„Mom, der Wagen deiner Schergen hat uns abgedrängt. Ich weiß nicht, wem ich von euch beiden glauben soll. Mir tut alles weh und ich bin verwirrt", keuchte ich hervor, während meine Lunge sich immer noch weigerte, ihren Dienst wie gewohnt auszuführen.
Meine Mutter kniff eines ihrer Augen zusammen, musterte erst mich und warf dann ihren Blick in Richtung Fahrzeugkonvoi meines Vaters.
„Was hat dir dein Erzeuger erzählt?", presste sie in unbeeindrucktem Tonfall hervor, während sie die Kolonne nach meinem Vater absuchte.
Plötzlich kroch mir Angst im Nacken empor. So hatte ich meine Mutter nicht in Erinnerung, noch nie. Hatten die zwei Jahre in meinem Erinnerungsvermögen so eine haarsträubende Umräumaktion veranlasst? Ich wusste ja, dass der menschliche Verstand sehr mächtig war, es am eigenen Leib zu erleben war jedoch eine andere Hausnummer.
„Du hast mit dem Gärtner geschlafen", antwortete ich leise und mit hämmerndem Schädel.
Sie lachte laut auf, das volle Programm. Hand vor den Mund nehmend, Kopf in der Nacken und zurück lehnen. Wie in einem schlechten Film, in welchem die betrunkene Tante an der Familienfeier versuchte cool zu wirken bevor sie ihre peinlichen Jugendgeschichten auspackte.
Als sie sich beruhigt hatte, legte sie mir ihre Hand an die Wange und machte mit ihrem Daumen eine streichende Bewegung. „Schatz, es war der Poolboy. Gianluigi ist wohl ungenau oder du bist härter gegen die Armatur gesaust als ich gedacht hatte. Aber weißt du was? Es wird wieder alles gut. Du kommst nach Hause, deinen Vater lassen wir hier in Italien, wo er hingehört. Lebendig oder nicht, da bin ich mir nicht ganz im Klaren. Alles wird wie früher, du bei mir und alles wird gut. Wir zwei brauchen niemanden."
„Mom, ich will nicht. Ich brauche niemanden, dass habe ich die ganzen zwei Jahre nicht. Weder dich noch Dad. Hättest du Emanuel nicht gefickt, hätte ich weiter studiert und keine Probleme gehabt. Ich bin zweiundzwanzig, keine zwei. Behandele mich nicht wie dein Eigentum", schoss es aus mir hervor. Im Kurzschluss hatte ich eine Eingebung. Egal wer letztendlich der Schuldige, Böse oder Gute in dieser Geschichte war, ich war der Leidtragende und hatte aber nichts damit zu tun. Nur ein Spielball von Problemen zweier Leute. Ich wollte meine Ruhe und keine Person für den Moment sehen. Egal was war, in meiner Vergangenheit oder sonst wo, einfach alles hinter mir lassen. Neu anfangen. Vielleicht als ich selbst, Cillian Keane, mich in Italien in einer Universität einschreiben und weiter studieren. Oder ein anderes Studium beginnen. Neue Leute kennen lernen, die weder mich noch meine Familie kannten. Oder in ein anderes Land. Island soll auch schön sein und ist froh um jede Erweiterung des Genpools. Sollten sich Mom und Dad doch die Köpfe einschlagen.
Doch wieder tanzte ein kleines Stimmchen um mich herum, legte seine Hände auf meine Schultern und hauchte mir ins Ohr, dass ich mitunter der Dreh- und Angelpunkt dieser Auseinandersetzung war und nie meinen Frieden finden würde, wenn meine beiden Elternteile ihre Hände in meinem Leben hatten. Die beiden konnten nichts untereinander klären, wenn es nichts war, was sie überhaupt zusammen klären konnten.
„Cillian Keane, was fällt dir eigentlich ein? Wie redest du mit mir?", hauchte meine Mutter, ihr Lächeln war gefroren und glich einer Fratze.
Ich schloss die Augen, meine Lider zitterten. „Weißt du was Mutter? Egal was du mir angetan hast, ich vergebe dir. Keine Ahnung, ob es das ist was du willst, aber ich verzeihe dir. Physische, psychische oder sonstige Gewalt, alles in Ordnung. Lass dich bitte von Dad scheiden, finde einen Masochisten, den mit Wonne quälen kannst und der sich darüber freut. Aber lass mich da raus. Habe ich es denn nicht verdient, glücklich zu sein?", fragte ich.
Ihre Hand löste sich von meiner Wange, nur um im nächsten Moment mit einer Ohrfeige wieder auf ihr zu landen.
„Giani, schwing deinen nutzlosen Hintern hierher!", hörte ich sie schrill rufen.
Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich, wie einer der bewaffneten Untergebenen meiner Mutter mit meinem Vater im Schlepptau wieder kam.
„Was hast du dem Kind erzählt?", presste sie hervor während sie mit ihrem Zeigefinger aggressiv auf die Brust meines Vaters stupste.
Dieser hatte ein überlegenes, selbstgefälliges Grinsen aufgesetzt. „Die Wahrheit Teuerste. Wenn diese Sache nur einen guten Nebeneffekt hat, dann, dass mein Sohn die Wahrheit über seine Mutter herausgefunden hat. Du miese Schlange hast unser Kind misshandelt!"
Sie schnaubte verächtlich. „Du wagst es, meine Erziehungsmethoden in Frage zu stellen? Hat er in deiner Obhut geschrieen? Nein, da du dich nicht um ihn gekümmert hast. Ein wenig Xanax oder Valium und alles war wieder in Ordnung. Und als ob du niemals den Drang hattest, ihm eine zu kleben wenn er nervig war. Ach stimmt, kannst du ja nicht gehabt haben, weil du nie da warst. Ich war alleine mit Cillian und musste mich auch noch um deine andere Ausgeburt der Hölle kümmern. Was bist du für ein mieser Vater, der sich nicht mit dem Verlust seiner Frau auseinander setzt und versucht für Christian da zu sein sondern sich eine Neue suchst, die du auch gleich schwängerst? Sieh es mir nach, dass ich mit allem überfordert war und das Beste aus der Situation gemacht habe."
„Warum hast du mich dann nicht verlassen, wenn alles zu viel war?", hakte mein Vater nach. Diese Unterredung war wohl schon länger unter der Oberfläche geschlummert.
Jetzt grinste meine Mutter selbstgefällig. „Naja, schließlich habe ich es für mich erträglich gemacht, oder hätten wir sonst diese Situation?"
Mit aller Kraft stand ich auf, unter dem wachsamen Blicken aller anwesenden Personen.
„Ich gehe jetzt. Klärt das unter euch, ich bin draußen. Lasst mich dieses Mal in Ruhe", keuchte ich hervor und drehte mich von ihnen weg.
„Das kannst du nicht machen, nicht nach allem was ich für dich getan habe", rief mir meine Mutter entgegen.
„Scheiß auf deine Mutter, Cillian, bitte, ich habe dich gerade erst wieder gefunden. Kehren wir doch erst mal in die Staaten zurück porcellino", flehte mein Vater.
Ihre Stimmen erstarben plötzlich und ich hielt inne. Nicht, weil mich ihre Aussagen berührt hatten. Nein. Mein Stehen bleiben hatte viel mehr mit dem plötzlichen Schuss zu tun, dessen lauter Knall die Luft durchzog und alles in der Umgebung zum Erstarren brachte.

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No Choice
Teen FictionSeit zwei Jahren befindet er sich auf der Flucht vor seinem Vater, denn in seiner Heimat ist seine Familie in Mafia ähnlichen Handlungen verstrickt. Als seine Mutter sich ein Verfehlung leistet, soll er dafür büßen. Kurzerhand hatte er die Flucht er...