Kapitel 12

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Die letzten Tage waren für Kendall schrecklich gewesen. Natürlich ging es ja schon Berg ab, seit dem letzten Konzert in Deutschland, seit Rachel ihr Unwesen trieb. Doch seit dem letzten Konzert letzte Woche in LA näherte er sich dem Tiefpunkt  seiner noch jungen Karriere. Und das alles wegen ihr. Wegen Amy Starlet, einer Pressetussi, die sich vorgenommen hatte, sein Leben zu zerstören. An diesem Tag war er eigentlich ganz gut gelaunt gewesen, weil es der Tag war, an dem Daliah in Amerika angekommen war. Vielleicht würde er sie treffen?
Es war ein kleines Open-Air-Konzert, völlige Routine mittlerweile. Sie tranken alle zusammen noch einen Tee um ihre Stimmen aufzuwärmen, dann ein paar Gesangsübungen. Er postete ein Foto von sich und Logan bei den Übungen bei Twitter, wie sie ihre Münder weit aufrissen um die Töne zu treffen, damit sich ihre Stimmbänder dehnten. Schließlich ging’s auf die Bühne. Das Konzert war super, es machte mal wieder Spaß über die Bühne und auf dem Trampolin herum zu springen. Die Fans sangen aus vollem Halse mit, kannten den kompletten Text der Songs. Als sie die Bühne nach eineinhalb Stunden und einer Zugabe verließen, schlug er mit James, Carlos und Logan ein um sich für die gelungene Show zu beglückwünschen. Glücklich zogen sie sich um und machten sich auf den Weg zum Tourvan. Die Presse und Fans mit ihren grellen Schildern säumten ihren Weg. Hier und da gaben sie Autogramme, doch dann hörte er, wie jemand ihn anrief: „Stimmen die Gerüchte? Kendall, mit wie vielen Fans hatten sie schon eine sexuelle Beziehung?“ Sein Innerstes gefror zu Eis. Er starrte die junge Frau an, die anscheinend mit ihrem Outfit versucht hatte älter auszusehen, als sie tatsächlich war. In Wirklichkeit war sie etwa in seinem Alter. Woher wusste diese Journalistin  von Rachel und dem anderen Mädchen? Er fasste sich wieder und erinnerte sich an seine von seinem Manager parat gelegte Antwort: „Kein Kommentar.“ Doch die junge Frau war hartnäckig. „Mädchen sagen, sie haben sie vergewaltigt. Stimmt das?“ rief sie ihm nach. Als er nicht reagierte sondern weiter ging fügte sie hinzu: „Sie nutzen ihren Ruf um Mädchen zu vergewaltigen, für die sie ein Vorbild sind!“ Was behauptete diese dumme Kuh da?! Wut stieg in ihm auf. Sie wusste gar nichts. Er blieb stehen, brachte sich aber unter Kontrolle und wiederholte seine Antwort.
„Ist das ein Geständnis?“ provozierte sie weiter. Er verlor die Beherrschung und drehte sich zu ihr um. „Hören sie auf, so eine Scheiße über mich zu erzählen!“ Seine Bandmitglieder sowie alle Fans und anderen Presseleute  hatten alles mitbekommen und folgten dem Wortduell stumm. Seine Freunde waren zu geschockt um ihm irgendwie zu helfen.
„Sonst was? War das eine Drohung? Kendall Schmidt? War das eine Drohung?“, machte sie sich über ihn lustig, fotografierte ihn, wie er sie anfunkelte. Er ballte die Fäuste, in der Hoffnung so seine Wut abzubauen. Doch dann kam ihm die Security zur Hilfe und retten ihn und seinen Ruf vor dieser Pressezicke. Erleichtert ließ er sich auf seinen Sitz im Van fallen. Doch dieses Erlebnis blieb nicht das Einzige. Diese Journalistin war überall, wo sie auch auftraten und schleuderte ihm weiterhin beleidigende und demütigende Fragen und Behauptungen an den Kopf. Es zermürbte ihn. In vielen Zeitungen wurden Artikel über ihn und seine angeblichen Vergewaltigungstaten abgedruckt. Ihm entging nicht, dass weniger Fans Autogramme von ihm wollten und die Zahl der Schilder mit „I love Kendall“ auf Konzerten rapide sank.  Schließlich begann Rachel noch mit ihrem Telefonterror und sie lauerte ihm sogar noch einmal am Studio auf. Ihr Versprechen, ihn weiterhin zu terrorisieren, blieb ihm im Gedächtnis. Das Einzige, was ihn aufzumuntern vermochte, war der Gedanke daran, dass Daliah, ohne es zu wissen, auf eines seiner Konzerte gewesen war. Er hatte sie vielleicht gesehen und ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie seinem Konzert gewesen war! Mochte sie wohl seine Musik? Sie hatte sich nicht dazu geäußert, was sie von dem Konzert gehalten hatte, sondern nur gefragt, wie er über Boybands dachte. Sie hatte ihm geschrieben, dass sie dort gewesen war, weil ihre beste Freundin Mia dorthin gewollt hatte. Er hatte lange überlegt, was er eigentlich von Boybands hielt, denn, obwohl er selbst in einer war, hatte er eigentlich immer nicht viel davon gehalten. Er hatte, genauso wie Daliah, die ihm das einmal geschrieben hatte, eher Bands wie Incubus und Taking Back Sunday gemocht. Er mochte sie immer noch und im Gegensatz zu Logan hatte er auch Songs von diesen Bands und nicht nur seiner eigenen auf seinem IPod.
Da er noch einige Zeit hatte, bis er heute zum Produktionschef des Senders musste (er wusste nicht, warum er zu ihm gebeten wurde), entschied er sich bis dorthin zu Fuß zu laufen, dann konnte er währenddessen überlegen, wie er seine Probleme lösen konnte. Doch nach 2 ½ Stunden Fußmarsch war er nur noch verzweifelter. Er war sauer auf sich, weil er mit Rachel geschlafen hatte, weil er sich mit Starlet angelegt hatte, obwohl das äußerst unprofessionell gewesen war und weil er ein Star war, was er ja auch gerne war, weil er seine Fans liebte und die Serie und die Band, aber was der Grund dafür war, warum er Daliah niemals sagen konnte, wer er war und deshalb nicht nur die Presse, sondern auch Daliah anlügen musste.
Mit einer dem entsprechenden Laune betrat er den Hauptsitz der Nickelodeon Gruppe und musste feststellen, dass keiner seiner Band- oder Filmkollegen ebenfalls geladen war. Er stand also schließlich ganz allein vor dem riesigen Schreibtisch des Produktionschefs, der ihn über seine gefalteten Hände, die auf der Massivholz-Tischplatte lagen, beäugte.
„Setzen sie sich doch, Mr. Schmidt.“ Er wies auf den Stuhl ihm gegenüber, der etwas zu tief war und einem so den Eindruck vermittelte, winzig zu sein, wenn man darin saß. Kendall folgte trotzdem der Bitte.
„Mr. Schmidt, ich will nicht drumherum reden. Sie wissen sicher, was in der Presse über sie behauptet wird. Das ist kein gutes Image für einen Kindersender. Trotz, dass sie gute Arbeit leisten, wie mir berichtet wurde – das verraten ja auch die Zahlen, die Einschaltquoten, sie verstehen – muss ich sie fragen: Ist etwas dran an den Gerüchten? Ich verlange vollste Offenheit von ihnen.“ Kendall versuchte einen riesigen Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken, dann antwortete er: „Ich kann ihnen versichern, dass ich niemandem etwas getan habe. Ich bin kein Vergewaltiger! Ich hatte zwei Mal etwas mit einem Fan, aber das war niemals gegen ihren Willen. Ich habe ihnen gesagt, dass es nichts Ernstes ist.“ Sein Gegenüber sah ihn durchdringlich an, löste dann seine Hände von einander um wenige Sekunden später die Fingerspitzen aneinander zu legen. Nach einem Moment der Stille, sagte er schließlich: „Ja ja, ich verstehe. Eine Frau davon ist diese Stalkerin, die sie belästigt? Ihr Manager hat mit mir darüber gesprochen. Sie sollten sich für eine nicht öffentliche Methode entscheiden, damit es ein Ende hat. Wenn das Ganze auch noch publik wird,..“ er ließ den Rest des Satzes im Raum stehen, dann fuhr er fort: „Sie haben einige Vorschläge von ihrem Manager erhalten, nicht? Gut. Sollten die Spekulationen um sie jedoch nicht aufhören, dann sehen wir uns gezwungen uns von ihnen zu trennen. Sie verstehen sicher, unser Image als kinderfreundliches Unternehmen ist gefährdet.“ Kendall fielen bei diesen Worten fast die Augen raus. Wurde ihm gerade tatsächlich ein Ultimatum gestellt?
„Tut mir Leid, Mr. Miller, aber ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Wüsste ich es, hätte ich es schon gemacht.“ Antwortete der Blonde, dem das Herz in die Hose gerutscht war. Er wollte seinen Job nicht verlieren, er liebte die Band, die Serie…
„Setzten sie sich mit ihrem Manager zusammen und finden sie Beweise für ihre Unschuld, ich weiß es auch nicht. Aber so können wir das nicht dulden, das sehen sie sicher ein?“ Damit stand er auf, knöpfte sein Jackett zu und wies Kendall die Tür, dessen Verzweiflung, sobald er wieder auf der Straße stand, seinen Höhepunkt erreichte. Alles lief bei Rachel zusammen. Wenn sie nicht damit aufhörte, würde er die Schauspielerei und seine Fans verlieren. Was sollte er dagegen tun? Er musste ihr wohl geben, was sie wollte.

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