Ich steckte meinen Haustürschlüssel in das Schloss, hielt kurz inne. Mir war so, als ob mich jemand beobachten würde. Unauffällig ließ ich meinen Blick nach rechts und nach links schweifen. Niemand war außer mir in diesem Flur. „Du bist paranoid", war mein erster Gedanke, welcher bissig und schadenfroh an mir nagte. Doch dann kam ein zweiter, der beruhigend sagte, dass es aber gut sei. Das bedeutete nämlich, dass ich mir meiner Situation immer noch bewusst war und nicht leichtsinnig wurde. Mit schnell pochendem Herz wandte ich mich wieder dem Schloss zu, drehte den Schlüssel um und betrat meine Wohnung. Sofort schloss ich die Tür hinter mir und drehte den Schlüssel zweimal um. Ein erleichtertes Seufzen entkam mir. In meiner Wohnung fühlte ich mich sicher, auch wenn sie mir nicht viel Schutz bot, sollte der Ernstfall eintreten. Aber ich hatte sie unter falschem Namen angemietet, zahlte die Miete bar und hatte sie auch sonst niemandem gezeigt. Natürlich war alles möglich, aber wenn dann hatte ich es ihnen nicht leicht gemacht.
Erschöpft legte ich meine Umhängetasche neben die Kommode und den Schlüsselbund auf eben diese. Ich roch wie eine Imbissbude. Obwohl ich hundemüde war, wollte ich noch duschen gehen, bevor meine komplette Wohnung nach Friteuse roch. Es war nicht schwer, dass sich Gerüche festsetzten. Es war ein 33 Quadratmeter Apartment. Wenn man die Wohnung betrat, befand man sich in einem kleinen Flur. Auf der linken Seite war die Türe zu dem kleinen Badezimmer, gegenüber davon war rechts eine Kommode, in welcher sich meine ganzen Klamotten und befanden. Da ich nicht viel besaß, reichte sie vollkommen aus. Nach dem Flur war direkt mein Schlaf-/Wohnzimmer mit kleiner Kochnische. Die Kochnische schloss an die Wand des Badezimmers an und hatte die nötigsten Sachen wie einen Kühlschrank, einem Herd mit vier Kochplatten und einer kleinen Arbeitsfläche. In Hängeschränken befanden sich weitere Utensilien und Geschirr. Gegenüber der Küche befand sich ein höherer Tisch, unter welchem zwei Barhocker verstaut waren. Direkt vor dem Tisch hatte ich noch ein mittelhohes Regal gestellt mit ein paar Büchern und Elektronikkram. Dem Regal schloss sich gleich mein Bett an, das zwischen der Fensterseite und dem Regal Millimeter genau eingefasst war. Gegenüber dem Bett befand sich ein kleines Sideboard mit einem Fernseher oben drauf. Es war nicht viel, aber das kam seit einem halben Jahr einem zuhause am nahesten.
Müde öffnete ich die oberste Schublade der Kommode, entnahm ein schwarzes T-Shirt, frische Boxershorts sowie eine kurze Hose und ging sofort ins Bad. Dort zog ich meine alten Sachen aus, warf sie in eine Ecke. Dann stellte ich mich unter die lauwarme Dusche und ließ das Wasser laufen. Es tat gut. Heute war wieder ein anstrengender Arbeitstag gewesen. Seit ein paar Monaten hatte ich einen Job als Kellner gefunden, welchen ich dringend benötigt hatte. Der Besitzer hatte sich mit meiner Geschichte des Studenten in Italien begnügt und mich eingestellt. Nachdem ich kein Problem damit hatte bis spät in die Nacht zu arbeiten hatte ich eine gute Zeit erwischt für meine Schichten. Nachts wurde es bei den Gästen gerne sehr alkoholisch und sie gaben mehr Trinkgeld. Außerdem konnte man mich in der dunkleren Atmosphäre schwieriger erkennen, was mir noch zusätzlich in die Karten spielte. Heute war ein guter Abend gewesen. Es war eine Familienfeier anwesend, es gab gutes Trinkgeld und in einer kurzen Pause hatte ich etwas von Alessios berühmter Lasagne bekommen. Nichtsdestotrotz war es ein anstrengender Job, weswegen mir das lauwarme Wasser gut tat und ein wenig die Muskeln lockerte. Morgen um 17:00 Uhr würde meine nächste Schicht beginnen. Mit dem Fahrrad waren es vielleicht 15 Minuten Fahrt, was einen guten Abstand bedeutete. Mir zu folgen machte das ein wenig schwieriger, da man durch die kleinen Gassen mit dem Auto nicht fahren konnte.
Als ich fertig war, trocknete ich mich ab und zog meine neuen Sachen an. Ich warf einen kurzen Blick in den Spiegel. Die blonden Haare standen in jede Richtung, nachdem ich sie mit dem Handtuch getrocknet hatte. An den Anblick konnte ich mich nicht gewöhnen. Mir fehlten meine schwarzen Haare, aber auf der Flucht blieb mir nicht viel anderes übrig als mein Äußeres zu verändern. Bald würde ich den Ansatz wieder bearbeiten müssen, damit ich nicht aufflog.
Der kleine Ventilator im Bad kämpfte mit der Entlüftung, weswegen ich die Türe öffnete und das Licht ausschaltete. Müde bewegte ich mich in Richtung meines Bettes. Da von der Fensterseite noch genug Mondlicht in den Raum fiel machte ich mir nicht die Mühe das Licht einzuschalten. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen und wandte mich in Richtung der Fenster, starrte in den Nachthimmel. Ich konnte die Sterne und den Mond sehen. Alles schien so friedlich. Nur noch ein paar Minuten, dann würde ich Vorhänge zuziehen und endgültig für diesen Tag schlafen gehen.
„Hallo Cillian", hörte ich eine Stimme sagen. Erschrocken fuhr ich hoch, starrte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Am Ende des Flurs stand eine große Person, mir zugewandt. Mein Herzschlag hatte sich auf einmal extrem beschleunigt, Angst und Panik verbreitete sich wie ein Lauffeuer in meinem Körper. Ich hatte doch abgesperrt, und mich unter dem Namen Eli Stewart hier eingemietet. Meinen richtigen Namen sollte doch keiner kennen! In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Es war eine männliche Stimme gewesen, kannte ich sie oder nicht? Mittlerweile war es fast zwei Jahre her, die Erinnerungen waren nicht mehr so präsent wie sie es damals waren.
„Schließ die Vorhänge", befahl die Stimme. Wie gelähmt saß ich da, ein dicker Kloß machte sich in meinem Hals breit. Ich konnte mich nicht rühren.
„Cillian, schließ jetzt die Vorhänge", befahl die Stimme erneut, nicht böse aber mit Nachdruck. Da war er wieder, mein Name. Er riss mich aus meiner Starre, griff hinter mich und zog den Vorhang vor das Fenster. Als ich mich wieder zurückdrehte, schaltete die Person das Deckenlicht ein. Von der plötzlichen Helligkeit geblendet, schloss ich die Augen und hob meinen Arm vor mein Gesicht. Es war ein gemeiner Trick gewesen, die Zeit um mich an das Licht zu gewöhnen hatte gereicht, dass der Mann nun vor meinem Bett stand. Ich spürte, wie etwas neben mir auf dem Bett landete. Verängstigt ließ ich meinen Arm sinken, sah neben mir ein Paar Handschellen liegen. Dann brachte ich all meinen Mut auf und sah vor mich. Natürlich kannte ich den Mann. Es war Frank Hunter, der Chef des Sicherheitsdienstes. In seinen Händen eine Pistole.
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No Choice
Teen FictionSeit zwei Jahren befindet er sich auf der Flucht vor seinem Vater, denn in seiner Heimat ist seine Familie in Mafia ähnlichen Handlungen verstrickt. Als seine Mutter sich ein Verfehlung leistet, soll er dafür büßen. Kurzerhand hatte er die Flucht er...