Kapitel 6

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Es war bereits 5 Uhr morgens, als wir den Weg nach Hause anstrebten.
Lion war so nett, uns zwei Taxis zu rufen. Eines war für Hunter, Mason und Keith, da sie in die entgegengesetzte Richtung zu ihrem Hotel mussten und es so sinnlos war, sich eines zu teilen.
Das andere war unseres, da wir denselben Heimweg hatten.
Lion nahm vorne platz, während Mia und ich uns die Rückbank teilten.

Ich machte es mit gemütlich, da ich spürte, wie die Müdigkeit mich langsam übermannte und schaute aus dem Fenster.
Die Laternen waren längst erloschen und am Horizont sah man bereits, wie die Sonne den neuen Tag erhellte.
Während ich dem Sonnenaufgang meine ganze Aufmerksamkeit schenkte, ließ ich die vergangenen Stunden noch einmal Revue passieren.
Der Abend war einer der besten, den ich seit Jahren hatte.
Und das konnte ich auch in Mias Namen sagen, Hunter konnte kaum die Augen von ihr lassen und ließ sich keine Möglichkeit nehmen, ihr Komplimente zu machen oder ihre Nähe aufzusuchen, das wiederum stachelte die Jungs an, ihn ein wenig aufzuziehen, was uns jedes mal aufs Neue zum Lachen brachte. Auch der Alkohol war in Strömen geflossen, was sich nur allzu gut bemerkbar machte.

Zu Collegezeiten waren Mia und ich ständig unterwegs, feierten und hatten eine Menge Spaß, doch seit wir in das Arbeitsleben eingetaucht waren, sind die Abende immer weniger geworden.
Ich konnte nicht nur der Arbeit die Schuld daran geben, auch war es meine eigene, da ich es seit meiner letzten Beziehung mied, unter Leute zu gehen, geschweige denn kennenzulernen, so sehr hatte mich sein Verrat damals verletzt. Stattdessen vergrub ich mich hinter meiner Arbeit, denn da wusste ich, was ich tat und musste niemandem vertrauen außer mir selbst.
Wenn ich so drüber nachdachte, vermisste ich diese Zeiten der Unbeschwertheit und dem Gefühl von Freiheit.

Noch immer in Gedanken spürte ich plötzlich eine Hand auf meiner.
Erschrocken drehte ich meinen Kopf und sah in Mias gerötete Augen. Sie hatte eindeutig auch Zuviel Alkohol konsumiert.
"Alles in Ordnung?" Flüsterte sie.
Ich drückte ihre Hand und gab ihr mit einem Nicken zu verstehen das alles in Ordnung war, auch wenn das nicht so ganz stimmte, da ich dem Alkohol sei dank schon wieder viel zu sehr in der Vergangenheit steckte.

Ich schielte nach vorne zu Lion auf seine Tattoos, die sein gesamtem Arm zierten und versuchte mich abzulenken, indem ich versuchte, sie zu studieren.
Er ertappte mich im Rückspiegel dabei, wie ich ihn anstarrte und unsere Blicke trafen sich.
Ein paar Sekunden schauten wir uns einfach nur in die Augen, keiner von uns lächelte oder sagte etwas. Was er wohl dachte?

Doch bevor ich mir weiter darüber Gedanken machten konnte, hielt das Taxi vor unserem Wohnkomplex. Lion bestand darauf zu zahlen, anschließend stiegen wir allesamt aus.
"Ihr Lieben." Lallte Mia. "Es war schön mit euch, aber ich sollte schleunigst ins Bett.
"Sie kam auf mich zu und gab mir ein Kuss auf die Wange, anschließend ging sie zu Lion, nahm ihn zum Abschied in den Arm und machte sich nicht mehr ganz steh fest auf den Weg zu ihrer Wohnung. Wir mussten beide Schmunzeln bei dem Anblick und ich schrie ihr ein Gute Nacht zurück während auch Lion und ich uns langsam vorwärts bewegten.

Oben angekommen lehnte ich mich gegen meine Haustür und widmete mich Lion zu.
"Danke für den tollen Abend und auch", ich zeigte nach draußen. "Für das Taxi"
"Ich habe zu danken, wir hatten lange nicht mehr so viel Spaß." Er kam einige Schritte auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen.
Wie von selbst erhöhte sich mein Puls zum wiederholten male und mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb.
Seine Augen waren glasig, was seinem eisigen Blau einen gewissen Glanz verlieh und ihn noch anziehender machte als er es eh schon war. 
"Sehr gerne", hauchte ich ihm entgegen, da meine Stimme augenblicklich versagte.
Schon den gesamten Abend hatte er den Blick auf mich gerichtet aber keiner von ihnen war so intensiv wie der in jenem Moment.
Sie zogen mich regelrecht aus und mit einem male fühlte ich mich erregter als ich sein sollte.
Ich hatte keine Ahnung, wann mich ein Mann das letzte mal mit solcher Intensität angeschaut hatte, das sich in Sekunden Szenarien in meinem Kopf anbahnten die dort eigentlich nicht sein sollten.
Ihm schien das ganze nicht entgangen zu sein, den ein schelmischen grinsen umspielte seine Lippen.
"Ich weiß woran du gerade denkst." Er kam noch etwas näher. "Und du bist damit nicht allein. Daher sollte ich jetzt lieber gehen, weil ich sonst für nichts mehr garantieren kann."
Das letzte war mehr ein flüstern, aber ich verstand jedes einzelne Wort.
Er gab mir ein Kuss auf die Wange und schneller als ich schauen konnte hatte er sich von mir abgewendet und verschwand in der Dunkelheit seiner Wohnung.

Ein langer Atemzug verließ meinen Körper und ich versuchte die sich eben abgespielte Situation in meinem Kopf zu verdauen.
Wie gelähmt stand ich vor meiner Haustür, ebenfalls in Dunkelheit gehüllt.
Was eben war das bitte?
Noch nie hatte jemand mich allein mit Blicken so auf der Fassung gebracht, wie er es tat.
Allein dem Alkohol die Schuld zu geben wäre gelogen, wobei ich zugeben musste, dass dieser alles um einiges verschlimmerte.

Auch als ich bereits im Bett lag, hatte sich mein Puls nicht beruhigt und meine Gedanken waren ein reines Chaos.
Ich hatte bereits einige Männer kennengelernt, aber keiner von ihnen hatte mich auch nur mit seiner Aura und Blicken so in Verlegenheit gebracht wir er es tat.
Nicht einmal Adam, mein Ex Freund, und auch er gehörte zu dieser Sorte Männer, die wussten, wie sich auf eine Frau wirkten.
Er konnte flirten, sah verdammt gut aus und war der angesehenste Junge auf dem College.
Anfänglich war ich skeptisch und es war nicht mehr als reines Geflirte, doch er ließ nichts unversucht, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, was mich letztendlich dazu veranlasste, ihm die Chance zu geben, mich besser kennenzulernen und habe mich ihm gegenüber geöffnet wie keinem anderem bisher.
Er machte mir wortwörtlich den Hof und erschlich sich somit mein Vertrauen.
Mit alle dem hatte er von mir alles bekommen was er wollte, bis hin zu meiner Jungfräulichkeit, mit der er anschließend herum prahlte und mich anschließend wie ein Stück Ballast von sich warf.
Er hatte mich benutzt, mein Vertrauen missbraucht und mir wurde bewusste, das jedes Wort eine Lüge und jede Berührung bedeutungslos war.
Das hatte mich damals zerstört und war bis heute noch ein Teil, den ich nicht abschütteln konnte.
Er hatte mich das Vertrauen in die Menschen genommen.

Genau diese Tatsache machte mir eine Riesenangst.
Ja, Lion war nicht Adam, aber er erfüllte die gleichen Kriterien wie er und das noch viel intensiver, als ich es je für möglich gehalten hatte.
Noch dazu war er eine berühmte Persönlichkeit und er wusste welche Wirkung er auf das andere Geschlecht hatte und nichts anbrennen ließ um seinem Ego ein weiteren Triumph zu gewähren.
Er wusste wie man Flirtet und was er dafür tun musste um die Frau dort zu haben wo er sie wollte.
Genau da war das Problem, ich war darauf gepolt, mich in solche Kerle zu verlieben, mich von ihren Worten um den Finger wickeln zu lassen mit der kleinen Hoffnung das sie der Wahrheit entsprachen.
Leider war dem nie so und exakt diese Art von Mann ließ dein Herz in tausend Teile zerspringen und noch einmal würde ich das nicht verkraften.

Das andere Problem war, ich konnte mich nicht einfach von ihm fernhalten wenn er doch der Mittelpunkt meiner Story sein sollte.
Das einzige, was mir übrig blieb, war den Flirtereien aus dem Weg zu gehen und zu hoffen das auch er keine weiteren Andeutungen machte.
Das konnte doch nicht so schwer sein oder?

Das Klingeln meines Handys holte mich wieder in das hier und jetzt zurück.
Wer zur Hölle schrieb mir so früh am Morgen eine Nachricht?
Ich lehnte mich ein wenig nach vorne und tastete nach meinem Handy.
Eine mir unbekannte Nummer tauchte vor mir auf und ich öffnete die Nachricht.

Hey, hoffe es ist ok das Mia mir deine Nummer gegeben hat. Melde dich wenn du Fit für das Interview bist. Und bitte zieh dir etwas trockenes, hochgeschlossenes an. Könnte sonst an der Konzentration scheitern ;) Danke. L.

Lion.
Mit erneut erhöhtem Herzschlag drehte ich mich auf den Rücken und starrte an die Decke.
Ok...Konnte vielleicht doch schwieriger werden als gedacht.

Hope for forgivenessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt