Kapitel 2

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„A-ohhh!" kam es von Daliahs Handy und verkündete, dass sie eine Nachricht erhalten hatte.

„Darf ich?" , fragte ihre beste Freundin Mia. Sie nickte nur und versuchte weiter die Knoten aus ihren Haaren zu kämmen. Sie hasste es, wenn es draußen so schürmisch und regnerisch war, sodass sich ihre feinen Haare so stark verknoteten, bis sie nur noch ein einziges Haargewirr waren nicht und stundenlang entwirrt werden mussten.

„Du hast eine E-Mail."

Während Daliah die Bürste über ihren Kopf zerrte, tippte Mia auf ihrem Handy herum um die E-Mail zu öffnen.

„Von wem?" , fragte sie sie mäßig interessiert. Eine Gegenfrage kam als Antwort von der Blonden zurück: „Was ist Letterfriends.com?"

„Das ist so ne Homepage, wo man einen Brieffreund aus der ganzen Welt zugewiesen bekommen kann. Ich musste mich da mal für eine Studie an der Uni anmelden. Ist schon ein Jahr her, aber seitdem hat mich niemand angeschrieben. Die Seite ist wohl nicht so gut besucht. Ich hab voll vergessen, dass ich da angemeldet bin..."

„Dir hat ein Typ geschrieben. Ich guck mal seine Info an... Er ist Amerikaner. Aber sonst steht hier nichts. Ist ja doof."

„Der Sinn dahinter soll sein, dass du einen Menschen kennen lernst ohne Vorurteile zu haben. Wegen dem Aussehen zum Beispiel."

„Soll ich dir sagen, was er geschrieben hat?", Mia sah ihre Freundin hoffnungsvoll an.

„Nein, mach ich selbst." Sie legte ihre Bürste weg, mit der sie sich schmerzhaft einige Haare ausgerissen hatte und setzte sich neben sie, dann nahm sie ihr das Handy aus der Hand.

Der Brief war natürlich auf Englisch.

Hey Unbekannte,

Ich mache das hier zum ersten Mal. Ich bin eigentlich nicht so der Briefeschreiber, aber ich versuche das hier, weil mein bester Freund meinte, so könnte ich jemanden kennen lernen, der sich noch kein Bild von mir gemacht hat. Schwierig zu erklären.

Wie fängt man so etwas an? Am besten schreibe ich dir einfach etwas zu meiner Person: Ich hasse Regen. Denn es regnet schon seit Tagen aus Eimern und ich weiß nichts mit mir anzufangen bei dem Wetter. Ich liebe Musik, kann Gitarre spielen und behaupte jetzt einfach mal, auch ganz gut singen. Ich mag Tiere, hab wahrscheinlich deshalb auch sieben Haustiere. Hmmm.. ja, ich glaube das wäre es erst mal.

Ich hoffe, du hast Lust mich kennen zu lernen und ganz ehrlich, ich hoffe auch inständig, dass du kein fetter 50jähriger Fettsack bist, der in einem dreckigen, zu kurzen, weißen Rippschirt in einem Sessel sitzt und das hier liest...

Kleiner Scherz, ich freue mich auf deine Antwort.

Liebe Grüße

Mia, die über Daliahs Schulter mitgelesen hatte, seufzte theatralisch „Wie süß!" und schnappte sich das Handy um noch einmal zu lesen. „Nach der Aussage mit dem Fettsack im Rippshirt, musst du wohl nicht befürchten, dass er so einer ist...Wann schreibst du zurück?" Ihre großen braunen Kulleraugen blickten erwartungsvoll. Die Brünette schüttelte nur den Kopf.

„Keine Ahnung, ob ich überhaupt zurück schreiben soll. Was soll ich mit einer Brieffreundschaft zu einem völlig Fremden. Außerdem ist mein Englisch grottig."

„Du machst das doch jetzt nicht nicht wegen der Vielleicht-Beziehung mit Oliver, oder?"

„Nein!", stritt sie etwas zu schnell ab. Mia sah sie vorwurfsvoll an.

„Hallo? Der Typ sitzt am anderen Ende der Welt, ist vielleicht viel älter oder jünger als du und ihr wärt doch nur Brieffreunde. Was schadet es denn, ihm zu antworten. Ist doch cool." Ohne, dass Daliah es mitbekommen hätte, hielt sie wieder das Handy in der Hand.

„Ich bin zu alt für sowas!", versuchte ich es noch einmal schwächlich.

„Daliah, du bist 20, nicht 50! Vielleicht sollte ich den armen Kerl schreiben, dass du doch auf seine Beschreibung passt!" scherzte sie und kniff ihrer Freundin in die Seite, die wieder begonnen hatte an ihren Haaren zu zupfen um sie weiter zu entwirren.

„Haha. Ja, okay, ich schreib dem Typen!", gab sie sich geschlagen. „Aber du liest erst, wenn ich fertig bin. Und danach gehen wir feiern? Ins Blizz?"

„Klar gehen wir dahin. Oliver ist ja heute da, stimmt's? Du solltest den Typen vergessen. Du warst nur ein One-Night-Stand für ihn." Ihre Worte schnitten tief. Aber in Wahrheit hatte sie recht. Doch das wollte Daliah nicht wahr haben.

Als sich Mia auf ihr Sofa fallen gelassen hatte und in einer Zeitschrift lustlos zu blättern begann, widmete sie sich der Mail.

Hey Unbekannter,

Ich muss dich enttäuschen, das Ripptop stimmt leider. Aber es ist weder dreckig, noch zu kurz. Ich kann dich aber beruhigen, ich bin weiblich, 20 Jahre alt und nicht 50 und bin, nach eigener Einschätzung kein Fettsack.

Hmm.. ich bin auch etwas ratlos, was ich schreiben soll. Vielleicht beginne ich einfach wie du:

Nun ja, ich hasse auch dieses Wetter momentan. Vielleicht sollte ich erklären, dass es in Deutschland im Moment auch seit Tagen ununterbrochen stürmt und regnet. Seltsamer Zufall oder? Ich kann es nicht ausstehen, wenn sich meine Haare dann verknoten. Aber egal, dass interessiert dich glaube ich nicht wirklich, oder?

Ich liebe auch Tiere. Ich habe leider kein Haustier. Kannst mir ja eins von deinen abgeben. Ich rate einfach mal, was du für welche hast: drei Katzen, zwei Hunde, zwei Wellensittiche und einen Papagei, richtig? Oder...du bist ein Turnierreiter und hast 7 Pferde! Jetzt hab ich's, oder? Aber ich glaube, für ein Pferd wäre meine Wohnung doch zu klein. Dann bleiben sie doch lieber bei dir.

Zwischenfrage: Willst du mir vielleicht wenigstens dein Alter verraten? Ich hoffe ich schreibe nicht gerade mit einem Rentner.

Zurück zum Wichtigen: Du singst und spielst Gitarre? Das ist ja cool! Vielleicht schreibe ich ja gerade mit einem Rockstar! Kleiner Scherz. Ich bin leider völlig unmusikalisch. Außer singen unter der Dusche, ist das einzig musikalische an mir, mein IPod. Dafür zeichne ich gerne. Meine beste Freundin Mia meint, ich hätte großes Talent. Sie hat mich übrigens dazu überredet dir zu schreiben. Hmm. Jetzt fällt mir auch nichts mehr ein.

Also sende ich dir hiermit liebe Grüße, bis zur nächsten Mail.

Daliah war sich unsicher ob sie dieses verrückte Gebrabbel wirklich losschicken sollte. Ihre Finger wanderten zur Löschen-Taste, als Mia wie aus dem nichts hinter ihr auftauchte und auf senden klickte. Weg war die E-Mail. Weg, auf ihrem schnellen Weg zu Mr. Unbekannt.

„Du denkst sonst zu viel drüber nach!" , erklärte sie ihr Verhalten und zog ihre beste Freundin dann vom Stuhl hoch.

„Komm, wir müssen uns fertig machen, wenn wir noch ins Blizz wollen!"

Mit einem letzten Blick auf den Bildschirm, über den nun ein Aquariumbildschirmschoner flimmerte, und fragte sich, wem sie da wohl gerade geschrieben hatte. Dann folgte sie Mia hinaus.

E-Mail für KendallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt