E-Mail für Kendall

Kapitel 10

Ein blondes Mädchen um die 18 Jahre saß allein auf einer Bank am Rand des Schulhofs, von dem aus man nicht gesehen wurde und hörte mit ihren Kopfhörern so laut Musik, dass sie die Außenwelt ausblenden konnte. Man konnte wirklich nicht sagen, dass sie hübsch war. Ihre blonden Haare wirkten ungepflegt, weil sie spröde waren und sich von der Luftfeuchtigkeit wellten und sie war pummelig. Zudem trug sie Klamotten, die ihr nicht standen und ihre Formen unvorteilhaft betonten. Sie war sich darüber bewusst. Schließlich hörte sie Kommentare und Beleidigungen darüber an jeden verdammten Tag ihres Lebens. Jede Minute in der Schule war für sie eine Qual. Sie war ein Bilderbuchofer und konnte nichts dagegen unternehmen, denn egal wie viele Stunden sie ihre Haare versuchte zu glätten, sie wellten sich trotzdem, sobald sie das Haus verließ und die teuren Markensachen, die alle anderen trugen, konnte sie sich nicht leisten.
Jeden Tag saß sie mutterseelenallein dort auf dieser Bank und sah den anderen zu, wie sie das Leben lebten, was sie sich wünschte. Sie hasste sich und ihr Leben. Doch was sollte sie tun? Es war zwecklos. Sie hatte aufgegeben.
Doch an diesem Tag sollte sich etwas Entscheidendes ändern. Als sie die Busfahrt nachhause, die aus Beleidigungen und Demütigungen bestanden hatte, überstanden hatte, war sie erleichtert, endlich zuhause zu sein. Nicht, dass es ihre Lage verbessert hätte, doch für den Moment heilte es ein wenig die Wunden sich eine Schokoladentafel aus dem Kuchenschrank zu schnappen und sie komplett vor dem Fernseher aufzufuttern. Ihre Eltern waren sowieso noch nicht da, sie war allein mit ihrem Elend. Lustlos zappte sie durch die Kanäle bis zu den amerikanischen und landete auf einem Kindersender. Sie sah gerne englischsprachiges Fernsehen und verstand es auch sehr gut, denn intelligent war sie. Das war das einzig Gute an ihr, so befand sie.
Die Werbung war gerade zu Ende und eine brandneue Serie wurde angekündigt, deren Premiere sie in wenigen Sekunden erleben würde dürfen. Vier Jungs , auf der Flucht vor einer Horde Mädchen, flimmerten über den Bildschirm. Sie hätten alle vier perfekte Schullieblinge abgegeben: Sie sahen unheimlich gut aus und waren charismatisch. Die Blonde seufzte. Alle waren das, nur sie nicht. Dennoch schaltete sie nicht weg. Sie folgte stattdessen der Geschichte der vier Hockeyspieler aus Minnesota, die zu einem Casting wollten, da einer von ihnen ein berühmter Sänger werden wollte. Doch dieser wurde vom Produzenten als nicht gut genug befunden. Er sagte wörtlich: „Ich suche nicht gut, ich suche das Feuer!“ Und dann, wenig später kam das Feuer in Form eines blonden jungen Mannes. Nicht nur dem Produzenten im Fernsehen gefiel er. Die Blonde vor dem Bildschirm ging in Flammen aus, als sie ihn sich richtig ansah. Ihr Herz schlug schneller und behielt während der kompletten Folge das Tempo bei. Ihre Augen waren gebannt auf diesen
Typen mit den schönen Augenbrauen und den unglaublichen Grübchen. Bald darauf war die Folge jedoch vorbei. Sofort flitze sie hoch an den PC und recherchierte über die Schauspieler der Serie „Big Time Rush“. Der Kerl, der es geschafft hatte, ihr Herz in wenigen Minuten nur über einen Bildschirm zu gewinnen, hieß Kendall Schmidt. Und von nun an suchte sie nach allem, was es über diesen jungen Mann gab. Nach einem Monate wusste sie alles über sein Leben. Alles. Und sie entschied, sich für ihn zu ändern. Etwas aus sich zu machen. Sie wollte ihn treffen und wünschte sich nichts mehr, als dass er sich dann auch in sie verlieben würde. Doch dazu musste sie ein anderer Mensch werden. Und die Verwandlung setzte ein. Sie aß so gut wie nichts mehr, oder steckte sich den Finger in den Hals, wenn sie gezwungen war, doch etwas zu sich zu nehmen. Sie trieb stundenlang jeden Tag Sport und verbrachte den Rest ihrer Zeit damit noch mehr Infos über ihren Angebeteten in Erfahrung zu bringen. Sie gab ihr Geld für Appetitzügler und Kosmetik aus. Als sie dann schließlich die Schulde beendet und das Studium begann, war sie jemand anderes. Auf Anhieb fand sie Freunde, zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie zog in ein Studentenwohnheim in eine Wohnung mit einem netten Mädchen, dass ihr eine wirklich gute Freundin wurde. Sie war schön und beliebt. Viele Männer wollten sie, doch sie verlangte nur nach einem. Und sie schwor sich, sie würde ihn bekommen.