Die kommende Woche war die wohl Ereignisreichste, seit ich Harry kennengelernt hatte. Doch gleichzeitig war es die Ruhe vor dem Sturm, den ich schon seit langem befürchtete.
Dabei fing alles so gut an: Am Dienstagmorgen konnte Harry mich dazu überreden, ihn beim joggen zu begleiten. Es gab nicht wirklich ein Argument was dagegen sprach, außer der Befürchtung, dass er mir buchstäblich davon laufen würde. Harry schüttelte jedoch nur lachend den Kopf, als ich es ihm gegenüber erwähnte. „Zieh dich um, ich warte unten auf dich.“, verkündete er, küsste mich und war bereits verschwunden.
Allerdings war es offenbar nicht ganz unbemerkt geblieben, dass Harrys Haus mittlerweile wieder bewohnt wurde. Somit dauerte es nicht lange, bis wir mitten in einem Blitzlichtgewitter landeten. Zuerst realisierte ich überhaupt nicht was gerade passierte. Von überall kamen irgendwelche Rufe, während ich von hellem Licht geblendet wurde. Reflexartig griff ich nach Harrys Hand. Doch er ließ sie sofort wieder los. Stattdessen schlang er einen Arm fest um meine Taille. „Mach die Augen zu. Vertrau mir.“, murmelte er in mein Ohr. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, folgte ich seinen Anweisungen. Und sofort wusste ich, dass ich das Richtige tat. Denn schon jetzt sah ich noch immer die Blitze der Fotoapparate vor meinen geschlossenen Augenlidern. Blind ließ ich mich von Harry führen. Für eine Weile folgten die Fotografen uns, stellten Fragen über Fragen. Irgendwann schienen sie jedoch zu realisieren, dass sie keine Antworten erhalten würden. Um uns herum wurde es stiller. Harry verlangsamte seine Schritte trotzdem nicht. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und erkannte Harrys Haus am Ende der Straße. Erst als er die Haustür wenig später hinter uns geschlossen hatte, ließ er mich los. Er vergrub sein Gesicht in den Händen und ging rastlos auf und ab. Schließlich blieb er mit hängendem Kopf vor mir stehen. „Es tut mir so leid, Em.“, flüsterte er. „Das hätte nie passieren dürfen, ich war viel zu unvorsichtig, ich hätte-“ Ich hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Harry. Hör auf dich zu entschuldigen. Früher oder später wäre das doch sowieso passiert.“, versuchte ich ihn zu besänftigen. Langsam hob er den Kopf und sah mich unsicher an. „Du bist nicht sauer auf mich?“ Entgeistert schüttelte ich den Kopf. Weshalb sollte ich sauer auf ihn sein? „Und du hast auch nicht vor, mich zu verlassen?“ – „Was redest du da für einen Unsinn, Harry? Nur wegen dieser einen… Begegnung-“ Dieses Mal war er derjenige, der mich mit einem wilden Kopfschütteln unterbrach. „Nein. Nicht deswegen. Emma, die Fotografen werden innerhalb weniger Stunden rausfinden wer du bist. Und dann werden sie dich nicht mehr in Ruhe lassen. Das da eben war noch harmlos, glaub mir.“ Ich seufzte, dann zuckte ich mit den Schultern. „Denkst du das weiß ich nicht? Ich weiß wer du bist, Harry und ich weiß, dass dein Leben nicht gerade… normal ist. Natürlich hat es Konsequenzen mit dir zusammen gesehen zu werden, aber das ist es mir wert. Bitte glaub mir das. Ich gehe nirgendwo hin. Nicht ohne dich.“ Ohne Vorwarnung presste Harry seine Lippen auf meine. In diesem Kuss steckten unendlich viele Emotionen, über die es unmöglich war zu sprechen. Nach einer gefühlten Ewigkeit trat Harry einen Schritt zurück. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht. „Verstehst du jetzt, warum ich normalerweise lieber morgens im Dunkeln joggen gehe?“
Drei Stunden später hörte ich ein leises Klopfen an der Schlafzimmertür. Ich war gerade dabei meine Sachen zusammen zu packen, um dann zurück in meine Wohnung zu fahren. Harry öffnete die Tür und kam herein. Unter seinem Arm hielt er seinen Laptop. „Hast du kurz Zeit?“ Er klang ungewohnt nervös. „Klar, was ist los?“ – „Ich wollte dir nur etwas zeigen.“, murmelte er und setzte sich auf das Bett. Sofort nahm ich neben ihm Platz. Er klappte seinen Laptop auf und öffnete Twitter. Dann tippte er schlicht und einfach seinen eigenen Namen in die Suchleiste. Sofort erschienen Millionen Beiträge. Langsam scrollte er durch sie hindurch, genau im richtigen Tempo, sodass ich alles lesen konnte. Fast in jedem der Tweets ging er um die Fotos von Harry und mir, die mittlerweile offenbar überall im Internet kursierten. Ich befürchtete schlimmes. Doch zu meiner Überraschung waren die meisten Beiträge überaus positiv. Fans, die sich freuten, dass es jemanden an Harrys Seite gab. Dass dieser jemand ausnahmsweise mal nicht berühmt war. Mein Name tauchte nirgendwo auf. Natürlich gab es Spekulationen, aber hauptsächlich war ich ‚die große Unbekannte‘. „Die meisten wirken… glücklich.“, stellte ich leise fest. Harry nickte. „So eine Reaktion habe ich ehrlich gesagt noch nie erlebt. Weder bei mir, noch bei einem der anderen Jungs. Ich würde sagen, das ist ein gutes Zeichen.“ – „Das ist es, ganz bestimmt.“
Und dann zogen die ersten dunklen Wolken am Horizont auf. Es begann mit einer Nachricht von Abby. Ich hatte schon derart lange nichts mehr von ihr gehört, dass ich die Gedanken an den Vertrag für eine Weile tatsächlich verdrängt hatte. Doch mit der Nachricht kehrte alles zurück. Es war eine Erinnerung an mein erstes monatliches Treffen mit Logan Shepard. Ich wollte nicht mit ihm sprechen. Er würde alles wissen wollen, was in den letzten Wochen passiert war. Ich musste mir vorher ganz genau überlegen was ich ihm erzählen würde und was nicht. Das würde alles andere als einfach werden.
Glücklicherweise musste Harry am Freitagmorgen arbeiten. So blieb es mir erspart, ihm zu erklären, wo ich so früh hin musste. Wie zu erwarten holte mich mein üblicher Fahrer ab und brachte mich zum Büro. Dort wurde ich von einem strahlenden Logan Shepard erwartet.
„Emma Reynolds. Unsere Heldin!“ Etwas unsicher blieb ich im Türrahmen stehen. Es war schwer zu sagen, ob er das sarkastisch oder tatsächlich ernst meinte. „Setzen Sie sich, setzen Sie sich.“, sagte er und deutete lächelnd auf den Stuhl ihm gegenüber. Sofort fühlte ich mich in die Vergangenheit versetzt. Der Tag an dem ich genau hier den Vertrag unterschrieben hatte, schien schon ewig her zu sein. Damals war ich Harry noch kein einziges Mal begegnet. Und jetzt konnte ich mir ein Leben ohne ihn kaum noch vorstellen.
Logan Shepard verschränkte die Arme und sah mich, weiterhin mit einem strahlenden Lächeln, über den Tisch hinweg an. „Ich muss sagen, ich bin begeistert. Niemals hätte ich gedacht, dass dieses Projekt so erfolgreich sein würde. Um ehrlich zu sein, riecht das sehr stark nach einer sofortigen Gehaltserhöhung!“ Fast schon panisch schüttelte ich den Kopf. „Nein! Bitte nicht. Ich mache doch nur meinen Job… nichts weiter.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Und wie Sie den machen! Hervorragende Arbeit! Wenn Sie kein Geld wollen… gibt es sonst etwas, das wir für Sie tun können? Vielleicht fällt Ihnen etwas ein, das Ihre Arbeit erleichtern würde?“ Wieder schüttelte ich den Kopf. „Nein. Momentan läuft alles wirklich super. Ich denke ich komme ohne… Hilfestellungen zu Recht.“ – „Perfekt. Wirklich, Sie übertreffen all meine Erwartungen.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Mit Harry kommen Sie also gut zurecht?“ Sofort gefror mir das Blut in den Adern. Jetzt musste ich sehr vorsichtig sein. „Ja. Er ist sehr… charmant.“ Logan Shepard lachte. „Oh ja, charmant ist der Junge in der Tat. Seien Sie aber vorsichtig, Ms Reynolds. Ihm zu verfallen würde ganz bestimmt nicht von Vorteil sein.“ … Dafür ist es etwas zu spät. Natürlich konnte ich ihm das nicht sagen. Stattdessen setzte ich ein gespieltes Lächeln auf. „Keine Sorge. Dazu wird es definitiv nicht kommen.“, versicherte ich ihm. „Schön schön. Dann würde ich Ihnen jetzt gerne jemanden vorstellen.“ Ich atmete auf. Der schlimmste Teil dieses Treffens schien überstanden zu sein. Logan Shepard drückte einen Knopf auf seinem Telefon. „Abby? Du kannst jetzt reinkommen.“
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Secrets
FanficSie sah ihn bereits von weitem. Seine braunen Locken verrieten ihn, dagegen half auch die dunkle Sonnenbrille nicht. Sie wusste, dass es nicht einfach werden würde. Doch es war ihr Job. Seufzend erhob sie sich und ging in seine Richtung. Natürlich w...