Kapitel 8

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Die schönen Herbsttage waren nun vorbei. Die einst leuchtend bunten Blätter lagen nun matschig am Boden, niedergedrückt vom nicht abreißen wollenden Regenstrom der sich vom Himmel ergoss. Eine dicke düstere Wolkendecke schien die Welt umschlossen zu haben.
Daliah saß am Fester auf Haufen dicker Kissen eingewickelt in eine mollige Decke, hörte klassische Musik (sie liebte einfach Soundtracks) und zeichnete einen jungen Mann, von dem sie nicht wusste, wer er war. Nachdem Mr. Unbekannt ihr geschrieben hatte, dass er nicht annähernd so aussah wie die Zeichnung, die sie zuerst gemacht hatte, war ihr Ehrgeiz nun geweckt. Sie hatte versucht eine Beschreibung, wie er aussah, aus ihm raus zu kitzeln. Doch er blieb hart und wollte nichts über sich verraten. Auch nicht seine Adresse, die sie brauchte, damit sie ihm das Geschenk schicken oder bei der USA-Reise bringen konnte. Aber er blieb hart. Gedankenversunken fuhr sie sich mit dem Ende des Bleistifts, mit dem sie gerade gezeichnet hatte, über ihre Lippen. Warum wollte er absolut nichts von sich preisgeben? War es ihm peinlich? Oder traute er ihr nicht? Dachte er, sie war vielleicht so, wie diese Frau, die ihm jetzt nachstellte? Diese Vorstellung versetzte ihr einen Stich. Sie vertraute ihm völlig, überlegte ihm ihren Namen zu sagen, ihn zu besuchen, ihn wirklich kennenzulernen. Und er traute ihr nicht. Doch dann verscheuchte sie diesen Gedanken. Vielleicht wollte er einfach nur das Prinzip der Idee beibehalten. So würden sie nie schlecht wegen Äußerlichkeiten übereinander denken, Nie Vorurteile haben. Sie gestand sich ein, dass sie nicht wusste, ob sie genauso über ihn denken würde, wenn er vielleicht nicht so aussah, wie sie ihn sich vorstelle. Wie die Lieblingsbuchfigur, die in der Verfilmung mit einem zu der Vorstellung von ihr völlig unpassenden Schauspieler besetzt wird.
Sie strich sich eine braune Locke hinters Ohr, die sofort ihr zurück ins Gesicht fiel und widmete sich wieder der Zeichnung. Plötzlich klopfte es an der Tür, was sie so sehr aus ihren Gedanken riss, dass sie einen groben Strich über das Papier zog. Mia steckte den Kopf herein.
„Ich hab uns gerade eingetragen. Wir fliegen nach Santa Monica.“. Sie kam rein und ließ sich auf Daliahs Bett fallen.
„Wie viel kostet der Spaß jetzt?“. Sie stand vom Kissenstapel auf und ließ sich neben ihrer besten Freundin auf das Bett plumpsen.
„ca. 2.531 Euro.“, antwortete die Blonde keck, als fände sie es lustig, obwohl sie wusste, dass Daliah das Geld nicht hatte. Im Gegensatz zu ihr, bekam sie alles von ihren Eltern bezahlt und gab dazu noch Englisch-Nachhilfe, was ihr zusätzlich Geld einbrachte.
„Shit!“, fluchte die Brünette.
„Das bedeutet, du musst wieder bei der Zeitung arbeiten. Die werden dich mit offenen Armen aufnehmen!“ Mia  schien sich sehr darüber zu freuen, dass Daliah nun wieder bei ihrem alten Nebenjob anfangen musste. Sie hingegen wollte das absolut nicht, auch wenn sie damals sehr gut gewesen war und da das Magazin sehr populär war, hatte sie gute Aussichten auf eine vielversprechende Kariere als Journalistin gehabt.  Doch das hatte eher ihr Vater ermöglicht, der ein guter Freund der Verlagschefin war. Das gefiel ihr nicht. Sie wollte selber etwas schaffen. Außerdem widerstrebte es ihr für ein Klatschmagazin im Dreck anderer Leute zu wühlen und Dinge an die Welt weiterzureichen, die keinen etwas angingen außer die Betreffenden selbst. Und  Oliver arbeitete dort. Sie hatte ihn dort kennengelernt. Und sie wollte ihn eigentlich nicht sehen.
„Sieht wohl so aus.“
„Aber du bist so gut. Warum bist du dagegen? Du könntest damit richtig Geld machen. Du weißt, dass diese Zeitung auch im Ausland gedruckt wird! Ich will doch nur das Beste für dich.“ Daliah nickte nur. Sie wusste, dass Mia ihre Gründe niemals richtig verstanden hatte. Sie überredete sie schließlich, am nächsten Morgen dort hinzugehen, dann verließ sie das Zimmer. Daliah wollte Mr. Unbekannt davon schreiben. Sie wusste, er würde es verstehen.
Am nächsten Tag machte sie sich dann auf den Weg zum Verlag. Der stürmische Wind peitschte ihr um die Ohren und ins Gesicht. Sie schlug den Kragen ihres Mantels hoch und beschleunigte ihren Schritt. Sie hatte die E-Mail nicht gelesen, die er ihr mittlerweile sicher schon geschrieben hatte. Sie war sich sicher, dass er ihrer Meinung sein würde und ihr davon abraten würde. Nicht nur, weil er grob die Geschichte von Oliver wusste und gesagt hatte, er wäre ihrer nicht wert.  Er fände es nicht gut, wenn sie etwas täte, was sie nicht wollte. Auch nicht, wenn sie damit einen guten Job und viel Geld bekommen würde. Er schrieb immer: „Life is too short to be organized“. Sie hatte darüber gelacht. Schließlich konnte man doch nicht ohne Planung leben. Irgendwann musste man sich schließlich entscheiden, wie man leben und wie man ein solches Leben erreichen wollte. Lebte er ohne einen Plan? 
Sie wollte nicht wissen, was er geschrieben hatte, denn sie wollte nicht in ihrer Entscheidung wanken wegen ihm. Sie hatte sich entschlossen in die USA zu fliegen und dazu musste sie nun einmal arbeiten.
Daliah dachte den ganzen Weg über Oliver nach. Würde sie ihn sehen? Würde es peinlich werden? Würde er überhaupt noch wissen, wer sie war? Doch ihre Angst war unbegründet. Sie sah ihn nicht, während sie direkt von der Information in der pompösen Eingangshalle zum Büro der Verlagschefin geschickt wurde.
„Daliah!“, begrüßte mich Sabine und stand hinter ihrem wuchtigen Schreibtisch auf.
„Setzt dich! Ich hätte ja nicht gedacht, dass du nochmal wiederkommen würdest. Ich hoffe doch, dass das bedeutet, du willst hier wieder arbeiten? Dein Vater wäre sehr glücklich darüber.“
„Ja. Ich fange hier wieder an, wenn das möglich ist.“, antwortete Daliah mit einem flauen Gefühl im Magen und lies sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch sinken.
„Auf jeden Fall! Wir werden schon was für dich finden.“ Daliah schluckte. „Ich bin aber bald für eine Weile in den USA. Da…“ eigentlich hatte sie sagen können, dass sie da nicht arbeiten konnte, doch die Frau mit der gedrungenen Statur unterbrach sie: „Das ist ja prima. Da such ich gleich mal was. Ich muss mal gerade gucken…“ Sie tippte auf ihrer Tastatur. „Wo kommst du denn genau hin?“
„Santa Monica, aber..“. Wieder unterbrach die Chefin sie.
„Das ist perfekt. Ich weiß, was du machen kannst. Ich hab vor kurzem eine Mail von einer Frau bekommen, die behauptet, sie wäre von einem Popstar vergewaltigt worden. Darüber hat noch keine Zeitung berichtet, weil bis jetzt nur Gerüchte im Internet kursieren. So weit ist ja LA nicht. Du könntest da mal versuchen Fotos zu bekommen oder den Sänger mal mit Fragen belagern. Du weißt ja, wie das abläuft. Kannst auch die anderen Bandmitglieder beleuchten. Hier.. die Band heißt… Big Time Rush.“. Ohne wirklich zu wissen, worauf sie sich da einließ, nickte sie.
„Und wer ist der Typ? Wem soll ich das Leben schwer machen?“
„Kendall Schmidt. Ja, genau, Kendall Schmidt heißt der Typ, dem du jetzt auf den Zahn fühlen wirst.“

E-Mail für KendallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt