hatte er kein weiteres Wort mit mir gewechselt. Allgemein war er nicht sehr gesprächig gewesen, was meine Nervosität noch steigerte. Unser Zimmer war etwas größer als ein reguläres Hotelzimmer, allerdings nicht viel. Neben einem großen Himmelbett gab es eine Sofaecke und offenbar einen Balkon. Harry blieb mitten im Raum stehen und drehte sich zu mir um. „Bett oder Sofa?“ Es dauerte ein paar Sekunden bis ich seine Frage verstand. Er wollte anscheinend nicht mal ein derart großes Bett mit mir teilen. Sonderlich überraschen tat mich das nicht. „Wie du willst.“, murmelte ich und sah zu Boden. Dann fasste ich einen Entschluss. Wenn nicht jetzt, wann dann? „Harry, ich-“ Aber weiter kam ich nicht. Denn in diesem Moment klopfte es an der Tür. Ohne mich anzusehen, ging Harry an mir vorbei und öffnete sie. Auf dem Flur stand einer der Pagen, neben ihm unsere Koffer. Harry reichte ihm etwas Trinkgeld und schob die Koffer dann ins Zimmer. Meinen stellte er neben das Bett, seinen eigenen neben das Sofa. „Du kannst von mir aus auch das Bett haben.“, widersprach ich, was bei Harry keinerlei Reaktion hervor rief. Dann eben nicht. In der Hoffnung dieses Mal nicht unterbrochen zu werden, startete ich einen neuen Versuch. „Ich glaube wir sollten so langsam mal in Ruhe miteinander reden.“, teilte ich Harry mit. Dieser sah mich nur kurz mit hochgezogenen Augenbrauen an, ließ sich dann auf das Sofa fallen und widmete sich seinem Handy. Verärgert verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Ich weiß, dass du sauer auf mich bist, aber mich die ganze Zeit nur anzuschweigen bringt dich ganz bestimmt auch nicht weiter.“ - „Gar nichts weißt du.“ Es war nur ein leises Flüstern und dennoch voller Hass. Für einen Moment war ich unfähig, zu sprechen. „Ich habe einen Fehler gemacht, Harry. Einen riesigen Fehler. Ich kann verstehen, dass du mir das nicht verzeihen kannst, aber jetzt bin ich hier und ich würde wenigstens gerne versuchen, dir alles zu erklären.“ Harry warf sein Handy beiseite und schüttelte fassungslos den Kopf. „Weißt du, es gab sogar einen Moment, in dem ich das auch dachte. Ich dachte, vielleicht hast du wirklich nur einen riesigen Fehler gemacht, aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht war doch nicht alles gelogen. Aber dann habe ich einen Anruf bekommen.“ Mit wutentbranntem Gesichtsausdruck stand er auf. „Reicht es dir nicht, dass du mein Herz buchstäblich in Stücke zerrissen hast? Ist dir das nicht genug? Offenbar nicht. Offenbar ist dir dein beschissener Job wichtiger als die Gefühle anderer Menschen.“ Langsam schüttelte ich den Kopf. „Nein, Harry. Das stimmt nicht. Ich bin nicht wegen meinem Job hier, sondern nur wegen dir. Um mit dir zu reden und um dir zu beweisen, dass ich dir nie etwas vorgespielt habe.“ Mit einem halben Lächeln nickte Harry. „Du machst das wirklich gut. Die ganze Sache mit der Schauspielerei. Kein Wunder, dass Logan dich ausgewählt hat.“ - „Ich habe nie geschauspielert! Ja, unsere Begegnungen waren gezielt eingefädelt. Aber alles andere war ich.“ So sehr ich mich auch bemühte, es war aussichtslos. „Du hast mich einen Monat lang durchgängig angelogen. Also verlang jetzt nicht von mir, dass ich dir auch nur ein Wort glaube.“, sagte Harry und setzte sich wieder hin. Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben. Und außerdem schuldete er mir noch einige Antworten. „Aber du hast nicht gelogen, oder wie?“ Mit gerunzelter Stirn sah Harry mich wieder an. „Wie bitte?“ Er hatte mich genau verstanden, da war ich mir sicher. „Los Angeles.“, war alles, was ich entgegnete. Für einen ganz kurzen Moment sah es so aus, als fehlten ihm die Worte. Dann zuckte er mit den Schultern und murmelte: „Als wenn das jetzt noch eine Rolle spielen würde.“ - „Natürlich spielt das eine Rolle!“, widersprach ich ihm. „Du hast ein zweites Zuhause in Los Angeles, in dem du anscheinend planst einen Großteil deiner Zeit zu verbringen und erwähnst es kein einziges Mal? Was hättest du getan wenn der Vertrag nicht existieren würde? Wärst du dann auch einfach abgehauen oder hätte ich wenigstens einen Abschiedsbrief gekriegt?“ - „Es spielt keine Rolle was ich getan hätte, denn der Vertrag existiert. Und du hast ihn unterschrieben. Also tu jetzt nicht so als sei ich derjenige, der sich in irgendeiner Form zu rechtfertigen hätte.“ Harry war wieder aufgestanden, die Hände zu Fäusten geballt. Sofort erschien Logans verunstaltetes Gesicht vor mir und automatisch wich ich einen Schritt zurück. Diese schreckhafte Bewegung schien Harry nicht entgangen zu sein. Etwas in seinem Gesicht veränderte sich. Er sah nicht länger wütend und hasserfüllt aus, stattdessen wirkte er verzweifelt, fast verängstigt. Schnell wandte er seinen Blick ab. „Harry…“, sagte ich leise. „Wieso weiß niemand, dass wir nicht mehr zusammen sind? Warum hast du niemandem gesagt, wer ich wirklich bin?“ Harry setzte sich hin und vergrub sein Gesicht in den Händen. Zuerst dachte ich, er würde mir gar nicht erst antworten. Doch dann hob er seinen Kopf wieder, sah mich allerdings nicht an. „Ich habe meine Gründe. Aber die gehen dich wirklich nichts an.“ Ich fragte nicht weiter nach. Eines Tages würde ich diese Gründe möglicherweise erfahren. Aber heute ganz bestimmt nicht. Trotzdem konnte ich mir eine Frage nicht verkneifen: „Hast du keine Angst, dass ich es ihnen sage?“ Ein kurzes, spöttisches Lachen erfüllte den Raum. Dann schüttelte Harry den Kopf. „Du hast einen Vertrag unterschrieben, Emma. Du darfst niemandem die Wahrheit sagen.“ 

SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt